Bundesliga:Die fast makellose Elf des Jahres

Der schnellste Mensch beim FC Bayern trägt wallendes Haar und Koffer. Der zweitbeste Vorbereiter der Liga darf wohl nicht zur WM - und das Tor der Saison schießt ein Absteiger.

Von SZ-Autoren

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt

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(Foto: dpa)

Noch hat keiner mitgestoppt, wie schnell der schnellste Mensch beim FC Bayern rennen kann, aber seit November 2017 ist klar, dass Sprintgold in München nur an einen gehen kann: Den Doc, den gazellenhaftesten Teamarzt der Bundesliga, den 75-jährigen "Mull" mit dem wallenden Haar eines 24-Jährigen. Mit seinem Comeback nach dem Streit mit Pep Guardiola steht er für den bayerischen Weg zurück in die Vergangenheit, auf den Uli Hoeneß ja auch seinen Brazzo (Sportdirektor), seinen Miroklose (U17-Trainer) und natürlich seinen Freund Jupp eingeladen hat. Müller-Wohlfahrt sprintete fortan nicht nur zu gekrümmten Spielern auf den Platz, sondern auch durch Deutschlands-TV-Talkshows, um seine Biographie zu promoten. Und dann erzählte er in einem Interview mit der Zeit, dass Doping im Fußball nichts bringe. Da hatte er sich dann etwas vergaloppiert. (jbe)

James Rodriguez

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Als die Bayern im Sommer James aus Madrid ausliehen, haben sie das offiziell nochmal betont: dass dieser Transfer "der große Wunsch" von Trainer Carlo Ancelotti gewesen sei. Warum er das war, hat James in seinen ersten Wochen eher ab und an mal gezeigt. Als die Bayern sich dann von Ancelotti trennten, tat sich Erstaunliches. Der Carlo-Wunschspieler James entwickelte sich im Bayern-Mittelfeld zum Jupp-Spieler schlechthin. Er nahm eine Wandlung von ulreichschem Ausmaß, beispielhaft stand er dafür, wie Heynckes die Mannschaft transformierte. James sei nicht richtig fit gewesen, hatte der Trainer Ende April nochmal gesagt, und er sagte es in der Gewissheit, dass dieser James inzwischen ziemlich fit war. Er schoss sieben Tore in der Bundesliga, er gab elf Vorlagen, im Halbfinal-Hinspiel gegen Real in der Champions League war er der beste Bayern-Spieler. Eine weitere Saison ist er noch ausgeliehen, die Bayern haben offenbar eine Kaufoption über 42 Millionen Euro. Wahrscheinlich wünscht sich auch Niko Kovac, dass die Bayern sie ziehen. (chge)

Naldo

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ronaldo Aparecido Rodrigues, den die Bundesliga nur unter den letzten fünf Buchstaben seines ersten Vornamens kennt, hat vielleicht die beste Saison seines Lebens gespielt. Das ist umso erstaunlicher, weil er 35 Jahre alt ist und man in diesem Alter normalerweise nur noch dann die Saison seines Lebens spielt, wenn man Torhüter ist. Nein, Naldo ist Abwehrspieler - wobei: Er ist in der internen Schalker Torschützenliste mit sieben Toren Zweiter. Eins dieser Tore war ein mächtiger Kopfball zum 4:4 beim ersten Derby der Saison gegen Dortmund, ein anderes ein mächtiger Freistoß 2:0 im zweiten Derby der Saison. Überhaupt war alles beim Brasilianer ziemlich urgewaltig, einen rollenden Naldo hielt keiner auf, seine Kopfbälle sind härter als mancher Schuss. Naldo ist drei Jahre älter als sein Trainer Domenico Tedesco, zu Problemen führte das nicht. Im Gegenteil: Der Abwehrchef und der Trainer, der auf Abwehr setzt, ergänzen sich super. Wobei Naldo natürlich weder in Bremen noch in Wolfsburg irgendwann irgendwie mal für Probleme gesorgt hätte. "Ich wünsche mir, auch über 2019 hinaus auf hohem Niveau spielen zu können. Fit genug bin ich", hat er gesagt. Man mag ihm nicht widersprechen. Er war einer von vier Feldspielern, die in dieser Saison jede einzelne Bundesliga-Minute gespielt haben. (schm)

Jonas Hector

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wer noch Zweifel hatte, dass Deutschlands bester Linksverteidiger zu gut ist für die zweite Liga, der sah am letzten Spieltag den Beweis. Eine Drehung mit dem Ball durch zwei Gegenspieler wie einst Dennis Bergkamp, ein Chip, lässig wie von Andrea Pirlo, dann hatte er in Wolfsburg sein zweites Saisontor erzielt, das schönste Tor der Saison. Dass Hector trotz des Abstiegs mit dem 1. FC Köln in die zweite Liga geht, ist die fußballromantischste Geschichte eines Jahres, in dem sich andere Profis teure Wechsel und Millionenverträge erstreikten. Und allen Skeptikern sei gesagt, dass es schon mal einem glücklichen Kölner gelungen ist, seinen Platz in der Nationalelf in der zweiten Liga zu verteidigen. Er hieß Lukas Podolski. (sefi)

Sven Ulreich

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(Foto: dpa)

Es wäre im Sommer kein Wagnis gewesen, als Torwart des Jahres schon einmal Manuel Neuer zu küren. Der Neuer hält schon am besten - da waren sich damals (fast) alle einig. Mindestens in der Bundesliga, wenn nicht auf der Welt. Wer, wenn nicht er, hätte diese lässigen und zuweilen hungrigen Bayern des Carlo Ancelotti in die Glitzerspiele der Champions League führen sollen? Platz also vergeben. Aber dann kam ja doch alles anders. Im Herbst verabschiedeten die Münchner Ancelotti frühzeitig und dieser Neuer hielt nicht mehr Fußbälle, sondern seine Krücken. Stattdessen führte ein anderer den FCB mit spektakulären Paraden in Europa weiter: Sven Ulreich, gebürtig in Schorndorf, so schwäbisch im Zulassen von Gegentoren, dass er in Fachkreisen schnell "Zu-Null-Reich" hieß. Bis zum Champions-League-Halbfinale, wo er sich dann doch spendabel zeigte, und statt des Balles Luft durch den Madrider Strafraum wirbelte. Ulreich hatte den Bayern ein Ding ins Nest gelegt, das der Neuer niemals... Naja, wer weiß. Es war natürlich trotzdem eine gute Saison von Ulreich und ganz ehrlich: Irgendetwas wird er sich schon dabei gedacht haben, dass er seinen Vertrag in München verlängert hat, statt woanders einen Stammtorhüterposten anzunehmen. Ist er am Ende Bayerns zukünftige Nr. 1? (jki)

Philipp Max

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(Foto: dpa)

Es wäre ein wenig übertrieben zu behaupten, der FC Augsburg habe in dieser Saison die Massen begeistert. Aber kein Klub hat wohl aus derart kleinem Budget so viel herausgeholt wie der FCA. Freiburg und Augsburg wechseln sich da ja regelmäßig ab. Und wer einen Spieler sucht, der für die Augsburger Entwicklung steht, der kommt an Philipp Max nicht vorbei. Als Zweitligaverteidiger verpflichtet, zunächst in der ersten Liga nicht durchgesetzt, dann in die Stamm-Elf gekämpft. Max ist schnell, flankt präzise, außer Thomas Müller hat in der Liga niemand so viele Tore vorbereitet wie er. Demnächst wird er wohl zu einem größeren Klub wechseln. Auch das ist typisch für Augsburg. Dass Joachim Löw ihn wohl trotzdem nicht mit zur WM nehmen wird, ist eine andere Geschichte. (sefi)

Nils Petersen

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(Foto: REUTERS)

Der Freiburger Angreifer hat in dieser Saison vieles geschafft, was andere nicht geschafft haben. Er hat einerseits den kuriosesten Platzverweis der Saison gesehen. Beziehungsweise: Er hat ihn nicht gesehen, bei seiner ersten von zwei gelben Karten gegen Schalke hatte er dem Schiedsrichter ja den Rücken zugewandt (die Sperre wurde deshalb nachträglich aufgehoben). Außerdem ist Petersen eine Art neuer Stefan Kießling geworden: Er hat mehr Tore geschossen als jeder andere deutsche Spieler der Liga - aber dass ihn der Bundestrainer mit zur WM nimmt, das dürfte insgesamt eher unwahrscheinlich sein. (chge)

Nicolai Müller

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(Foto: Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images)

Die Saison begann so formidabel für Nicolai Müller: Erster Spieltag, der HSV siegte 1:0 gegen Augsburg, Müller erzielte bereits in der achten Minute den Siegtreffer. Dann war seine Saison jedoch fast schon wieder vorbei. Müller freute sich allzu ungestüm über sein Tor, wagte nahe der Eckfahne eine doppelt-eingesprungene Jubel-Pirouette - und riss sich bei der Landung das Kreuzband. Aus der Reha und von der Tribüne aus musste Müller ansehen, wie der HSV vom ersten Tabellenplatz auf die Abstiegsplätze durchgereicht wurde. Erst Anfang Mai rutschte er wieder in den Kader. Der HSV stieg trotzdem ab - und Müller bleibt nur der Preis für den verhängnisvollsten Torjubel der Saison. (ebc)

Martin Kind

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(Foto: Peter Steffen/dpa)

Hannovers Vereinsboss polarisiert gerne, von daher ist es vielleicht sogar ein Kompliment für ihn: Kein anderer Funktionärsname wurde in dieser Bundesligasaison so oft skandiert wie seiner. "Kind muss weg" wurde in Hannover leidenschaftlich gebrüllt, manchmal machten sogar die Gäste-Fans mit. Der Grund: Kind liefert sich mit einem Teil der 96-Anhänger seit Herbst einen erbitterten Streit. Kind möchte in Hannover die 50+1-Regel umgehen und die Mehrheit der Anteile des Profivereins übernehmen, ein Teil der Fans will dies unbedingt verhindern. Um zu zeigen, wie ernst es ihnen ist, "bestraften" sie die Mannschaft mit einem Stimmungsboykott. Die Mannschaft spielte ordentlich, doch die Fans schwiegen, pfiffen und riefen "Kind muss weg". Das missfiel auch dem 74-jährigen Hörgeräteunternehmer sehr. Im Februar zog Kind seinen Antrag bei der DFL zunächst zurück. Nun will er ihn, nachdem das Präsidium auf der 96-Mitgliederversammlung demonstrativ nicht entlastet wurde, wieder aufnehmen. Es wäre verwunderlich, würden die Proteste in der kommenden Spielzeit einfach so verstummen. (ebc)

Mario Gomez

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(Foto: dpa)

Mario Gomez ist hinter dem "Heiligen Berg Oberschwabens" groß geworden, dem 767 Meter hohen und im Winter ziemlich unwirtlichen Bussen. Er ist also ein waschechter Schwabe und von Geburt ein Mensch, der das weiße Trikot mit dem roten Brustring des VfB Stuttgart scho au mit Stolz trägt. Dass der Bub aus Unlingen nach Jahren der Wanderschaft in der Winterpause zu seinem Jugendklub zurückgekehrt ist, dem einst zur deutschen Meisterschaft verhalf, macht ihn zum Schwaben des Jahres. Dass er die Stuttgarter mit acht Toren in 16 Spielen Richtung Europapokal schoss, verleiht seiner Heimkehr ein Geschmäckle großer Gefühle. Viele VfB-Fans fordern schon jetzt: Baut dem Gomez vor dem Neckarstadion ein Denkmal. Und auf dem Bussen. (schma)

Peter Stöger

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(Foto: dpa)

Die Frau Mama wird froh sein, dass ihr Sohn bald wieder heimkommt, um endlich mal ein Abendessen zu Ende führen zu können. Im Dezember, als sie letztmals gemeinsam zu Tisch saßen, hatte Peter Stöger seinen Wiener Apfelstrudel noch nicht verspeist, als sein Telefon klingelte. Borussia Dortmund war dran und holte Stöger, der seine Koffer noch nicht ausgepackt hatte, von daheim weg. Erst wenige Tage davor war er beim 1. FC Köln als Trainer entlassen worden, nun ging's zum BVB. Ein Traumjob, wie Stöger bekannte, den konnte er nicht ablehnen, auch wenn er seine Mutter dafür sitzen lassen musste. Doch leider wurde aus dem Traum eine "leidige Gschicht", wie man in Wien sagen würde: Beinahe hätte Stöger auch noch den zweiten Verein binnen einer Saison ins Verderben geführt, als beim BVB die Champions League arg in Gefahr geriet. Es ging gerade noch gut, aber Herzerwärmendes bleibt von der Liaison Stöger/Dortmund nicht hängen. Dafür hat er nun nach seinem Abschied genügend Zeit für ein ausgiebiges Abendessen mit der Frau Mama. (schma)

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