FC Bayern gegen Augsburg:Unnötig wie ein Rechenfehler

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Schrei: Renato Sanches nach einer vergebenen Torchance.

(Foto: AFP)
  • Der FC Bayern spielt nur 1:1 gegen den FC Augsburg - es sind die ersten Punktverluste der Saison.
  • Trainer Niko Kovac rüttelt mit seiner Rotation etwas zu sehr am Gerüst der Mannschaft. Am Ende flutscht Manuel Neuer ein Ball durch die Hände.
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Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Am Ende des Tages, man muss das in diesem Zusammenhang so wiedergeben, war es für Karl-Heinz Rummenigge kein so ergiebiges Wiegenfest. Der Vorstandsboss des FC Bayern hatte zu seinem 63. Geburtstag zwar eine mit Wunderkerzen verzierte Kalorienbombe von einer Torte bekommen, er hatte Glückwünsche des Stadionsprechers erhalten und für ein paar Erinnerungsfotos posiert - aber was ist schon ein Tag ohne einen Sieg des FC Bayern? Zumal zur Wiesn-Zeit! Gegen den kleinen FC Augsburg!

Rummenigge hatte ein 1:1 (1:0) erlebt, das er auf dem Weg durch die Stadiongänge lieber nicht kommentieren wollte. Er und Präsident Uli Hoeneß hatten über den Tag hinweg ja schon genug gesagt. Über die Schmähungen einiger Dortmunder Fans gegen Hoffenheims Vereinsmäzen Dietmar Hopp, den sie in einer staatstragenden Mitteilung einen "Ehrenmann" nannten, den es zu schützen gelte. Dabei wäre es durchaus interessant gewesen, wie Rummenigge den ersten Punktverlust der Saison einschätzte, schließlich war der auf eine Weise zustande gekommen, die speziell Rummenigge bekannt vorkommen dürfte.

Fußball ist am Ende des Tages vieles, aber nach Rummenigges Ansicht ganz bestimmt keine Mathematik. Mit diesen Worten kritisierte er 2007 den damaligen Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld, einen ausgebildeten Mathe-Lehrer, weil der in einem Spiel gegen die Bolton Wanderers zu viel rotiert hatte. Das sogenannte "Rotationsprinzip" haben die Bayern seither trotzdem beibehalten und wie sich gegen Augsburg zeigte, ist auch der neue Münchner Coach Niko Kovac ein Anhänger der ständigen Wechsel in seiner Aufstellung, damit jeder Spieler mal drankommt. Nur: Es ging wie auch damals gegen Bolton (2:2) schief, weil Kovac ein wenig zu viel in seiner bislang mächtig dahinwalzenden Mannschaft herumgewerkelt hatte.

Plötzlich spielt Goretzka hinten links

"Wir haben nicht so gut gespielt wie in den letzten Wochen", sagte Kovac deutlich reserviert. Er selbst hatte nach Wochen, in denen ihm alles zu gelingen schien, seinen Anteil an diesem Abend der Entblößung. Aufgedeckt wurde von den Augsburgern, die es laut Kovac "sehr, sehr gut gemacht" hätten, nämlich eine gewisse Verwundbarkeit des FC Bayern. Kovac hat seine Elf - zumindest in diesem einen Spiel - aus dem Tritt gebracht, indem er ihr Gerüst angefasst hatte. Er hatte Leon Goretzka, der vieles ist, aber kein Linksverteidiger, als ebensolchen aufgeboten, weil er David Alaba schonen wollte.

Und er hatte Sandro Wagner Auslauf von der Bank gewährt, weil er dem Stürmer eine Chance hinter dem omnipräsenten Robert Lewandowski geben wollte. Beide Experimente scheiterten. Goretzka und Wagner verkörperten das Erschlaffen einer Mannschaft, die mit der Wechsel-Welle nicht klarkam. Kovac selbst sah das anders: "Ich fand, dass Leon es gut gemacht hat", erklärte er, dabei sah man dem Nationalspieler bis zu seiner Auswechslung zur Halbzeit in fast jeder Szene an, wie unwohl er sich fühlte da hinten links.

Die Sprints in der Rückwärtsbewegung, der Spielaufbau mit links - mehrfach grummelte das Publikum (was vor allem in den ersten 20 Minuten zu hören war, als die Fans in Stille gegen den DFB protestierten). "Natürlich kann er David Alaba nicht eins zu eins ersetzen", meinte Kovac noch. Und man konnte darin auch eine leichte Kritik hören, dass der Verein mit Juan Bernat den letzten Links-Fachmann außer Alaba einfach ziehen ließ. Goretzka wiederum räumte "fehlende Automatismen auf dieser ungewohnten Position" ein, er wusste, dass er keine Werbung für den Linksverteidiger Goretzka gemacht hatte.

Die Zuschauer granteln und fordern Lewandowski

Trotz aller Probleme im Aufbau gegen einen FCA, der "fast über das ganze Feld eins gegen eins verteidigte" (Niklas Süle), hatte das Münchner Übergewicht im Mittelfeld zum 1:0 geführt: ein hoher Ball in Richtung Serge Gnabry, den Kovac ebenso ins Team warf, sein Antritt und ein Pass zu Arjen Robben, der ein bisschen Slalom lief und dann traf (47. Minute). Aber es blieb eben bei diesem einen Tor und das lag auch an Sandro Wagner, der freistehend vor dem Augsburger Tor vergab. "Ihm hat das Quäntchen Glück gefehlt, dabei hatte er ja zwei, drei Möglichkeiten", sagte Kovac. Einige Zuschauer reagierten schon drastischer und forderten mit bayerischer Grantelei Lewandowski. Doch der saß auf der Bank.

So half den Bayern auch ein erneut kerniger Auftritt von Renato Sanches nichts, der immer wieder seine Märsche mit dem Ball startete. Am Ende des Tages wackelten die Münchner wieder, ihnen fehlte die Stabilität, das Pendel, die Überzeugung, das Ding schon nach Hause zu schaukeln. Ziemlich ungewohnt eigentlich, aber eben legitimiert durch das Kuddelmuddel der vielen Wechsel - von den zuletzt starken Thiago und James durfte nur der Spanier kurz ran, auch Franck Ribéry wirbelte nur eine halbe Stunde. Die Augsburger Widerspenstigkeit fand ihren Höhepunkt in der 85. Minute, als ein Eckball so lang durch die Luft segelte, dass Manuel Neuer einen Hindernislauf in Richtung Ball hinlegen musste.

Er prallte gegen die Hüfte von Süle, ließ die Kugel durch die Hände flutschen und ermöglichte Jeffrey Gouweleeuw eine Hereingabe, die Felix Götze mit der Brust über die Linie drückte. Diese Pointe verhagelte fast dem ganzen Stadion die Laune. "Wir haben diesen einen Fehler gemacht, ausgerechnet in dem Spiel, in dem wir selber vorne nur einen reinmachen", fand Thomas Müller, "das tut schon sehr weh, weil es unnötig war." Unnötig wie ein Rechenfehler, wenn man die Lösung doch eigentlich kennt.

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