Bundesliga:Dortmund wankt - und spielt sich frei

FC Augsburg v Borussia Dortmund - Bundesliga

Henrikh Mkhitaryan (mi.): Torschütze zum 1:1

(Foto: Alexandra Beier/Getty Images)

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Unter der Woche war, wenn es um Borussia Dortmund ging, viel von Klebstoff die Rede. Derart begeistert war Dortmunds Trainer Thomas Tuchel vom Lauf seiner Elf, dass er seinen Profis attestierte, das liege an dem "Klebstoff", der eine Gruppe Fußballer zu einer Mannschaft mache. Und den würden seine Spieler Woche für Woche selbst einbringen. Diesen Sonntag aber traf die Borussia beim FC Augsburg auf eine Mannschaft, die sich anschickte, diesen Klebstoff ein bisschen zu lockern. Zumindest für 69 Minuten. Dann schlugen die Dortmunder Chemiker wieder zu.

Am Ende bestimmte ratloses Kopfschütteln die Gestik auf beiden Seiten. Bei den Augsburgern, weil sie wieder einmal eine Führung hergegeben und leer ausgegangen waren - "ich hätte mir gewünscht, dass wir 90 Minuten so agieren wie die ersten 40, dann wäre etwas möglich gewesen", sagte Trainer Markus Weinzierl. Und bei den Dortmundern, weil sie lange Zeit entzaubert wirkten - und am Ende doch noch 3:1 (1:1) gewannen. Beide Trainer waren zu je einer markanten Umstellung gezwungen. Während bei Augsburg Alexander Manninger den erkrankten Marwin Hitz im Tor vertrat, fehlte dem Angriff der Borussia ihr treffsicherster Spieler: Pierre-Emerick Aubameyang. Der Gabuner hatte noch am Donnerstag, in der Europa League gegen Tottenham, beide Tore zum 2:1-Sieg geschossen - und sie seinem in dieser Woche verstorbenen Großvater gewidmet.

Am Sonntag war der 26-Jährige noch immer bei seiner trauernden Familie. Auch ohne ihn bot Dortmund, das stattdessen Adrian Ramos brachte, eine exquisite Offensive - der Augsburg aber etwas entgegenzusetzen wusste. Um den Offensivwirbel des Tabellenzweiten zu stören, griff Trainer Weinzierl zu einem taktischen Kniff: Er schickte eine Dreierkette aus drei gelernten Innenverteidigern aufs Feld, die von zwei Außenverteidigern flankiert wurden. Je nach Spielsituation sollten sie die Defensive verstärken oder das Angriffsspiel ankurbeln.

Wer aber dachte, die Augsburger wären gegen die Borussia nur bessere Klempner, mit dem Augenmerk allein auf dem Abdichten, sah sich schnell getäuscht. Den ersten blitzsauberen Angriff spielte Augsburg - und lag nach nur 16 Minuten in Führung. Ein Diagonalpass von Hong landete bei Max, der zu Caiuby weiterleitete. Dessen Querpass konnte der mitgelaufene Finnbogason problemlos über die Torlinie drücken. Es war der dritte Treffer des Winterzugangs im erst siebten Spiel für den FCA, die BVB-Abwehr und der in dieser Situation schlecht postierte Mats Hummels sahen dabei nicht gut aus. Nach gut einer halben Stunde gestikulierte Tuchel denn auch wild in Richtung seines Nationalverteidigers und setzte beide Zeigefinger immer wieder energisch an die Schläfen.

"Man hat uns angemerkt, dass wir Belastungen hinter uns haben", sagte Tuchel später. "Man hat die Müdigkeit gespürt. Es ist uns einiges schwer gefallen." Der Ausgleich vor der Pause sei wichtig gewesen, "danach haben wir uns ein bisschen frei gespielt". Gedanklich wussten die BVB-Profis mit den abstiegsgefährdeten Augsburgern und ihrem Harmonikaprinzip lange nicht recht umzugehen. Die Versuche, den Ball zu Ramos, Kagawa oder Reus nach vorne zu bringen, scheiterten lange im Abwehrbollwerk des FCA. Ein unplatzierter Schuss von Hummels war der erste, noch ungefährliche Versuch, zu treffen (36.). Dortmund hatte zu diesem Zeitpunkt 78 Prozent Ballbesitz - wusste daraus aber kein Kapital zu schlagen. Als Reus dann nach einem Zuspiel von Mkhitaryan frei zum Abschluss kam, setzte der Nationalstürmer den Ball knapp neben das Tor (42.). Sekunden vor dem Pausenpfiff machte es Mkhitaryan selbst aus fast gleicher Position besser und sorgte mit einem abgefälschten Stupser für den Ausgleich (45.).

Zur Pause musste Reus in der Kabine bleiben, statt seiner sollte Castro Ideen ins Spiel bringen. Während Augsburgs kraftraubendes Spiel die eigene Defensive allmählich zum Bröckeln brachte, hatte Dortmund in der Kabine offenbar Klebstoff nachgelegt: Erst traf der eingewechselte und wunderbar frei gespielte Castro zum 2:1 (69.), dann sorgte Ramos mit dem 3:1 aus kurzer Distanz für klare Verhältnisse (75.).

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