FC Bayern:Zur Begrüßung was Wildes

FC Bayern München v 1. FC Köln - Bundesliga

Julian Nagelsmann: Hatte gegen den 1. FC Köln viel zu dirigieren - und zu korrigieren

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Beim ersten Pflicht-Heimspiel unter Julian Nagelsmann vor 20 000 zurückgekehrten Fans schlägt der FC Bayern den 1. FC Köln nur knapp: 3:2. Souverän wirkt der ungewohnt aufgestellte Meister dabei selten.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Es hat fast zwei Monate gedauert, bis Julian Nagelsmann wirklich belastbare Indizien sammeln konnte, wie er bei den Fans des FC Bayern ankommt. Seit Anfang Juli ist er Trainer in München, seitdem hat er mit seinem Team einige Testspiele im Stadion vor Publikum ausgetragen und eine Trainingseinheit in der Arena geleitet. Doch die Eindrücke, die er dabei erfuhr, dürften kaum repräsentativ gewesen sein.

Bei den Testspielen wurde er von einer kleinen Gruppe Fans einmal angepflaumt, weil er als junger Coach beim Stadtrivalen 1860 arbeitete, aber das war nur der Zorn der Idealisten. Beim öffentlichen Training im Stadion wurde er zwar beklatscht, doch da konnte er auch nicht viel falsch machen.

Nun allerdings, am frühen Sonntagabend, waren zum ersten Bundesliga-Heimspiel des Rekordmeisters in dieser Saison gegen den 1. FC Köln so viele Zuschauer in der Arena zugegen wie seit Pandemiebeginn nicht mehr: 20 000, so viele wie erlaubt waren. Nach dem Schlusspfiff, nach dem 3:2 gegen den 1. FC Köln, jubelten sie so laut, wie seit 18 Monaten nicht mehr. Allerdings wohl erst mal aus Erleichterung.

Nagelsmann, 34, hatte unter der Woche mit dem ersten Sieg im zweiten Pflichtspiel bereits seinen ersten Titel gewonnen, dank des 3:1 im Supercup gegen Borussia Dortmund. Doch das Kräftemessen mit den Westfalen wirkte am Wochenende schon wieder wie eine ferne Erinnerung - Dortmund verlor am Samstag jedenfalls gegen den SC Freiburg. Und die Bayern, mit einem 1:1 in Mönchengladbach in die Saison gestartet, brauchten gegen Köln viel Anlauf, Umstellungen zur Pause, außerdem etwas Glück und eine starke Einzelleistung des zweimaligen Torschützen Serge Gnabry, um erstmals in dieser Saison in der Liga zu gewinnen.

Präsident Herbert Hainer und Ehrenpräsident Uli Hoeneß ehren Gerd Müller

Dass auch Nagelsmann eine entscheidende Rolle spielen würde bei seinem Pflichtheimspieldebüt, zeigte sich bereits an der Aufstellung. Vor Manuel Neuer, der entgegen der Befürchtungen trotz einer Kapselverletzung am Fuß im Tor stand, spielten die Münchner in Ballbesitz mit einer Dreierkette: Niklas Süle, Dayot Upamecano und Tanguy Nianzou. Nagelsmann hatte bislang oft gesagt, aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit mit den erst spät aus dem EM-Urlaub zurückgekehrten Nationalspielern wäre es zu früh, um bereits seine neuen Ideen anzuwenden. Und nun?

Die Aufstellung wirkte nicht nur deshalb experimentell, weil der FC Bayern üblicherweise mit einer Viererkette spielt. Es fehlt überdies derzeit ein rechter Flügelspieler für dieses System. So spielte dort in der ersten Hälfte der nicht gerade für seine Arbeit nach hinten weltberühmte Angreifer Leroy Sané. Er machte oft eine unglückliche Figur. Manche der Zuschauer pfiffen bei seinen Fehlern in der Offensive. Das habe er auch wahrgenommen, sagte Nagelsmann. Doch er könne nun "nicht alles, was im Stadion passiert, thematisieren".

Das Spiel begann in gedämpfter Stimmung, es wurde Gerd Müller gedacht, dem vor einer Woche verstorbenen größten Stürmer der Klub-Geschichte. Präsident Herbert Hainer und Ehrenpräsident Uli Hoeneß hielten Reden, Letzterer wandte sich berührt direkt an seinen damaligen Mitspieler. "Wir werden dich sehr vermissen, und wir werden dich niemals vergessen", sagte er.

Danach witterten die Kölner vom Anpfiff weg ihre Chance gegen im ungewohnten System konfus wirkende Münchner. Zwar hatte Niklas Süle eine bemerkenswerte Torchance, als der Innenverteidiger sich bei einem Ausflug in den gegnerischen Sechzehner an einer Zidane-Drehung versuchte und gefährlich aufs Tor schoss. Ansonsten raunten die Zuschauer meistens aufgrund von Lücken in der Abwehr oder Fehlpässen beim FC Bayern. Dass es zur Pause 0:0 stand, war fast schon ein magerer Ertrag für die Kölner, auch wenn sie sich noch keine Großchancen erspielten. Seine Mannschaft habe "nicht so mutig" gespielt, "wie ich mir das vorgestellt habe", sagte Trainer Steffen Baumgart.

Musiala legt im perfekten Moment auf Lewandowski ab

In der Halbzeit korrigierte Nagelsmann dann seine Aufstellung, für Sané kam Jamal Musiala, für den ebenfalls nicht überzeugenden Nianzou kam Josip Stanisic. Nun sah es bei den Bayern wieder mehr nach der üblichen Viererkette aus - und zwischenzeitlich auch nach der üblichen Dominanz. Musiala hatte schon in der 48. Minute viel Platz im Kölner Strafraum und schoss drüber. Zwei Minuten später lief der 18 Jahre alte Nationalspieler wieder mit Platz von links aufs Tor zu, dribbelte unaufhaltsam die Grundlinie entlang und legte im perfekten Moment auf Robert Lewandowski ab, der zu seinem zweiten Saisontor traf. "Das war natürlich Sahne", sagte Kölns Trainer Baumgart. Neun Minuten später legte Thomas Müller für Gnabry das 2:0 vor.

Doch die Führung hatte nur wenige Sekunden Bestand. In der 60. Minute traf Anthony Modeste mit viel Platz beim Kopfball zum Anschluss. Und noch mal zwei Minuten später war die Partie endgültig der Wildheit verfallen, wie auch Nagelsmann später konstatierte ("Da haben wir noch einiges zu tun"): Der Kölner Mark Uth drückte den Ball im Fünfmeterraum zum 2:2 über die Linie, wieder nach einer Flanke ins Zentrum.

Es brauchte in der 71. Minute eine Einzelaktion von Gnabry, einen Schuss voller Wucht und Frust vom Strafraumeck, um wieder in Führung zu gehen. "Meine Fresse!", das war sehr deutlich auf Nagelsmanns Lippen zu lesen. Nach Gnabrys Auswechslung kurz darauf bedankte sich der Trainer mit einer Umarmung. Er wirkte mindestens so erleichtert wie das Publikum.

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