Elf der Bundesliga-Saison:Mesut Ballack und die Musterschüler

In der SZ-Mannschaft der Saison stehen die Hauptdarsteller eines spannenden Bundesligajahres: Drei Meister aus München, zwei Dortmunder - und ein Trio mit Kaiserslautern-Vergangenheit.

Von SZ-Autoren

Kevin Trapp

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(Foto: dpa)

Man dachte, Kevin Trapp hätte den einfachen Weg gewählt. Ersatztorwart der Nationalmannschaft, Ersatztorwart in Paris, Topmodel-Freundin, ein Saarländer im Jetset-Leben. Doch dann kam er zurück nach Frankfurt, wählte Hessisch statt Französisch, Äppelwoi statt Rosé, Rebic statt Neymar, Europa League statt Champions League - und machte damit alles richtig. Nach Hannovers Markus Esser hielt Trapp die meisten Torschüsse der Saison, und während das bei Esser auch daran lag, dass seine Abwehr so viel zuließ, lag es bei Trapp daran, dass er die Bälle hielt. Mehrfach zeigte er, warum er Nationaltorwart ist und warum er zu einem Champions-League-Verein gehört. Die bemerkenswerte Saison der Eintracht, sie fing hinten beim Torwart an. (schm)

Niklas Süle

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(Foto: Ina Fassbender/picture alliance/dpa)

Dass er einen Zweikampf verliert, das passiert Niklas Süle regelmäßig auf dem Golfplatz. Dort dreht er dann mit Thomas Müller eine Runde, der Verlierer zahlt ein Essen. Meistens zahlt Süle. Auf dem Fußballplatz dagegen ist die Quote des Innenverteidigers des FC Bayern besser, dort gewinnt er zwei von drei Zweikämpfen. Ganz selbstverständlich ist Süle in dieser Saison Stammspieler geworden, zuletzt neben Mats Hummels. Mit seiner Statur eines Türstehers ist Süle der Gewinner in der Defensive unter Trainer Niko Kovac. Dass der FC Bayern die französischen Weltmeister Lucas Hernández und Benjamin Pavard verpflichtet hat, beides gelernte Innenverteidiger? Süle fürchtet nicht einmal einen Dreikampf oder Vierkampf. Verdrängt hat er ja bereits Jérôme Boateng, den Weltmeister von 2014. (bwa)

Willi Orban

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(Foto: AP)

Wie viel Kaiserslautern den Ungarn doch genommen hat! 1954, Sie wissen schon: Kohlmeyer, Liebrich, Eckel, Ottmar Walter und natürlich dessen Bruder Fritz - all die Roten Teufel also, die in Bern das ungarische Wunderteam schlugen: 3:2, das Spiel ist aus. Doch "der Betze" nimmt nicht nur. Er gibt auch. In dieser Saison entschied sich ein gebürtiger Kaiserslauterer (und neben Trapp und Demirbay der dritte Ex-FCK-Spieler dieser Elf) namens Vilmos Tamas Orban, genannt Willi, die ungarische Staatsbürgerschaft anzunehmen - und spielt nun für das Land seines Vaters. Den Ungarn kann's nur recht sein: Orban, 26, ist nicht nur Kapitän in Leipzig, sondern auch Chef einer Abwehr, die 29 Gegentore zuließ - weniger als jedes andere Team der Liga. (jc)

Jerome Roussillon

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(Foto: imago images / Kirchner-Media)

Die Franzosen schauen in letzter Zeit immer häufiger nach Deutschland, denn 19 Profis aus dem Weltmeisterland spielen in der Bundesliga. Seit vergangenem Sommer wandern die Blicke auch verstärkt nach Wolfsburg. Dort werkelt seitdem Jérôme Roussillon, der auf der linken Abwehrseite des VfL allwöchentliche Usain-Bolt-Gedächtnis-Schichten schiebt. Dass Rousillon schnell ist, das war in seinen 28 Bundesliga-Einsätzen (drei Tore, sechs Vorlagen) bereits mit bloßem Auge erkennbar. Atemberaubend aber ist der Vergleich mit dem Sprinter aus Jamaika. Dem kicker zufolge legt Rousillon 30 Meter in 3,7 Sekunden zurück. Das ist exakt der Wert, den Bolt 2009 in Berlin aufwies - bei seinem Weltrekord-Rennen über 100 Meter.

Joshua Kimmich

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Den Vergleichen mit Philipp Lahm wird Joshua Kimmich wohl nie entkommen: zwei Rechtsverteidiger, die sich dem Zentrum des Spielfeldes verbunden fühlen. Zwei pfiffige Burschen, die nur selten sparsam mit ihrer Pfiffigkeit umgehen. Am Samstag hat Kimmich den nächsten Vergleich erreicht: In dieser Saison hat er in der Liga alle 3060 Minuten gespielt, als erster FC-Bayern-Profi seit Lahm in der Saison 2010/11. Es ist allerdings nur ein Zwischenschritt: Lahm verpasste zwischen April 2009 und August 2011 keine Minute Bundesliga, 79 Partien in Serie hatte er durchgespielt. Beeindruckend. Kimmich, der Ende April 2018 zuletzt zur Halbzeit ausgewechselt wurde, sieht es aber vermutlich so: Es fehlen ihm jetzt ja nur noch 43 Spiele, dann hat er auch diese Marke erreicht. (bwa)

Axel Witsel

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(Foto: AFP)

Peter Bosz wird in der Geschichte von Borussia Dortmund immer jener Trainer sein, der ohne defensive Absicherung spielen ließ. Aber wer weiß? Vielleicht hätte der BVB 2017 im folgenschweren Derby gegen Schalke nach 4:0 trotzdem nicht 4:4 gespielt, hätte in der Mitte schon Axel Witsel gestanden, 1,88 Meter groß, 30 Jahre alt. Er verlieh dem BVB in der Hinrunde jene Stabilität, die für den Zauberfußball grundlegend war. In der Rückrunde suchte er dann seine Form, Dortmund verspielte den Vorsprung an der Spitze. Dass der BVB das Verteidigen trotzdem nicht aufgab, lag daran, dass diesmal im Kader noch ein paar Spieler mit Stabilität beauftragt waren. Und, auch das: Trainer Lucien Favre ist nicht unbedingt für Bosz-artigen Wagemut berühmt. (fse)

Kai Havertz

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(Foto: AFP)

Bei vielen Fußballern hätte man das einen Glückstreffer genannt. Doch weil es Kai Havertz war, der den Ball vor ein paar Wochen in Augsburg mit der Pike in hohem Bogen in die Ecke schlenzte, ging jeder von Absicht aus. Es war eines der schönsten Tore in dieser Saison, eines von 17 für den 19 Jahre alten Leverkusener. Ihm traut man ja auch zu, 100 Millionen Euro wert zu sein. Er bewegt sich mit Ruhe und technischer Perfektion rund um den Strafraum, so dass er an Mesut Özil erinnert, von dem er sich viel abgeschaut habe, wie er sagt. Er trifft aber auch mal im entscheidenden Moment per Kopfball, so dass Rudi Völler ihn mit Michael Ballack vergleicht. Und mit Ballack und Özil gleichzeitig wurde wohl noch kein Fußballer verglichen. (fse)

Kerem Demirbay

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(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Kerem Demirbay, 25, lieferte pro Spiel die meisten direkten Pässe zu Torchancen, 3,1 im Schnitt. Er ist demnach der fleißigste Dienstleister der Liga. Wenn man seinen Werdegang betrachtet, ist das ein wenig überraschend. Beim HSV wurde er (wie so viele) verkannt, er musste den Umweg über einige Lehrjahre nehmen, ehe er bei der TSG Hoffenheim landete. Gelernt hat er seither einiges, zum Beispiel: Verbale Gemeinheiten über Frauen im Fußball gehören sich nicht, wie damals, als er die Schiedsrichterin Steinhaus anpöbelte; da spielte er für Düsseldorf. Demirbay weiß inzwischen aber auch: Er ist zwar noch kein Stamm-Dienstleister in der Nationalelf (zwei Einsätze 2017), aber ein richtig guter Bundesligaspieler. So gut, dass er für rund 30 Millionen Euro nun nach Leverkusen geht. (jbe)

Jadon Sancho

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

So viele Statistiken werden in einer Saison erhoben, doch eine wichtige fehlt. Hätte jemand mitgezählt, dann hätte Jadon Sancho mit großer Wahrscheinlichkeit den meisten Gegnern den Ball durch die Beine geschossen. Wichtig ist das deshalb, weil sogenannte "Beinis" auf den Straßen von Kennington in Londons Süden, wo Sancho das Fußballspielen lernte, manchmal mehr zählten als Tore - und weil Sancho, 19, stolz sagt, dass er immer ein Straßenfußballer bleiben wird. Belegt ist ein besonders schöner Tunnel für Schalkes Bastian Oczipka, aber kaum ein Verteidiger fiel Sanchos Finten nicht zum Opfer. Seine Dribblings und Sprints waren Attraktionen. Und er führt natürlich auch in einer echten Statistik: 17 Tore hat er vorbereitet, die meisten der Liga. (fse)

Luka Jovic

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Jovic-Szene der Saison fand wie so viele Frankfurter Szenen der Saison in der Europa League statt. Es war das Rückspiel gegen Chelsea, der Ball kam am Strafraum zum Serben, da riss Ante Rebic die Arme nach oben. Er jubelte, da hatte Luka Jovic noch gar nicht geschossen, aber Rebic wusste: Dieser Stürmer wird treffen. Und dieser Stürmer traf. Er machte 17 Treffer in der Liga und zehn in der Europa League. Im Alter von 21 Jahren kommt Jovic in einem Team, das sehr gut, aber nicht Weltklasse war, trotz Konkurrenz durch Sébastien Haller auf diese Zahlen - das macht ihn zum Stürmer der Saison. Und wer vor der Saison bloß Eintracht-Fans und Experten bekannt war und nun vor einem Wechsel zu Real Madrid steht, der hat nicht viel falsch gemacht. (schm)

Serge Gnabry

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(Foto: AFP)

Dreißig Jahre lang hatten es sich Erwin Kostedde und Jürgen Wegmann bequem gemacht in ihrem exklusiven Club, in dem sie die einzigen Mitglieder waren. Von 1974 bis 1977 hatte Kostedde in drei Spielzeiten in Serie mindestens zehnmal getroffen, stets für einen anderen Verein (Offenbach, Hertha, Dortmund). Wegmann machte ihm dies von 1985 bis 1988 nach (Dortmund, Schalke, Bayern). Dann folgten ihnen lange keiner nach. Bis Serge Gnabry zum FC Bayern kam. 2016/17 hatte er elf Tore für Bremen erzielt, in der vergangenen Spielzeit zehn für Hoffenheim. Im Münchner Trikot traf der Flügelstürmer nun erneut zehn Mal, überwiegend auf der Position von Arjen Robben. Ein vierter Verein kommt vorerst nicht hinzu; bei den Bayern ist Gnabry aus der Startelf derzeit nicht wegzudenken. (bwa)

Claudio Pizarro

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Zwölf Tore als Joker hat Paco Alcácer erzielt, das macht ihm so schnell keiner nach. Das Betrübliche für den Dortmunder Angreifer ist, dass keines dieser zwölf Jokertore das entscheidende zur Meisterschaft war. Das hat Claudio Pizarro erzielt, im Alter von gerade mal vierzigeinhalb Jahren. Fünfmal hat der Angreifer in dieser Saison getroffen, fünfmal als Einwechselspieler, was natürlich auch daran lag, dass er nur dreimal in der Startelf stand. Und unter diesen Jokertoren war auch das durchaus historische am drittletzten Spieltag: Dortmund führt 2:0 in Bremen, nach einer Stunde kommt Pizarro. Zehn Minuten später steht es 1:2, das 2:2 übernimmt Pizarro dann selbst. Es war das Tor zur Vorentscheidung im Titelkampf, gegen den BVB. (bwa)

© SZ vom 22.5.19 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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