Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Einzelkritik:Süle reklamiert lässig

Der Abwehrspieler macht gegen Gladbach entscheidende Fehler. Joshua Kimmich wird ausgeschaltet, nur Leroy Sané steigert sich. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider

Manuel Neuer

Hatte nach zwölf Minuten schon einen Hackentrick gegen Jonas Hofmann und ein gewonnenes, naja, Kopfballduell an der Mittellinie gegen Breel Embolo im Arbeitszeugnis stehen. Alles ganz normal also. Kassierte dann keinen Rückstand - das war dann schon nicht mehr so normal, aber noch bevor er es sich bei Tee und Gebäck gemütlich machen konnte, hatte er schon wieder zwei Gegentore gefangen. Beide Treffer fielen (wie fast immer) nach schnellen Gegenstößen, an beiden war er (wie fast immer) schuldlos, auch gegen Florian Neuhaus' Hammer zum 2:3 konnte er nichts machen. Hat nun in zehn Spielen nacheinander den Ball aus dem eigenen Tor holen müssen, das musste er in seiner Karriere noch nie. Nicht mal bei Schalke.

Benjamin Pavard

Bekam von Trainer Hansi Flick vor dem Spiel das schwierige Kompliment, er habe "eine sehr gute letzte Saison gespielt". Was natürlich heißt, dass die aktuelle Saison nicht ganz so gut ist. War unter der Woche Protagonist einer kleinen Rechtsverteidiger-Debatte, vor allem seine Offensivleistung wurde als zu schwach bewertet. Gegen Gladbach offensiv zumindest mutiger, litt aber nach hinten wie die ganze Bayern-Abwehr unter den unverschämt aggressiven Gladbachern. Vor dem ersten Gegentor unter großem Druck mit dem Fehlpass.

Niklas Süle

In aufregenden Zeiten ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren und so reklamierte Niklas Süle ganz lässig Abseits, als ihm Jonas Hofmann auf und davon lief und zum 2:2 traf. War dann eben kein Abseits, da steht man dann als Innenverteidiger eben ein bisschen blöd da. Noch blöder steht man nur da, wenn man kurz nach Wiederanpfiff einen Fehlpass viel zu lässig in die Füße des Gegners spielt und so die Hauptverantwortung für das 2:3 trägt. In der Nachspielzeit mit der Kopfballchance zum 3:3 - sein Nationalmannschaftskompagnon Matthias Ginter verhinderte es.

David Alaba

Hat diesen Film in dieser Saison schon zu oft gesehen: Seine Abwehr macht Fehler, er kann aber nichts dagegen tun. Dem Österreicher war am wenigsten vorzuwerfen, dass Bayern wieder Ballverluste hatte, er selbst blieb im Spielaufbau fehlerfrei.

Alphonso Davies

Ist vermutlich der Bayern-Spieler, über den am wenigsten diskutiert wird, obwohl man es vielleicht mal müsste. Leistet sich zu viele Fehlpässe, vor allem zu viele, die direkt zu potenziellen Gegenstößen führen können - etwa vor dem 2:2 mit einem gefährlichen Zuspiel auf Kimmich. Gegen Gladbach ein bisschen sicherer als gegen Mainz, aber immer noch mit dem ein oder anderen Patzer. Hatte mit Douglas Costa aber auch einen undankbaren Doppel-Partner auf der Seite. Holte den Elfmeter raus, wenn man so will, weil Florian Neuhaus mit dem Zeigefinger seinen Querpass berührte.

Joshua Kimmich

Nach seinem beeindruckenden Auftritt in der zweiten Halbzeit gegen Mainz hat ihn Gladbachs Trainer Marco Rose offenbar als wichtiges Element im Bayern-Spiel identifiziert. Auf den Gedanken werden auch noch andere Bundesligatrainer gekommen sein, aber so konsequent wie die Gladbacher Zentrale, vor allem Lars Stindl, bearbeitete kaum ein Gegner Kimmich - vermutlich begleitete ein Gladbacher sogar in den Münchner Mannschaftsbus, um ihn zu nerven. Hatte keine Sekunde Ruhe, war trotzdem noch Drehscheibe des Bayern-Spiels, gewann unzählige Bälle. Aber vor dem 2:2 verlor er dann den Ball entscheidend gegen Stindl.

Leon Goretzka

Dass er so langsam wieder in Form kommt, sah man am zweiten Bayern-Tor. Fing den Ball selbst ab, leitete den Angriff ein und zimmerte ihn dann unhaltbar ins Gehäuse - ein One-Man-Tor. Liest sich nach so einer Niederlage ein bisschen schief, aber im Zentrum war der FC Bayern mit dem bewährten Duo Kimmich/Goretzka deutlich besser aufgestellt als in den vergangenen Spielen. Diesmal war nur der Gegner deutlich besser.

Douglas Costa

Ist Außenbahnspieler Nummer vier beim FC Bayern und gegen Gladbach sah man, warum. Nach vorne ohne große Akzente, manchmal wirkte es sogar so, als würde er sich ohne Aussicht auf den Ball gar nicht bewegen. In den Szenen, in denen er gefordert war, entweder mit technischem Fehler oder mit schlechtem Timing. Natürlich fehlt ihm die Spielpraxis, aber ehrlicherweise war es überraschend, dass er erst in der 67. Minute für Coman das Feld verlassen musste.

Thomas Müller

Ist der Bayern-Spieler mit den meisten Einsatzminuten und deswegen ist es wahrscheinlich nur normal, dass sogar der Unermüdliche irgendwann müde wird. Hat immer noch gute Aktionen im Spiel, etwa seine plötzliche Flanke auf Lewandowski nach 25 Minuten. Verpasste per Kopf das 3:3, verpasste dann im Getümmel das 3:3 (solche Tore sind normalerweise seine Spezialität). Ärgerte sich darüber, blieb aber ansonsten ungewöhnlich ruhig. Oder die Außenmikrofone in Gladbach haben einen Müller-Filter.

Leroy Sané

Schoss Matthias Ginter k.o., als er in der 65. Minute abzog und der Nationalverteidiger sich mit dem Kopf in seinen Schuss werfen musste. Bestes Spiel von Leroy Sané in jüngster Vergangenheit. War der Akteur, mit dem die Gladbacher die meisten Schwierigkeiten hatten. Zeigte, welcher Spieler er sein kann - für ihn natürlich ungünstig, dass nun alle über die Niederlage sprechen werden und nicht über seine Leistungssteigerung.

Robert Lewandowski

Hatte von allen Bayern-Spielern am sichtbarsten die Schnauze voll. Musste weite Wege gehen, weil der Ball den Weg nicht zu ihm fand. Spielte schon nach 15 Minuten einen Steckpass auf Thomas Müller - eigentlich sollte das ja umgekehrt laufen. Traf per Elfmeter, hat nun 20 Saisontore und liegt damit immer noch vor dem berühmten Gerd-Müller-Schnitt von 40 Toren pro Spielzeit. Wird ihn an diesem Tag nicht trösten.

Einwechselspieler

Mit Kingsley Coman hatte Bayern mehr Zug auf der Außenbahn, doch der entscheidende Pass gelang ihm auch nicht mehr. Auf weitere Einwechselspieler verzichtete Flick - auch das war überraschend.

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