Bundesliga: Elf des Spieltags:Das Super-Chefchen

In Dortmund feiert Jürgen Klopp mit ernsten Worten, Dede mit Opa-Tränen und Kevin Großkreutz mit dem schönsten Vokuhila der Welt. Bastian Schweinsteiger ist nach dem Spiel sehr genervt und Manuel Neuer muss taub sein. Die Elf des Spieltags.

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In Dortmund feiert Jürgen Klopp mit ernsten Worten, Dede mit Opa-Tränen und Kevin Großkreutz mit dem schönsten Vokuhila der Welt. Bastian Schweinsteiger ist nach dem Spiel sehr genervt und Manuel Neuer muss taub sein. Die Elf des Spieltags. Text: Carsten Eberts Den härtesten Mann der Liga ausgerechnet bei den lethargischen Stuttgartern zu verorten, fällt einigermaßen schwer. Cacau hat es dennoch verdient: Seit Wochen müsste der Stürmer eigentlich an der Leiste operiert werden, spielt nur noch unter Schmerzmitteln, taumelt vor lauter Medikamenten ganz benebelt durch die Gegend. Und trotzdem: Vor einer Woche traf er doppelt gegen den HSV, am Samstag auch wieder beim 2:1 gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Den VfB Stuttgart hat er mit seinen Toren damit heldenhaft von den schlimmsten Abstiegsängsten befreit. Zum Dank könnten ihm die knauserigen Schwaben wenigstens eine anständige Reha spendieren.

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Selten, sollte am Ende der Saison tatsächlich der Frankfurter Abstieg stehen, ist ein Messias so schnell zurechtgestutzt worden wie Christoph Daum. Das Schlimme für den Fußballlehrer ist, dass es darüber nicht mal zwei Meinungen gibt. Vor fünf Spieltagen eilte Daum herbei, um die gar nicht allzu sehr in Abstiegsnot geratene Eintracht zu retten. Nun, fünf sieglose Wochen später, hat selbst Daum die Hoffnung auf eine vorzeitige Rettung aufgegeben. "Diese Niederlage tat verdammt weh. Das Erreichen des Relegationsplatzes ist jetzt unser großes Ziel", sagte er nach dem 0:3 gegen Mainz konsterniert: "Es bringt jetzt überhaupt nichts, öffentlich zu einem Rundumschlag anzusetzen. Kritik werden wir genügend von außen bekommen." Zumindest damit dürfte Daum zweifelsfrei recht behalten.

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Lange ist es her, dass die Treffer eines Kölners im Dortmunder Stadion zu ekstatischen Zuständen führten. Ebenfalls höchst selten ist, dass die gesamte Kölner Arena plötzlich "Deutscher Meister wird nur der BVB" brüllt. Für Kölns Stürmer Milivoje Novakovic war es ein entsprechend ereignisreicher Nachmittag: Er hat zwei Tore für seinen abstiegsbedrohten FC geschossen, damit den verhassten Rhein-Erzrivalen aus Leverkusen quasi im Alleingang besiegt und sich drittens, ganz nebenbei, etwas nordöstlich in Dortmund 74.000 neue Freunde verschafft. Wer da noch behauptet, Novakovic sei ein ausgemachter Stinkstiefel, der sogar die Entlassung seines Ex-Trainers Zvonimir Soldo auf dem Gewissen hat: Kann überhaupt nicht sein.

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Irgendwann zwischen all den Meister-Feierlichkeiten kam der Moment, in dem Dortmunds Meistertrainer Jürgen Klopp leise wurde. Das hatte es all die Monate zuvor nicht gegeben: Klopp hatte stets einen lustigen Spruch parat, parierte in fingierten Journalisten-Interviews oskarreif, blaffte stets ordentlich zurück, wenn ihm ein Kollege vorschnell zur Meisterschaft gratulieren wollte. Nun saß Deutschlands neues Super-Chefchen jedoch im Sportstudio - und wurde nachdenklich. "Ich hatte gedacht, dass es sich anders anfühlt", erzählte Klopp ganz ernst, ohne Witz und Schalk: "Es ist tausendmal mehr Erleichterung als Euphorie. Der Druck war wohl doch größer, als wir uns eingestanden haben." Ein wenig Zeit hat er nun, seine erste Meisterschaft zu begreifen: Seinen Spielern gab Klopp erst mal bis Mittwoch frei.

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Die vor Hochzeitsglück noch ganz besoffenen Briten werden ihn nicht verstehen. Da erlebt Kevin Großkreutz (rechts im Bild) gerade den größten Moment seines Lebens, wird mit seinem BVB Deutscher Meister - Abertausende Kameras werden auf ihn gerichtet, den echten Dortmunder Jungen, der wie kein Zweiter für den begeisternden Aufstieg dieser jungen Mannschaft steht. Und was macht Großkreutz? Er verunstaltet sich, verschandelt sein Äußeres, lässt sich noch auf dem Platz eine definitiv unterirdische Frisur verpassen: einen Vokuhila, vorne kurz und hinten lang, jene modische Sünde, die seit Zeiten von Nik Kershaw eigentlich ausgestorben sein sollte. Großkreutz' fragwürdiger Coup: Die Dortmunder Meisterschaft wird für immer mit seiner hässlichen Haarpracht in Verbindung stehen. Wie soll man das nur den royalen Briten erklären, die noch immer diskutieren, ob die Falten im Hochzeitskleid von Kate Middleton nun perfekt oder sehr perfekt saßen? Am besten gar nicht.

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Spätestens, als seine Enkel auf dem Platz herumtollten, wurde der Opa ganz sentimental. "Ich vermisse den Verein schon jetzt. Jede Stunde, jede Sekunde. Ich kann nachts nicht mehr schlafen", sagte Dede bis in die Haarspitzen gerührt noch während der Dortmunder Meisterfeier. Die kleinen Jungs, teilweise 15 Jahre jünger als Dede selbst, hatten ihn auf ihren Schultern getragen, liefen vor dem Spiel gar mit Dede-Trikots auf, um dem Senior im Team zu huldigen. Der treue Brasilianer, 33, wird den Verein am Saisonende verlassen, nach 13 Jahren und 321 Ligaspielen für den BVB und in seine brasilianische Heimat zurückkehren. Auch als Reservist hatte Dede nie gemurrt - zum Dank wechselte ihn Trainer Jürgen Klopp gegen Nürnberg in der 89. Minute ein. "Wenn ich an Dede denke, kommen mir die Tränen", sagte gar Kevin Großkreutz und setzte der Dortmunder Trutschigkeit damit die Krone auf. Dede immerhin versprach: "Deutschland ist meine zweite Heimat. Ich komme auf jeden Fall wieder."

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Wenn andere schon Meister werden, dann könnten wir wenigstens mal wieder ein anständiges Spiel abliefern, dachten sich wohl die Profis des FC Bayern. Allen voran Thomas Müller: Beim 4:1 gegen Schalke schaltete der Nationalspieler erst blitzschnell, als er Arjen Robbens verunglückten Freistoß zum 2:1 im Tor unterbrachte. In der zweiten Halbzeit tänzelte er dann die gesamte Schalker Defensive aus - und als alle Schalker hilflos auf dem Boden lagen, vollendete er auch noch an Torwart Manuel Neuer vorbei zum 4:1. Nach dem Spiel musste Müller selbst lachen, als er mit Blick auf den anvisierten Tabellenplatz drei verkündete: "Ich gehe davon aus, dass wir das jetzt durchziehen. Wir holen die Kuh vom Eis." Bei all den frierenden Kühen, die die Münchner in dieser Saison schon stehen ließen ...

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ob er das Attribut "Chefchen" in seinem Leben noch einmal los wird? Bastian Schweinsteiger war jedenfalls gar nicht begeistert, als er nach dem 4:1 seines FC Bayern gegen Schalke 04 schon wieder auf dieses Thema angesprochen wurde. Ein Boulevardjournalist hatte Schweinsteiger in einem Artikel als "Chefchen" tituliert, Schweinsteiger den armen Mann in einer Presserunde daraufhin als A******** und P***** beschimpft. Schweinsteiger wurde also gefragt, ob er nach dem Sieg gegen Schalke etwas von seinen rasanten Worten zurücknehmen wolle. Seine Antwort: "Nö." Ob er den ein ganz besonderes Chefchen sein wollte, als er den Kollegen Arjen Robben nach dem Schlusspfiff noch auf dem Spielfeld zusammenstauchte? Seine Antwort: "Nö." Dann kam auch noch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, der Schweinsteiger für eine gute Partie lobte und als "Super-Chefchen" bezeichnete. Hört das denn nie auf?

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Die Floskel war geschwind zurechtgelegt - doch wer sollte Manuel Neuer das glauben? Er habe gar nicht darauf geachtet, was auf der Tribüne passiert sei, sagte der Schalker Torwart nach dem 1:4 in München, wollte sich "nur auf sein eigenes Spiel konzentrieren". Das zumindest muss bei all dem Trubel höllisch schwer gewesen sein: Einige Bayern-Fans beschimpften Neuer und hielten Plakate hoch ("Juhu, wir bekommen 'nen Weltklasse-Torwart und 'nen Weltklasse-Heuchler"), andere vertraten die Pro-Neuer-Fraktion und pfiffen die Unruhestifter postwendend aus. Neuer war so dermaßen konzentriert, dass er bereits drei Treffer kassiert hatte, bevor er den Ball erstmals ernsthaft zu packen bekam. Das lag aber natürlich an seinen desolaten Vorderleuten und nicht an den Protesten der Münchner Fans: Die hatte Neuer schließlich überhaupt nicht registriert.

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Auch ohne diese kleine, spezielle Geschichte dürfte Christian Tiffert zu Lauterns Mann der Saison gekürt werden. Als unangefochtener Mittelfeldchef ("Chefchen" gibt es anderswo) führte er den Aufsteiger mit dem kleinsten Etat der Liga zum Klassenerhalt - zwei Spieltage vor Schluss durch ein 2:0 gegen St. Pauli. Doch dann auch noch diese kleine Geschichte: Im Hinspiel hatte Tiffert noch das Eigentor zum 0:1 verschuldet, entsprechend unglücklich stand er nach dem Spiel beim Interview, wo er - zack! - von einem Schneeball der Pauli-Fans ins Gesicht getroffen wurde. Am Freitag rächte er sich an den Pauli-Rabauken, köpfte persönlich das 1:0, legte Mathias Abel das 2:0 per Eckball formschön auf. Trainer Kurz adelte seinen wichtigsten Mann auf seine Weise: "Tiffi war in den entscheidenden Momenten mit Toren und seinen Vorbereitungen da. Wir haben ihn dahin gebracht, er hat aber auch viel dafür getan."

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Mit dem gewagten Tipp, dass Borussia Mönchengladbach in dieser Saison tatsächlich noch Chancen auf den Klassenerhalt hat, hätte man vor wenigen Wochen eine Menge Geld verdienen können. Es gibt einen guten Grund, weshalb die Quoten mittlerweile deutlich gesunken sind - der trägt den Namen Marco Reus. Beim Champions-League-Kandidaten Hannover 96 lieferte Reus eine bemerkenswerte Partie, vergab zunächst gute Chancen, jagte den Ball dann jedoch nach einem Solo von der Mittellinie brachial über 96-Keeper Ron-Robert Zieler hinweg ins Netz. "Jetzt ist alles offen und wir sind jetzt mittendrin", sagte Reus nach dem Spiel: "Ich hoffe, dass wir es als Team schaffen, da unten rauszukommen." Seine Mitspieler hoffen hingegen auf weitere lebenserhaltende Maßnahmen von Marco Reus.

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