Bundesliga: Dortmund - Schalke:Schöne Frau mit Makel

Beim torlosen Unentschieden im Revierderby scheitert Borussia Dortmund vor allem an einem herausragenden Manuel Neuer. Schalke 04 dagegen ist erleichtert und frustriert zugleich.

Jürgen Schmieder, Dortmund

Es hätte ein ungemütliches Wochenende werden können für Felix Magath. Ach was, es wäre das schlimmste Wochenende von Magaths Karriere geworden: Er wäre als Trainer von Schalke 04 entlassen worden, er wäre aus Gelsenkirchen verbannt worden, wahrscheinlich hätten ein paar Fans versucht, ihn kopfüber unters Dach der Schalker Arena zu hängen.

Borussia Dortmund v FC Schalke 04 - Bundesliga

Schalke 04-Trainer Felix Magath konnte sich trotz des 0:0 im Revierderby freuen. Seine Mannschaft war klar unterlegen, aber ein überragender Manuel Neuer und von den Dortmundern vergebene Großchancen im Minutentakt hielten Schalke im Spiel.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das alles wäre möglich gewesen, hätte Lucas Barrios den Ball ins Tor geschossen. Hätte Kevin Großkreutz den Ball ins Tor geschossen. Hatte Mario Götze den Ball ins Tor geschossen. Hätte Robert Lewandowski den Ball ins Tor geschossen. Hätte Nuri Sahin den Ball ins Tor geschossen. Dann wäre das Ergebnis zwischen Dortmund und Schalke 5:0 gewesen - wobei die Dortmunder immer noch mehr als die Hälfte ihrer Großchancen hätten vergeben dürfen, um dieses Resultat zu erreichen.

Weil die Dortmunder Spieler jedoch entweder am herausragenden Manuel Neuer, am herausragenden rechten Pfosten oder an sich selbst scheiterten, endete dieses 87. Revierderby torlos. Felix Magath musste nicht flüchten, er musste nicht um seinen Job fürchten oder eine Nacht unter dem Arenadach hängen - er durfte ruhig dasitzen, den Tee umrühren und sich über die groteske Leistung seiner Mannschaft in den 90 Minuten zuvor wundern.

"Ich will nicht von Glück sprechen", sagte Magath. "Schließlich gehört der Torhüter auch zum Spiel. Manuel Neuer war überragend. Er hat uns im Spiel gehalten. Am Anfang waren wir zu nervös und haben zuviele Chancen zugelassen."

Magaths Spieler hatten es geschafft, Neuer zu einer Leistung zu zwingen, die man nur ganz selten bewundern darf. Neuer agierte nicht nur fehlerfrei, er hielt überragend und war mit seinen Abwürfen auch noch der produktivste Offensivspieler von Schalke 04. "Es war kein guter Abend. Es wäre ein schöner Abend gewesen, wenn wir uns so viele Chancen erspielt hätten, wie es der Gegner gemacht hat", sagte Neuer nach dem Spiel. "So ist dieser Punktgewinn natürlich glücklich, Dortmund hätte den Sieg klar verdient gehabt."

Die Schalker Spieler wussten nach dieser Partie nicht, ob sie erleichtert sein sollten, sich tatsächlich ein Unentschieden erduselt zu haben. Oder ob sie vielmehr Frust schieben sollten, weil sie dem ungeliebten Rivalen hoffnungslos unterlegen waren. Denn es war nun wirklich nicht so, als hätten sich die Schalker dieses Remis durch geschickte Abwehrarbeit und strategisches Verteidigen verdient.

Für die Innenverteidiger Christoph Metzelder und Benedikt Höwedes ging vieles allzu schnell an diesem Abend, für Außenverteidiger Lukas Schmitz ging alles viel zu schnell. Einzig Raúl sorgte in der zweiten Halbzeit für ein paar gelungene Aktionen - von denen eine tatsächlich fast zum Siegtreffer durch Marin Jurado geführt hätte. Doch Roman Weidenfeller parierte den einzigen Ball, den er im ganzen Spiel halten musste.

Fragwürdige Umbauten

Felix Magath muss sich nun fragen lassen, ob die Umbauten während der Winterpause tatsächlich so geschickt waren, wie er es darzulegen versucht. Anthony Annan spielte bis zu seiner Auswechslung unterirdisch, Ali Karimi saß 90 Minuten lang auf der Bank und wie Angelos Charisteas dem FC Schalke weiterhelfen soll, das weiß wahrscheinlich nicht einmal Charisteas. Weil Spieler wie Rakitic oder Jendrissek fortgeschickt wurden, musste Magath Kyriakos Papadopoulos und Junmin Hao einwechseln, die ungefähr so viel Einfluss auf das Spiel hatten wie zwei Grashalme an der Eckfahne.

Magath steckt nun in einer Zwickmühle. Der Verein hat offensichtlich kein Geld, wie der Trainer immer wieder gerne betont - weshalb das Erreichen eines internationalen Wettbewerbs fast obligatorisch ist, um für die kommende Saison namhaftere Zugänge präsentieren zu können als Annan, Karimi und Charisteas. Doch genau die sollen nun dafür sorgen, dass diese groteske Schalker Saison noch ein zufriedenstellendes Ende nimmt.

Die Dortmunder Akteure dagegen wussten nach dieser Partie nicht, ob sie wütend sein sollten ob der vielen vergebenen Torchancen. Oder ob sie sich vielmehr selbstbewusst geben sollten nach einer wahrlich schön anzusehenden Leistung. "Das war keine Niederlage, auch keine gefühlte. Wir haben unsere Chancen nicht genutzt. Damit müssen wir leben, das können wir auch", sagte Trainer Jürgen Klopp. Diese Dortmunder Elf wirkt derzeit wie eine Frau, deren Einzelattribute nicht perfekt sein mögen, die jedoch in ihrer Gesamtheit wunderschön ist, nach der sich jeder auf der Straße umdreht und sie bewundert.

"Wir spielen den schönsten Fußball der Liga, man muss unseren Offensivspielern Komplimente machen, wie sie sich immer wieder Chancen herausspielen", sagte etwa Mats Hummels - und ergänzte: "Es wäre natürlich schön gewesen, wenn wir auch ein Tor geschossen hätten." Nun ja, einen kleinen Makel muss eben auch die schönste Frau haben.

Vielleicht war aber auch alles nur eine klug eingefädelte Verschwörung der Dortmunder. Schließlich wurde die Borussia noch nie Deutscher Meister, wenn der Rivale aus Schalke zwei Mal in einer Spielzeit besiegt wurde - weshalb dieses Unentschieden dem Aberglauben förderlich sein könnte. Zum anderen wäre eine Demütigung und eine damit verbundene Entlassung Magaths auch nicht im Dortmunder Sinne. Denn so lange Magath seine Mannschaft so spielen lässt wie an diesem Freitagabend, so lange herrscht in Dortmund keinerlei Furcht, jemals wieder ein Derby zu verlieren.

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