Sieg gegen Mainz:Frankfurt strotzt vor Leidenschaft

Sieg gegen Mainz: Viel Energie im Frankfurter Spiel: Timothy Chandler (li.) und Rafael Borré nehmen es mit Alexander Hack, 1. FSV Mainz 05 auf.

Viel Energie im Frankfurter Spiel: Timothy Chandler (li.) und Rafael Borré nehmen es mit Alexander Hack, 1. FSV Mainz 05 auf.

(Foto: Heiko Becker/HMB-Media/Imago)

Nach schwerem Saisonstart zeigt sich die Handschrift von Oliver Glasner: Die Mannschaft entwickelt neue Ideen - und hat gemerkt, dass das Trainerteam "doch nicht so viel Blödsinn" erzählt.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Es ist schon ein neues Ritual bei Oliver Glasner, dass der Trainer von Eintracht Frankfurt sich in der Schlussphase eines umkämpften Bundesligaspiels seiner Jacke entledigt. Wie schon beim Auswärtssieg bei Borussia Mönchengladbach (3:2) stand der Fußballlehrer auch während des Heimspiels gegen den FSV Mainz 05 (1:0) gegen Schluss lediglich noch im Pullover an der Seitenlinie. Glasner erzählte später, die Wärme sei von "außen und innen" gekommen: "Es war dann gar nicht so kalt, wie ich gedacht habe."

Vielleicht sind die Hitzewallungen auch gar nicht zu vermeiden, wenn auch seine Mannschaft bis zum Abpfiff auf voller Betriebstemperatur läuft. Das verdient gewonnene Rhein-Main-Duell bedeutete den dritten Bundesligasieg binnen einer Woche für die nimmermüden Hessen, die zuvor den Einzug ins Europa-League-Achtelfinale klar gemacht hatten. Glasner sprach von einem "fantastischen Abschluss, wir haben am Ende wahnsinnig viele Punkte geholt". Sein vor Leidenschaft strotzendes Team trumpft nicht nur wie ein Europapokalanwärter auf, es überwintert auch auf einem internationalen Startplatz.

Sieg gegen Mainz: Ab in die Maschen: Frankfurts Jesper Lindström (rechts), der Mann des Tages im Nachbarschaftsduell.

Ab in die Maschen: Frankfurts Jesper Lindström (rechts), der Mann des Tages im Nachbarschaftsduell.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Danach sah es vor einigen Wochen nicht einmal ansatzweise aus. Doch so wie der österreichische Coach schon beim VfL Wolfsburg trotz seines Nicht-Verhältnisses zum Geschäftsführer Jörg Schmadtke in die Champions League einzog, überwand er erneut viele Widrigkeiten. "Die gesamte sportliche Führung inklusive Führungsspieler weg, das Theater in der Vorbereitung: Es war viel, viel Unruhe", sagt der 47-Jährige im Rückblick, doch dann hätten die Spieler irgendwann gemerkt, dass das Trainerteam "doch nicht so viel Blödsinn" erzählt.

Ab durch die Mitte, das ist auch ein Weg

Als sich die ersten zarten Erfolge in der Europa League einstellten, der erste Bundesligasieg Anfang Oktober ausgerechnet beim FC Bayern weitere Blockaden löste, hätten alle allmählich zusammengefunden. Doch den einen Schlüsselmoment einer ersten Halbserie voller Kontraste will Glasner gar nicht benennen: "Das Wichtigste war, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen."

Er selbst hat Stilelemente wie die Körperlichkeit und Robustheit unter seinem Vorgänger Adi Hütter beibehalten, und doch ist sein Ensemble längst nicht mehr so ausrechenbar. Das einzige Tor von Jesper Lindström (35.) diente als bester Beleg für die Weiterentwicklung unter einem Chefcoach, der die Frankfurter Abhängigkeit von Dauerflankengeber Filip Kostic aufgebrochen hat. Stattdessen kommen Treffer auch mal nach Umschaltaktionen durchs Zentrum zustande. Beim 1:0 stoppte Abwehrorganisator Makoto Hasebe einen Mainzer Angriff, Sebastian Rode passte in die Schnittstelle, und der allein aufs Tor zustrebende Rafael Borré legte für den mitgelaufenen Lindström vor, der locker mit links den Ball über die Linie stupste. "Perfekt gespielt", schwärmte Glasner, der die "physische und mentale Bereitschaft" herausstellte. Er könne jetzt "voller Stolz" erst ein paar Tage in die Sonne fliegen und dann mit der Familie in Ruhe Weihnachten feiern, "weil wir unsere Leistung auf einem anschaulichen Niveau stabilisiert haben".

Bo Svensson sieht die eigenen Fehler

So wie der Trainer den Blick auf die Tabelle "gar nicht glauben" wollte, ging es auch vielen Anhängern, als das Tableau über den Videowürfel flimmerte. Vor den 15 000 Zuschauern taten sich die Mainzer schwer, auf dem tiefen Rasen in Abschlusssituationen zu kommen. Für die beste Möglichkeit dauerte es bis zur 90. Minute, als Frankfurts Keeper Kevin Trapp gegen den aufgerückten Linksverteidiger Aaron Martin rettete. Zuvor hätte die Eintracht bei einem spektakulären Heber von Ajdin Hrustić an die Latte (61.) oder durch den frei stehenden Borré (67.) bereits für die Vorentscheidung sorgen können.

Auf Mainzer Seite herrschte nach Spielschluss viel Frust. "Es hat in allen Bereichen nicht gelangt, um hier etwas mitzunehmen", gab der weitgehend abgemeldete U21-Nationalmannschaftskapitän Jonathan Burkardt zu. Noch deutlich kritischer äußerte sich Trainer Bo Svensson, der nicht nur seiner Mannschaft eine "schlechte Leistung" attestierte, sondern auch sich selbst. "Die Eintracht war klar besser. Das ist dann auch meine Verantwortung: Ich habe in der Vorbereitung Fehler gemacht."

Für den Dänen lag es auf der Hand, dass die vielen Lobeshymnen nach dem Heimsieg gegen Hertha BSC (4:0) wenig hilfreich waren. "Ich habe das Gefühl, dass wir uns ein Stück weit zurückgelehnt haben. Uns wurde viel auf die Schulter geklopft - und darauf haben wir uns ausgeruht", schimpfte Svensson, der sich nur damit tröstete: "Dieses Spiel bietet für Spieler und Trainer einige Gelegenheiten, wo man ansetzen kann." Dann aber erst wieder im neuen Jahr.

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