Vision zum Profifußball:Die Buh-Rufe folgen prompt

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DFL-Chef Christian Seifert verspricht sich viel von den Ergebissen der "Task Force Zukunft Profifußball". (Foto: Arne Dedert/dpa)

Eine Task Force liefert eine Vision, wie der deutsche Profifußball 2030 aussehen soll. "Es ist etwas sehr Besonderes entstanden", findet DFL-Chef Seifert. Fan-Organisationen widersprechen.

Von Philipp Selldorf

Gemäß den Vorstellungen der von der Deutschen Fußball Liga (DFL) einberufenen "Task Force Zukunft Profifußball" soll die Bundesliga im Jahr 2030 eine Instanz des perfekten Glücks sein: Wie ihr zweitklassiger Ableger ist sie dann in aller Welt beliebt, sportlich erfolgreich, wirtschaftlich gesund und hochattraktiv für Medienunternehmen rund um den Globus. Der sportliche Wettbewerb der beiden Ligen ist, wie es der Ergebnisbericht der Kommission formuliert, "fair und integer und in allen Tabellenregionen spannend, deutsche Klubs gehören dabei zur Weltspitze". Auf dem Weg in die künftige Herrlichkeit verwirklicht der deutsche Profifußball außerdem vorbildhaftes Verhalten in alle Richtungen: Er steht für Umwelt- und Klimaschutz ein, achtet die Menschenrechte, fördert Inklusion, Frauenfußball, die Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit den Fans aller Couleur versteht er sich besser als je zuvor, unter anderem durch "partizipative Strukturen in den Klubs und Verbänden". Halleluja.

Mit ihren 37 Teilnehmern aus Sport, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft hatte die Task Force in den vergangenen Monaten die Probleme des Profifußballs besprochen und nach Lösungen gesucht. Neben Fußball-Aktiven wie Max Eberl, Fredi Bobic und Oliver Bierhoff sowie den Politikern Britta Dassler, Cem Özdemir und Martin Schulz beteiligten sich Geschäfts- und Werbefachleute, Funktionäre, Repräsentanten des Publikums und einige mehr an dem in mehreren Sitzungen fortgesetzten Diskurs. Den Anlass zum Nachdenken lieferte die Corona-Krise. Von innen wie von außen war im vorigen Frühjahr plötzlich der Ruf nach einer Reform des Geschäfts zu hören.

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Die Deutsche Fußball Liga will mithilfe einer neuen Task Force das Ansehen des Metiers aufpolieren. Aussichtslos ist das Vorhaben nicht: Es würde schon helfen, Regeln anzuwenden, die bereits existieren.

Kommentar von Philipp Selldorf

Aus den Erörterungen geht nun ein Strauß von Empfehlungen hervor, den DFL-Chef Christian Seifert und die als Moderatorin engagierte Psychologin Heidi Möller als Grundlage für einen Wandel der Branche und deren Genesung priesen. "Es ist etwas sehr Besonderes entstanden", sagte Seifert. Eine Meinung, die Vertreter der am Dialog beteiligten Fan-Organisation ausdrücklich nicht teilen möchten. Sie halten das Fazit des Forum-Gesprächs für eine vergebene Chance. Es reiche nicht aus, "lediglich den Status Quo zu verbessern", teilten die in verschiedenen Gruppen organisierten Anhänger kurz nach der Vorstellung des Schriftsatzes am Mittwoch mit. Vermisst werden Vorschläge, die den wirtschaftlichen Kern des Systems - und damit das sportliche Ungleichgewicht im Wettbewerb - zu treffen versuchen, etwa durch die Einführung eines nationalen Financial Fairplay, einer "Luxussteuer" oder neuer Maßgaben zur Verteilung der Fernseh-Einnahmen.

Selbstredend besteht der Report der Task Force nicht nur aus der Wunschvorstellung für ein mustergültiges Fußball-Paradies, die Vision 2030 stellt lediglich das ideelle Ziel am Horizont dar - ohne Anspruch auf vollständige Erfüllung. Die Runde kam aber nach Darstellung von Heidi Möller darin überein, dass die Profi-Branche mindestens einen Teil des positiven Zukunftsbildes realisieren könnte. Konkret wird der Katalog unter anderem, wenn es um die Forderung nach strengeren Kriterien bei der Prüfung von Liquidität und Profitabilität der Vereine geht; bei der "Eindämmung des Beraterwesens" (Schöller) durch Lizenzvergaben und feste Provisionsgrenzen oder bei der Einrichtung einer ständigen Fan-Kommission bei der DFL. Ein anderer Vorschlag mit Breitenwirkung ließe sich auch kurzfristig leicht umsetzen: Die Vereine könnten sich verpflichten, die Saisonvorbereitung wieder häufiger in ihre Heimat-Region zu verlegen, anstatt nach China oder Amerika zu reisen. Mit Freundschaftsspielen gegen Amateurklubs würden sie einerseits Identität stiften und andererseits ein gutes Werk tun - indem sie die Einnahmen den kleinen Vereinen überließen. Ein anderer sinnvoller Plan: Eltern und Nachwuchsspielern Aufklärung über die Gepflogenheiten im Geldgeschäft Fußball anzubieten.

Manche Zeile im neun Seiten umfassenden Report regt hingegen zum zügigen Weiterblättern an, weil sich mehr Fragen als Antworten auftun: Wo in der Überschrift die "Optimierung von Austauschformaten und Benchmarkingprozessen" oder die "Institutionalisierung interdisziplinärer Dialogstrukturen" angemahnt wird, ist der Bezug zum Fußballspiel nur noch schwerlich zu ahnen.

Man hatte sich viel vorgenommen, entsprechend hoch waren die Erwartungen. Womöglich zu hoch. Prompt folgen die Buh-Rufe. Die Fans motzen, Task-Force-Mitglied und Korruptionsbekämpferin Sylvia Schenk warnt davor, der Bericht könne zum "Papiertiger" werden, auch die Sponsoren-Vereinigung S 20 meldet Bedenken an. "Gemessen werden wir an der Umsetzung", sagte DFL-Chef Seifert. Der Satz sollte als Versprechen zu verstehen sein.

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