Bundesliga:Die Uhr des HSV läuft ab

FC Augsburg v Hamburger SV - Bundesliga

Konsterniert: Tatsuya Ito, Douglas Santos und Mergim Mavraj.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach dem 0:1 gegen Augsburg steht fest, dass der HSV erneut gegen den Abstieg spielt. Wenig spricht dafür, dass es am Ende noch einmal gut ausgeht.

Kommentar von Christof Kneer

Irgendwo in den Statuten der Deutschen Fußball Liga muss diese Passage zu finden sein, es würde sich lohnen, mal nach ihr zu suchen. Es muss irgendwo eine Regel geben, wonach drei Dinge zwingend zu berücksichtigen sind, wenn die Rede auf den Hamburger SV kommt. Erstens muss immer das Wort "Dino" fallen, was vor allem für Reporter wichtig zu wissen ist, weil nicht auszuschließen ist, dass HSV-Texte, in denen der Dino fehlt, sich sofort selbst löschen.

Ebenso unerlässlich ist - zweitens - der Verweis auf die Stadionuhr, die vermutlich seit Anbeginn der Zeit, zumindest aber seit Gründung der Bundesliga im August 1963 tickt und tickt und tickt. Und in den vergangenen Jahren hat sich eine weitere Gesetzmäßigkeit aufgedrängt, die inzwischen ebenfalls zum Allgemeinwissen der Branche gehört: Okay, vielleicht ist der HSV nicht mehr so ruhmreich wie früher, vielleicht ist er sogar richtig schlecht. Aber absteigen? Geht ja gar nicht. Es wurde ja extra die Relegation wieder eingeführt, um den HSV zu retten.

Die Lage wird immer prekärer

Nach dem ersten Spieltag der Rückrunde steht der HSV allerdings auf einem Tabellenplatz, der nicht mehr für die Relegation reichen würde. Und wer die Leistung beim 0:1 in Augsburg bewertet, der würde eher den abgeschlagenen 1. FC Köln als HSV-Rivalen sehen als den Rest der zahlreichen Abstiegskandidaten. Dass viel zu viele Trainer und viel zu viele Sportdirektoren an diesem Kader herumgeschraubt haben, ist schon seit längerem nicht mehr zu übersehen, was die Lage für den - Achtung! - Dino immer prekärer macht. Denn es drängt sich allmählich das Gefühl auf, dass die Hamburger in diesem dichtgedrängten Abstiegskampf inzwischen eine Waffe weniger haben als die Konkurrenz.

Denn selbst wenn der Onkel Kühne doch noch einmal ein paar Millionen springen lassen sollte: Welcher Wintertransfer sollte dieser unrunden Mannschaft wirklich weiterhelfen? Diese kuriose Gefahr besteht ja tatsächlich: dass jeder neue Mann dieses durch und durch unordentliche Gefüge noch weiter durcheinander bringen würde.

Die Saison ist erst zur Hälfte vorbei, und doch ist an diesem Wochenende im Abstiegskampf schon eine Vorentscheidung gefallen: Der FC Augsburg hat sich wohl ebenso bereits gerettet wie vermutlich auch der Aufsteiger Hannover 96, und das, obwohl keiner der beiden Klubs über eine ehrwürdige Stadionuhr verfügt. Vor allem die kleinen Augsburger funktionieren als perfekter Gegenentwurf zum großen HSV: Sie können in der Nische in aller Ruhe ihre seriöse Politik durchziehen, während der HSV jenen Trend verkörpert und verstärkt, der in den letzten Spielzeiten bereits zu beobachten war - den Trend, wonach Tradition beneidens- und lobenswert ist, aber halt leider auch eine fürchterliche Gefahr: zu hohe Erwartungshaltungen in Stadt und Klub, zu viele Menschen, die mitreden und/oder mitverdienen wollen und daraus resultierend eine dramatische Anfälligkeit für Strömungen aller Art. So hat es den VfB Stuttgart vor zwei Jahren erwischt und zuvor auch schon Eintracht Frankfurt, Hertha BSC und den 1. FC Köln. Den FC könnte es diesmal wieder erwischen, und das, obwohl er eigentlich auf einem guten Weg zu sein schien. Das sind die drei Tabellenletzten im Moment: Köln, Hamburg, Bremen - drei traditionelle Größen dieser Liga.

Es ist ein gerne gehörter Gedanke, dass einem Klub wie dem HSV ein Abstieg "mal gut täte", wie das immer so schön heißt. Der Gedanke ist hämisch und populistisch, weil er außer Acht lässt, dass ein Abstieg ungezählte Fanseelen verwundet und zumindest schwer zu zählende Millionensummen kostet. Dennoch gab es in jüngerer und jüngster Vergangenheit Klubs wie Borussia Mönchengladbach oder auch den VfB Stuttgart, die einigermaßen erneuert und mit frischem Spirit in die Liga zurückkehrten.

Noch ist es aber nicht so weit, und es bleibt nun die Frage, was dem HSV noch an Hoffnung übrig bleibt, außer seiner Uhr, die tickt und tickt und tickt. Einstweilen bleibt immerhin noch zweierlei: Der HSV könnte nochmal den Trainer wechseln. Und am nächsten Wochenende spielt er gegen den 1. FC Köln.

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