Bundesliga: Fankultur:Abfackeln, aber nur unter Aufsicht

Feuerwerkskörper in der Kurve: Im Dauerkonflikt zwischen Ultras und Verbänden zeichnet sich eine Lösung ab - vorausgesetzt, die Kompromissbereitschaft unter den Fans setzt sich fort. Doch was, wenn wieder etwas passiert?

Christoph Ruf

Langjährige Stadionbesucher trauern zuweilen jenen Zeiten nach, in denen sich bei einem Fußballspiel die Stadionsprecher noch auf das Verlesen der Aufstellungen beschränken konnten. Heute fordern sie den einen Teil des Publikums auf ("Und jetzt alle . . ."), in Wallung zu geraten, und den anderen, die Wallungen zu mäßigen. "Das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände ist verboten . . .", heißt es dann. Die Durchsage verhallt ungehört - aus Prinzip.

Galatasaray Istanbul - Inter Mailand

"Wir lieben die Emotionen, die mit einem Freudenfeuer nach dem Tor verbunden sind", heißt es im Manifest der Ultras.

(Foto: dpa)

Für die Ultra-Fans in der Kurve sind "Pyros" Ausdruck einer ungezähmten Fankultur, die sich bewusst absetzt von den als "Eventpublikum" diffamierten Zuschauern auf den teureren Tribünenplätzen. Um die bunt glühenden Fackeln auf die Ränge schmuggeln zu können, nehmen sie Anstrengungen auf sich, gegen die sich die Feile im Gefängniskuchen wie ein plumper Täuschungsversuch ausnimmt.

Die kleinen Fackeln werden beispielsweise am Tag vor dem Spiel in entlegenen Winkeln der Stadionklos versteckt. Oder sie werden am Spieltag eingeschmuggelt - wenn man den Schilderungen von Security-Angestellte glauben darf, sogar in Körperöffnungen. Wer beim Zündeln erwischt wird, bekommt zudem ein Problem, wie der Würzburger Anwalt Benjamin Hirsch berichtet: "Jeder wird wegen versuchter Körper- verletzung angezeigt. Das ist rechtsstaatlich bedenklich, weil kein Ultra seine umstehenden Kollegen verletzen will."

Nun mag sich dem gewöhnlichen Fußballinteressierten nicht erschließen, warum ein junger Mensch wegen ein wenig Gezündel solche Risiken auf sich nimmt. In dem Manifest "Pyrotechnik legalisieren", das über 50 Ultragruppierungen (darunter die Münchner "Schickeria") unterschrieben haben, wird das zu erklären versucht: "Wir lieben die Emotionen, die mit einem Freudenfeuer nach dem Tor verbunden sind. Wir lieben es, wenn die Kurve in einem Meer aus Farben untergeht. Wir lieben die Pyrotechnik, so wie wir unsere Zaunfahnen, Choreographien, Gesänge lieben."

Man muss den heiligen Ernst nicht nachvollziehen können, mit dem die Szene ihre Liebe bekennt. Offenbar ist aber auch den Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und in der Deutschen Fußball Liga (DFL) bewusst, dass die Szene nicht von ihrem Lieblingsspielzeug lassen wird und dass alle repressiven Maßnahmen bislang versagt haben.

Die Eingangskontrollen können noch so penibel, die Strafen noch so drakonisch sein - die Fackeln, die so groß sind wie ein mittlerer Filzstift, gelangen oft dennoch ins Stadioninnere. Umso bemerkenswerter, dass die Szene in dem Manifest nun ein Friedensangebot im Katz-und-Maus-Spiel unterbreitet. "Wir wissen um die Risiken, die der Einsatz von Pyrotechnik mit sich bringt", heißt es in dem Schreiben. "Bei verantwortungsbewusstem und vernünftigem Umgang sind diese Risiken allerdings auf ein Minimum reduzierbar."

Reflektierende Ultras

Verletzungen wie sie 2010 Nürnberger Fans beim Zündeln im Bochumer Gästeblock erlitten, entstünden, weil die Fackeln, die Temperaturen von mehr als 1000 Grad erreichen können, "aus Angst vor Bestrafung im dichten Gedränge" gezündet würden.

Auch deshalb fordern die Unterzeichner die Einrichtung von Zonen, in denen Pyros legal abgebrannt werden können. Im Gegenzug wollen sie darauf hinwirken, dass Leuchtspurgeschosse und Böller ("sind klein und fies und schaffen keine Feierstimmung") aus der Kurve verbannt werden.

Bislang gab es zwei Treffen zwischen der Ultra-Initiative und Vertretern von DFB und DFL. Dass sowohl DFB-Vize Rainer Koch als auch der scheidende Sicherheitschef Helmut Spahn teilnahmen, dokumentiere, dass auch die Ver- bände ernsthafte Dialogbereitschaft zeigen, sagt Anwalt Hirsch, der die Gespräche auf Seiten der Ultra-Initiative begleitete. "Ich glaube, viele in Frankfurt waren überrascht, dass sie da auf Seiten der Ultras mit intelligenten und reflektierenden Menschen zu tun hatten."

Auch das habe wohl zu dem unerwarteten Entgegenkommen von Seiten der Verbände geführt. Anstatt das Ansinnen der Initiative in Bausch und Bogen abzulehnen, will man jetzt beobachten, welche Chancen ein Abkommen zwischen den Ultras und den Verbänden hätte. Den Szenen, in denen ein paar Spiele am Stück auf Böller und Pyros verzichtet wird, sei man bereit, einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. "Wo das klappt", so Hirsch, "werden dann Zonen in der Kurve ausgewiesen, in denen legal, aber kontrolliert Pyros abgebrannt werden können."

Gut möglich also, dass die Stadionsprecher demnächst weniger Durchsagen machen und keine Polizeieinheiten mehr in vollbesetzte Blöcke stürmen müssen, um einen Zündler dingfest zu machen. Es sei denn, in den Kurven setzen sich die wenigen durch, die jeden Dialog mit den Offiziellen ablehnen und nun erst recht zum Feuerzeug greifen wollen. Dem Vernehmen nach gibt es bei DFL und DFB einige Offizielle, die genau darauf warten, um wieder zur harten Linie zurückkehren zu können.

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