Bremens Trainer Ole Werner, 36, ist des Populismus gänzlich unverdächtig. Die branchentypischen Scharfmachersätze waren von ihm am Wochenende also gar nicht erst zu erwarten gewesen. Einige „50:50-Situationen“, erklärte Werner in seinem typischen Understatement, seien zuletzt zwar blöderweise gegen seinen SV Werder ausgefallen. Von einer offiziellen „Aufforderung“ ans deutsche Schiedsrichterwesen wolle er dennoch absehen – auch wenn er sich natürlich wünsche, „dass es dann bald mal wieder anders ist“.
Werner war stark erkältet, vielleicht lässt sich so erklären, dass er sich arg verrechnet hatte. Denn es hatte zwar interpretationswürdige Situationen gegeben, etwa, als Werders Winterzugang Issa Kaboré in der 84. Minute im Dortmunder Strafraum von Maximilian Baier von den Beinen geholt wurde und Schiedsrichter Christian Dingert trotzdem nicht auf Elfmeter entschied. Doch die Szene, über die nach dem 2:2 beim BVB am heftigsten diskutiert wurde, hatte mit 50:50 wenig zu tun. Sie fiel eher in die Kategorie glasklare Angelegenheit und wäre dem Regelwerk nach mit einer prozentualen Verteilung von 100:0 auszulegen gewesen – pro Werder.
Nach einem Schuss des BVB-Stürmers Serhou Guirassy berührte Teamkollege Ramy Bensebaini in der 51. Minute den Ball zwar nicht, wie TV-Standbilder belegten. Er stand allerdings mit einem halben Fuß im Abseits – und noch dazu im Sichtfeld des Bremer Torwarts Michael Zetterer und des Verteidigers Marco Friedl, dem daraufhin ein Eigentor zum zwischenzeitlichen 0:2 unterlief. Sogar der nicht immer zu umfassender Selbstkritik neigende DFB-Schiedsrichtersprecher Alexander Feuerherdt sprach hinterher beim TV-Sender Sky von einer „strafbaren Abseitsstellung“ – „das Tor hätte nicht zählen dürfen“. Schiedsrichter Dingert und die Kölner Videoassistenz hatten das zunächst anders gesehen. Aus deren Sicht war Bensebainis (indirekter) Einfluss auf die Spielszene zu gering gewesen, um den Dortmunder Treffer abzuerkennen.
Gut für Werder und Coach Werner: Wer ein 0:2 in ein 2:2 verwandelt, kann so was etwas leichter runterschlucken. Schlecht allerdings: Zwei mögliche Zusatzpunkte waren trotzdem futsch. Und das dürfte in Bremen allein deshalb Magengrummeln verursachen, weil sie dort wissen, wie eng es in der Bundesligatabelle zugehen kann. In der Vorsaison fehlten keine zwei Zähler für eine Qualifikation zum Europapokal – es war noch viel knapper. Gefehlt hatten am Ende lediglich zwei Treffer beim Torverhältnis.