Bundesliga:Ein Torwart mit stabilen Quoten und viele junge Versprechen

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Collage: SZ (Foto: N/A)

Nach 13 von 17 Hinrundenspielen hat die Bundesliga einige Geschichten geschrieben: Die SZ hat eine dazu passende Elf nominiert.

Von SZ-Autoren

Größer als alle Zahlen

Oha! Ist das etwa die Götterdämmerung? Manuel Neuer hat in 13 Spielen bereits 19 Gegentore kassiert, nur zweimal spielte er zu null, seine Paradenquote liegt laut Statistik bei 63,5 Prozent. Damit liegt Neuer hinter Andreas Luthe (Union Berlin, 64,7 %), Stefan Ortega (Bielefeld, 66,7 %) oder Rafael Gikiewicz (Augsburg, 71,2 %). Aber nein, auch das ist ja das Tolle an Neuer: Er ist größer als alle Zahlen, jedenfalls als die, die sich erheben lassen. Denn seine Ausstrahlungs-, Autoritäts- sowie Stürmer-Einschüchterungs-Quoten liegen wieder bei stabil über 100 Prozent. Neuers Weltklassenormalform hat den müden Bayern im Herbst durch ein paar schwere Wochen geholfen, und seine Weltklassenormalform gibt dem Trainer Flick auch die Möglichkeit, im laufenden Spielbetrieb endlich wieder die ideale Abwehrformation zu finden. (nee)

Köpenicker Kopfballkönig

Nach der Begegnung mit dem Innenverteidiger Marvin Friedrich war der Innenverteidiger Mats Hummels fuchsteufelswild: "Unverzeihlich" und "unbegreiflich" fand der Dortmunder, wie vogelfrei der Berliner am Elfmeterpunkt zum 2:1 für Union einnicken durfte. Spätestens seit diesem Tor personifiziert Friedrich eine Schlüsselqualität des Big-City-Überraschungsteams Union: Nirgendwo werden so effektive Standards geschmiedet wie in der Köpenicker Kultmanufaktur. Alleine der Abwehrmann Friedrich, in der Bestform seines Lebens, traf schon viermal per Birne, weshalb ihn Bild soeben als "besten Kopfballspieler der Liga" adelte. Der Abwehrmann Christopher Trimmel (sechs Assists) ist der beste Eckballschütze der Liga. Und weil Max Kruse der beste Sommertransfer war, spielt Union auch noch gepflegteren Fußball. (mok)

Marvin Friedrich (Mitte, oben) (Foto: Soeren Stache/AP)

Beschützer der Werkself

Als Bayer Leverkusen vor einem Jahr den Verteidiger Edmond Tapsoba einstellte, war das Publikum verwirrt. Wo kommt der denn her?, fragten die einen. Andere fragten: Wieso hat der so viel gekostet? Tapsoba, 21, empfahl sich zuvor in der zweiten portugiesischen Liga sowie ein halbes Jahr beim Erstligisten Guimaraes - eine überschaubare Referenz. Dennoch zahlte Bayer 18 Millionen Euro Ablöse und war heilfroh über die Zusage. Englische Vereine hatten noch mehr offeriert. Die Leverkusener aber boten außer Gehalt ein Karriereversprechen: Sie lockten Tapsoba mit den Namen erfolgreicher Werkself-Profis wie Carvajal, Kroos oder Vidal. Als der Verteidiger kürzlich seinen Vertrag zu noch besseren Bezügen verlängerte, staunte niemand mehr. (pse)

Edmond Tapsoba (rechts) (Foto: dpa)

Kleiner Etikettenschwindel

Sein Soll hat Angeliño längst erfüllt: Vier, fünf Tore sollten seine Außenverteidiger erzielen, sagte zu Saisonbeginn RB Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann. Sein kleiner, kahlköpfiger Spanier hat in 20 Spielen aber bereits acht Pflichtspieltore und sechs Vorlagen geliefert. Angeliño steht damit im internen Ranking vor Stürmer Yussuf Poulsen - und trug so dazu bei, dass in Leipzig keiner von der morriña befallen worden ist, die in Angeliños Heimat so legendär ist. Morriña, das heißt auch Sehnsucht. Doch die vielen Tore des nach London abgewanderten Timo Werner sind bei RB nahezu vergessen, sie wecken nur süße Erinnerungen, keine Nostalgie. Das liegt maßgeblich an Angeliño, dessen Name Engelchen heißt. Ein Etikettenschwindel, denn die linke Außenbahn beackert er wie ein Teufel. (jc)

Angelino (Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Begabte Japaner

Momente, in denen Angriffe von Arminia Bielefeld an jene aus der Vorsaison erinnern, sind selten. Die beste Offensive der zweiten Liga 19/20 ist bislang die zweitschwächste der ersten Liga 20/21. Wenn der Aufsteiger gefährlich wird, dann vor allem über einen begabten Japaner, den sie sich in Bielefeld vor ein paar Monaten noch nicht in einem Arminia-Trikot vorzustellen wagten: Ritsu Doan, ausgeliehen für ein Jahr von PSV Eindhoven. Das Spiel von Mit-Aufsteiger Stuttgart wird ebenfalls von einem begabten Japaner geprägt, dem defensiveren Wataru Endo. Doch Flügelangreifer Doan, 22, sticht in Bielefeld mit hohem Tempo und Technik noch mehr heraus. Die Arminia hat angeblich die Option, ihn fest zu verpflichten. Doan dürfte aber noch ein paar andere Optionen haben. (fse)

Ritsu Doan (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Anführer im Vintage-Look

Die Resterampe des Sommer-/Herbst-Transferfensters hielt für Hertha BSC eine Rarität parat: Mattéo Guendouzi. Der Franzose ist ein Vintage-Fußballer, ein Mittelfeldspieler, den man sich auch gut in den Mannschaften der 1970er-Jahre hätte vorstellen können. Seine ganze Ästhetik erinnert an die Fußballer von einst: der trabende Gang, die Logik seiner Pässe, die latent herunterhängenden Stutzen - und natürlich sein wallendes Haar. Der Kapitän der französischen U 21-Nationalelf ist zwar mehr ein "Achter" als ein "Sechser" oder gar "Zehner". Aber angesichts des Mangels an Kreativität bei der Hertha kommt Trainer Bruno Labbadia kaum umhin, Guendouzi die Bürde der Führung seiner Mannschaft anzuvertrauen. Obwohl der, Stand jetzt, im Sommer wieder weg ist. Der Leihvertrag mit dem FC Arsenal läuft aus. (jc)

Matteo Guendouzi (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Ein Langzeit-Versprechen

Denkt man sich mal die Haarfarbe weg, fühlt man sich an Bernd Schuster, den blonden Engel, heute 61, erinnert. Raumgreifende Schritte durchs Mittelfeld, Pässe aus dem Fußgelenk, Präzision beim Torschuss aus jeder Distanz. Aber wie damals bei Schuster auch die reduzierte Leidenschaft für die Härte, einen Gegenspieler defensiv mit Grätsche oder Pressschlag zu beackern. Trotzdem: Mönchengladbachs Florian Neuhaus, 23, ist ein Langzeit-Versprechen für die Bundesliga, aber auch schon für Bundestrainer Löw und die EM im Sommer. Das einzige Problem hat viele Namen: Kroos!, Goretzka!, Gündogan! Havertz! - die Planstelle im kreativen Mittelfeld ist überbesetzt. Räumliche Nähe ist da nur ein Hilfsargument. Schuster stammt aus Augsburg, Neuhaus aus Landsberg, dazwischen liegen gerade mal 40 Kilometer. (hoe)

Florian Neuhaus (rechts) (Foto: dpa)

Rasende Buben

Nichts widerspricht den Qualitäten von Silas Wamangituka, 21, so sehr wie das Tor, das ihn berühmt gemacht hat. Gegen Bremen lief der Angreifer des VfB Stuttgart aufs leere Tor zu - und blieb plötzlich stehen. Er wartete, bis die Gegner angehechelt kamen, dann schob er den Ball lässig ins Netz. Das sei keine Provokation gewesen, sagte Trainer Matarazzo später; Silas sei ein schüchterner Junge. Kurios jedenfalls, diesen Stehversuch von einem Sprinter zu sehen, der mit Gonzalez, 22, Kalajdzic, 23, Klimowicz, 20, und Coulibaly, 19, für eines der coolsten Offensivprojekte der Liga steht. Wie weit das noch geht mit diesen rasenden Buben? Am Samstag begegnet der viertschnellste Ligaspieler Wamangituka (35,42 km/h) erst mal dem fünftschnellsten, Leipzigs Verteidiger Upamecano (35,39). (nee)

Will seine wahre Geschichte erzählen: Stuttgarts Stürmer Silas Katompa Mvumpa. (Foto: Thomas Kienzle/Reuters)

Mehr als 23 Minuten

23 potenziell aufregende Minuten Dortmunder Fußballs waren erst mal nur eine Randnotiz. 23 Minuten, so lange stürmten die Angreifer Youssoufa Moukoko und Erling Haaland bislang gemeinsam für den BVB - in der Schlussphase eines exemplarisch-enttäuschenden 1:2 gegen Köln Ende November. Danach fehlte Haaland mit einem Muskelfaserriss. An seiner Stelle spielte Moukoko, 16, im Dezember erstmals von Beginn an, wurde zum jüngsten Torschützen der Ligageschichte, zeigte sein großes Talent. Beide mal wieder gemeinsam auf dem Platz? Klingt nach einer hoffnungsvollen Perspektive für die ohne Haaland auf Platz fünf abgerutschten Dortmunder. Dauert aber offenbar noch. Haaland ist wieder fit, Moukoko wohl nicht: Knieprobleme. (fse)

Erling Haaland und Youssoufa Moukoko. (Foto: Clemens Bilan/Pool/Getty Image)

Eindeutig zweideutig

Im Januar wird man wieder sehen können, wie auf dem Transfermarkt alles mit allem zusammenhängt. So könnten sie etwa bei Manchester City beschließen, dass sie im Sommer den Stürmer Harry Kane aus Tottenham verpflichten wollen; hierauf könnte Tottenham zu dem Schluss kommen, dass sie einen Nachfolger brauchen, am besten schon im Winter, um ihn auf die große Aufgabe gut vorzubereiten. Ein Kandidat ist der Niederländer Wout Weghorst, der sich im Interview mit dem Eindhovens Dagblad gerade eindeutig zweideutig geäußert hat. Vielleicht kann 1,97 m lange Stürmer aber auch ohne Transfer bald in der Champions League spielen. Sein aktueller Verein, der VfL Wolfsburg, steht auf dem aussichtsreichen vierten Tabellenplatz - dank neun Toren von Wout Weghorst. (nee)

Wout Weghorst (Foto: Benjamin Soelzer/Imago/Eibner)

Münchens schnellste Haken

Im letzten Heimspiel 2020 ist es wieder passiert. Klar, Lewandowski-Tore und Neuer-Paraden waren beim 2:1 gegen Wolfsburg wie immer wichtig für den FC Bayern, aber der schönste und nicht minder bedeutsame Moment des Abends war die Entstehung des ersten Tors: Schneller Haken, präzise Flanke, die siebte Torvorlage der Saison für Kingsley Coman. In den Monaten nach seinem Kopfballtor zum Champions-League-Sieg ist der Franzose zum wichtigsten Haken- und Flankenschläger der Münchner aufgestiegen, von Trainer Hansi Flick zur Benchmark ernannt. Coman, 24, hat gezeigt, dass er sich vom ballfertigen Flügelsprinter zum kompletten Flügelspieler entwickelt hat, der seinen Stärken und seiner Physis vertraut - und seine Offensivaktionen zu Ende bringt. (fse)

Kingsley Coman (Foto: Peter Schatz/Pool)

Ersatzspieler: Der Bullenjoker

2020 ein Jahr zum Vergessen? Nicht für Dominik Szoboszlai. Für den Ungarn lief es prima in Zeiten der Pandemie. Im ersten Lockdown war der damals 19-Jährige laut Selbstauskunft "ein Mann geworden" - nun wird der Mann ein Bundesliga-Profi. Die Pause im Frühling nutzte der Hochbegabte zum Nachdenken. Seine filigrane Beziehung zum Ball, seine famose Schusstechnik, seine Kessheit - all das war bei RB Salzburg längst zu sehen. Doch Szoboszlai hatte die vielen PS noch nicht konstant auf die Straße gekriegt. Nach dem Re-Start führte er Salzburg mit reiferer Haltung in die Champions League. Und weil sich Leipzig kein weiteres hauseigenes Bullenjuwel entgehen lassen wollte (Haaland!), ist Szoboszlai der bisher teuerste Winterzugang der Liga (20 Millionen Euro). Jetzt soll er in Sachsen zeigen, warum sie ihn daheim mit Ferenc Puskas vergleichen. (mok)

Dominik Szoboszlai (Foto: Motivio/Imago)
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