FC Augsburg:Schmidt sucht den Geist

l-r: Stephan Lichtsteiner 2 (FC Augsburg) bekommt von Chef-Trainer Martin Schmidt (FC Augsburg) nach Spielende einige e

Steht in Augsburg unter Zugzwang: Chef-Trainer Martin Schmidt.

(Foto: Christian Kolbert / imago)

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Martin Schmidt ist ein Fußballtrainer, der mit Leidenschaft auf Details achtet. Als er im Sommer die Vorbereitung mit dem FC Augsburg begann, nannte er als "wichtigsten Neuzugang" einen Rehatrainer, über den er sagte, dass jener "nadeln" könne: Akupunktur. In seiner Zeit beim VfL Wolfsburg erklärte Schmidt einmal, dass er die Spieler ans Zähneputzen erinnere. Und als er am vergangenen Bundesliga-Spieltag, nach dem 1:5 in Mönchengladbach, ankündigte, er werde nun alles hinterfragen, da erwähnte er unter vielem anderen auch das "Schuhwerk" - seine Spieler waren oft ausgerutscht.

Seit diesem 1:5 in Gladbach, bei dem es nach 13 Minuten 0:3 stand und zur Halbzeit 0:4, das die vierte Saisonniederlage und nunmehr 19 Gegentore bedeutete, ist für Schmidt und Augsburg einiges anders. Es war eine Niederlage von besonderer Qualität. Vor dem Spiel gegen den FC Bayern an diesem Samstag stellt sich die Frage, ob mehr schiefläuft als Details. Ein Trainerwechsel sei kein Thema, hat Manager Stefan Reuter der Augsburger Allgemeinen gesagt: "Wir müssen alles tun, damit wir wieder den FCA-Geist reinbringen."

Dass dieser Geist offenbar gerade weg ist, klingt allerdings nicht gerade nach einer leichten Aufgabe für den Trainer.

Am Donnerstag sitzt Schmidt zur üblichen Pressekonferenz vor dem Spiel im Stadion, das Hemd zwei Knöpfe offen, das Lächeln nicht so breit wie sonst. Er sagt manche Sätze, die man von ihm inzwischen kennt, etwa den von der Arbeit an den "Basics". Er schlägt mit der Faust aufs Pult, als er über die aggressive Zweikampfführung spricht, die er als wichtigsten Mangel ausgemacht hat und gegen die Bayern erwartet. Er sagt: "Wir haben ein unheimlich gutes Miteinander." Der FCA-Geist?

Schmidts emotionaler, positiver Zugang rettete die Augsburger in der Rückrunde

Schmidt kam im Frühjahr, als beim sonst so ruhigen Bundesligisten plötzlich die Ruhe dahin war, als Nachfolger des samt Co-Trainer Jens Lehmann und Kaderplaner Stephan Schwarz freigestellten Manuel Baum. Seine emotionale, positive Ansprache funktionierte auf Anhieb, mit zwei Siegen sicherte Augsburg die Klasse. Allerdings endete die Saison mit einem 1:8 in Wolfsburg. Es folgte eine Vorbereitung, in der die Mannschaft erst zum Ende der Transferphase nach dem zweiten Spieltag fertig zusammengestellt war. Seitdem hat Schmidt einerseits das Problem, in einem mit zwölf Zugängen komplett neuen Kader im Spielbetrieb eine funktionierende Elf finden zu müssen. Andererseits ist es ein Kader, von dem er in der Öffentlichkeit geradezu schwärmt, in dem viele seiner Wunschspieler stehen. Ein Kader, der besser besetzt ist als viele in Augsburg zuvor.

Der Schweizer Schmidt, 52, ist eines der bekannteren Gesichter der Bundesliga, seit er Mainz 2016 in den Europapokal führte. Er ist der etwas andere Fußballlehrer, der mit seinen Teams Bergtouren unternimmt, der als Kind im Wallis Kühe hütete, später Skirennen fuhr und als Kfz-Mechaniker arbeitete, Spezialität: Tuning.

Sein Image bei Kritikern ist auch das eines Trainers mit einem einfachen Plan: Umschaltfußball mit Hauruck. "Wer behauptet, dass Martin taktisch limitiert ist, liegt völlig falsch", sagt dagegen Christian Heidel: "Manche unterschätzen ihn und glauben, er ist nur ein feiner Mensch." Heidel, im März als Sportvorstand bei Schalke 04 zurückgetreten, beförderte Schmidt 2015 zum Chefcoach bei Mainz.

Verpflichtet hatte er ihn bereits 2010 als Trainer für die zweite Mannschaft, auf Empfehlung von Thomas Tuchel, damals Chefcoach. Da gebe es diesen Typen beim FC Thun, der sehe ein bisschen verrückt aus, aber der habe ihn taktisch ausgehebelt - das habe Tuchel damals über Schmidt erzählt, sagt Heidel. Die hohen Niederlagen zuletzt, auch in Dortmund verlor Augsburg 1:5, "das ist nicht Martin-Schmidt-typisch", findet Heidel: "Ich bin mir sicher, dass er genau weiß, warum es in Augsburg nicht läuft."

"Manchmal bin ich als Trainer auch ein Frager"

Warum es gerade nicht läuft, dazu gibt es auch eine Theorie, die nichts mit dem Trainer zu tun hat, sondern mit dem Management. Spielern wie Michael Gregoritsch, seit Wochen außer Form, oder Philipp Max, dem wichtigen Linksverteidiger, wurde suggeriert, dass sie den Klub verlassen dürfen. Augsburg als Karrieresprungbrett, auch das zeichnet den Standort aus. Doch die Ablöseforderungen für Max und Gregoritsch waren in diesem Sommer so hoch, dass sie bleiben mussten.

Auf der Ausgabenseite war der teuerste Transfer des Sommers Torhüter Tomas Koubek von Stade Rennes, für die vergleichsweise hohe Ablöse von angeblich 7,5 Millionen Euro sollte er eine Position besetzen, die in der Vorsaison eines von mehreren Problemen war. Koubek allerdings lieferte die ikonische Szene zum 1:5 in Gladbach, als er vor dem 0:4 nach einem Rückpass über den Ball trat - es war bereits sein vierter grober Fehler vor einem Gegentor.

Koubek soll nicht Schmidts Wunschtorwart gewesen sein, doch der verteidigt ihn: "Das Vertrauen ist groß in ihn." Aber Sicherheit verleiht er bislang noch nicht, der neue Keeper, den Manager Reuter fast ein Jahr lang suchen konnte. So lange war klar, dass der FCA nach dem Weggang von Marwin Hitz 2018 und den Patzern seiner zu Nachfolgern erkorenen Vertreter Fabian Giefer und Andreas Luthe im Sommer 2019 einen Torwart brauchen würde.

In der Länderspielpause wollte Schmidt die Probleme aufarbeiten, aber die Hauptakteure fehlten

Und dann ist da die Abwehrreihe der gemeinsam mit dem Tabellenletzten Paderborn schwächsten Defensive der Liga. Stephan Lichtsteiner, 35, siebenmaliger Meister mit Juventus Turin, wegen derzeit verletzungsbedingter Abwesenheit von Kapitän Daniel Baier auch für eine mögliche Führungsrolle verpflichtet, spendet noch keine Sicherheit, wurde in Gladbach zur Pause ausgewechselt und kehrte nun erst am Donnerstag aus der Länderspielpause zurück. Dass er genau wie die Innenverteidiger Tin Jedvaj und Felix Uduokhai erst kam, als die Vorbereitung vorbei war, ist natürlich auch dem Markt geschuldet, in dem Manager Reuter für den FCA nicht zu den reichen und ruhmreichen Bewerbern um erprobte Erstliga-Fußballer zählt.

Von seinem zweiten Job als Bundesligatrainer, beim VfL Wolfsburg, war Schmidt 2018 nach fünf Monaten zurückgetreten, weil die Arbeit mit Sportdirektor Olaf Rebbe und dem Vorstand problematisch war und er sich mit Wolfsburg nie so recht identifizieren konnte. In Augsburg ist das offenbar anders, schon nach wenigen Wochen im April schwärmte er vom Domchor, den er nach einem Spaziergang durch die Stadt singen hörte. Auch sein Verhältnis zu Reuter soll gut sein, nach dem 1:5 in Gladbach saßen beide lang zur Analyse zusammen.

Wenn sie sich in Augsburg eines wünschen nach der turbulenten Vorsaison mit den Suspendierungen des unzufriedenen und schließlich nach Frankfurt gewechselten Martin Hinteregger und des jüngst wegen Körperverletzung verurteilten Caiuby, dann Ruhe und Geschlossenheit. Auch Präsident Klaus Hofmann hat Schmidt öffentlich großes Vertrauen zugesagt. Reuters Vertrag hat Hofmann im Frühjahr um zwei weitere Jahre bis 2023 verlängert. Doch Ruhe im Fußball bringt meist nur Erfolg. Nach dem Spiel gegen die Bayern trifft Augsburg auf den Tabellenzweiten Wolfsburg und den Tabellensechsten Schalke. Immerhin steht demnächst in Jeffrey Gouweleeuw der lange verletzte Abwehrchef der vergangenen Jahre vor der Rückkehr.

Er habe viele Einzelgespräche geführt, sagt Martin Schmidt, natürlich gebe es unzufriedene Spieler, manche sind wohl auch unzufrieden mit ihm. Er habe auch um Verbesserungsvorschläge gebeten: "Manchmal bin ich als Trainer auch ein Frager." In Augsburg erhoffen sie sich von ihm nun jedoch ein paar Antworten.

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