Bundesliga:Die vielen ungelösten Fragen des FC Bayern

Trainingslager FC Bayern München

Entspannter Blick nach vorne: Arturo Vidal während des Trainingslagers des FC Bayern in Doha.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Von Benedikt Warmbrunn

Die vielleicht angenehmste Nebenerscheinung des Berufs Fußballprofi ist es für Arturo Vidal, dass ab und zu ein Gespräch mit dem Trainer ansteht. Vidal mag einen unsteten Lebenswandel pflegen, dennoch ist er keiner, der Probleme mit Autoritäten hat. Er sucht diese sogar, erhofft sich von ihnen Struktur. Gefunden hat er so eine Figur zum Beispiel in Jupp Heynckes. Oder in Antonio Conte.

Zwei für ihn wichtige Gespräche soll Vidal in den vergangenen Monaten geführt haben, das erste mit Heynckes, das zweite mit Conte. Das erste gehört inzwischen zu den berühmtesten Unterhaltungen dieser Bundesliga-Saison. Kurz nachdem Heynckes im Herbst als Trainer zum FC Bayern zurückgekehrt war, bat er Vidal zu sich, den er schon in Leverkusen trainiert hatte; Heynckes nennt Vidal: mein Arturo. Auch im Ruhestand hatte Heynckes die Geschichten über Vidal gehört: dass er betrunken einen Autounfall gebaut hatte, solche Dinge. In München sagte er ihm auf seine einfühlsame Art, dass er, Heynckes, zwei Möglichkeiten sehe: Entweder Vidal ändert seinen Lebensstil. Oder er bekommt keine Chance mehr. Vidal entschied sich dafür, seinen Lebensstil zu ändern. Das bekam dann auch Antonio Conte mit.

Conte trainierte Vidal einst bei Juventus Turin, zurzeit arbeitet er für den FC Chelsea. Über Vidal sagt Conte, dass er mit ihm "in den Krieg ziehen" würde. Vor der Partie Anfang Januar gegen den FC Arsenal bezeichnete Conte den Chilenen dann als "einen der Besten der Welt auf seiner Position". Es war genau das, wonach es klang: Conte warb um Vidal; mehrere Medien berichteten zudem, dass der Trainer das zweite für Vidal so wichtige Gespräch mit ihm geführt habe, am Telefon. Weitere Unterhaltungen unterband Heynckes, als er sagte, dass "selbstverständlich" kein Spieler mehr "im Januar" abgegeben werde.

Das Ganze könnte nun als kleine Personalie aus der Winterpause abgetan werden, zumal es laut Heynckes zwischen Chelsea und dem FC Bayern überhaupt keinen Kontakt gegeben hat. Doch die Personalie Vidal steht für mehr, auch über die Winterpause hinaus.

Bei ungewöhnlich vielen Spielern des FC Bayern ist vor dem Rückrundenauftakt an diesem Freitag (20.30 Uhr) bei Bayer Leverkusen die Zukunft offen. Bei vier Spielern läuft der Vertrag aus: Sven Ulreich, Rafinha, Arjen Robben und Franck Ribéry. Mit Ulreich würde der Klub gerne verlängern, der Torwart zögert noch. Ob Rafinha bleiben darf, hängt auch davon ab, ob der Klub einen anderen Außenverteidiger findet. Robben bleibt vornehm zurückhaltend; er habe noch "keinen Kaffee" mit Sportdirektor Hasan Salihamidzic getrunken, sagte er im Trainingslager in Doha. Ribéry wirbt täglich für ein weiteres Jahr in München, mal mit drei Toren wie am Dienstag im Test gegen Großaspach, oft auch mit Aussagen, die seine Ungeduld kaum verbergen; am Dienstag sagte er, dass es "immer viele Optionen" gebe.

Goretzka wird wohl ablösefrei zum FC Bayern wechseln

Robben oder Ribéry sind in diesem Zustand der Ungewissheit die prominentesten Namen, doch derjenige, dessen Zukunft so sehr wie bei sonst niemandem von den Antworten auf die großen Fragen des FC Bayern abhängt, ist Arturo Vidal.

Da wäre zunächst die Frage nach der Kaderplanung. Noch im Januar wird wohl verkündet werden, dass Leon Goretzka ablösefrei von Schalke 04 zum FC Bayern wechseln wird. Goretzka spielt im zentralen Mittelfeld, so wie Vidal. Dort spielen beim FC Bayern allerdings auch: Corentin Tolisso, Sebastian Rudy, Heynckes' Liebling Javier Martínez und Thiago Alcántara, vorausgesetzt er ist nicht wie momentan langzeitverletzt. Im aktuellen System mit zwei Flügelspielern (Ribéry? Robben?) und einer Spitze bleibt Platz für drei zentrale Mittelfeldspieler - und eine dieser drei Positionen, die hinter dem Angreifer, beansprucht für sich auch noch Thomas Müller.

Im Sommer noch hatte München zwei Anfragen für Vidal abgelehnt

In diesem Mittelfeldgedränge ist keiner so alt wie Vidal, und bei dem Chilenen befürchten manche beim FC Bayern baldige Verschleißerscheinungen, nicht nur wegen einer komplizierten Kniegeschichte, die Vidal fast die Teilnahme an der WM 2014 gekostet hatte. Will der Verein, der 2015 knapp unter 40 Millionen Euro für den Spieler gezahlt hatte, eine Ablöse kassieren, müsste er ihn im Sommer verkaufen. Vor einem halben Jahr hatten noch Inter und der AC Mailand um ihn geworben, beide Anfragen lehnten die Bayern ab.

Wie der Klub mit möglichen zukünftigen Angeboten umgehen würde, führt zur größten Frage vor der Rückrunde: zu der, welcher Trainer vom kommenden Sommer an die Mannschaft betreuen wird.

Dass Vidal den Trainer Heynckes respektiert, dass er sich von dessen Ultimatum so sehr beeinflussen lässt, dass er dem Vernehmen nach zusätzlich in Grünwald in ein Fitnessstudio geht, liegt daran, dass Heynckes trotz all der Geschichten mehr in ihm sah als einen Mann, der sich selbst sucht. Er sah einen Mann, dessen manchmal unkontrollierbaren Kräfte eine wichtige Eigenschaft auf dem Platz sein können. Diese Mischung aus Zuneigung und Strenge, sagen Menschen aus Vidals Umfeld, sucht dieser, seit sein Vater die Familie verlassen hatte, als Arturo sieben Jahre alt war. Weil bei Heynckes das Menschliche so wichtig ist, wäre es Vidal (und Präsident Uli Hoeneß) am liebsten, der Trainer würde seinen auslaufenden Vertrag verlängern. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass Vidal bleibt.

Der FC Bayern würde gerne mit Heynckes verlängern

Sollte ein anderer Trainer kommen, müsste dieser menschlich so gut mit Vidal auskommen, dass er diesen bei Laune und Gesundheit hält. Und er müsste eine sportliche Rolle für ihn finden. Beides erfordert viel Fantasie. Und ergibt doch ein präzises Stellenprofil für den Trainerjob beim FC Bayern. Gesucht wird einer, der den Umbruch im Kader elegant und doch konsequent vorantreibt, und noch wissen sie im Klub nicht, ob sie das am ehesten Jürgen Klopp, Niko Kovac, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann oder vielleicht doch einem renommierten ausländischen Trainer zutrauen. Wenn aber ein neuer, ihm unbekannter Trainer kommt, werden für Vidal Anrufe wie die von Conte wieder attraktiver.

Da mit der Trainerfrage so viele Ungewissheiten verbunden sind, würde der Verein inzwischen gerne mit Heynckes verlängern und dadurch ein Jahr gewinnen. Das Problem für Vidal (und Hoeneß) ist nur, dass Heynckes findet, dass die beiden endlich ohne ihn klarkommen müssen.

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