Bundesliga in der Corona-Krise:Der DFL-Chef ruft zur Räson

Christian Seifert

Christian Seifert, Geschäftsführer der DFL GmbH, spricht im Anschluss an die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) auf einer Pressekonferenz Mitte März.

(Foto: Arne Dedert/dpa)
  • DFL-Chef Christian Seifert hat einen Brief mit der Bitte an alle deutschen Profiklubs geschrieben, sich mit öffentlichen Äußerungen zurückzuhalten.
  • Die Verärgerung über die Statements von manchen Klubvertretern war in der Liga offenbar groß.
  • Seifert will partout den Eindruck vermeiden, als beanspruche der Profifußball eine Sonderrolle in der Corona-Krise.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) will vor der inzwischen auf den 23. April verschobenen Mitgliederversammlung verhindern, dass einzelne Vereine über mögliche Einstiegsszenarien der vorläufig bis Ende des Monats unterbrochenen Saison spekulieren. Solche Meinungsäußerungen, die als kontraproduktiv für ein gemeinschaftliches Vorgehen angesehen werden, sollen künftig unterbleiben. Am Dienstag hat DFL-Chef Christian Seifert sein Rundschreiben zu den Beweggründen der Verlegung der virtuellen Zusammenkunft mit einem eindringlichen Appell versehen, unüberlegte und unangemessene Meinungsäußerungen zu unterlassen.

Es gehe nicht darum, das Recht auf Meinungsäußerung einzuschränken, sagte ein Vereinsvertreter, "sondern darum, dass Vielstimmigkeit jetzt gerade keine Stärke ist, weil es das Ergebnis verkompliziert". Die Profilierungssucht einzelner Protagonisten sei letztlich für das Gesamtkonstrukt schädlich. Der Aufsichtsratsvorsitzende der DFL GmbH, Peter Peters von FC Schalke 04, hatte am selben Tag ebenfalls explizit die Vereine der ersten Liga ermahnt, sich mit Statements künftig zurückzuhalten. An die Klubs der zweiten Liga erging bereits am vergangenen Freitag ein PDF-Dokument mit ähnlichem Wortlaut vom DFL-Vizepräsidenten Steffen Schneekloth (Holstein Kiel), der als Sprecher fürs Unterhaus fungiert. Die Vorgänge mit drei Schreiben mit gleichlautender Stoßrichtung zeigen, wie brisant Themen wie die Saisonfortsetzung, Insolvenz oder Kurzarbeit sind und wie wenig der DFL im "Überlebenskampf" (Seifert) abweichende Wortmeldungen gefallen.

Mehrere Klubvertreter sind irritiert, dass persönliche Eitelkeiten und Interessen selbst in der Pandemie im Vordergrund ständen. Viele hätten nicht verstanden, so heißt es, dass der deutsche Profifußball extrem viel Kraft und Geld aus der Gesellschaft und Wirtschaft sauge und es jetzt bestimmt nicht darum gehe, den einzelnen Marktwert eines Klubs in Sicherheit zu bringen. Manche Wortmeldungen seien vielleicht nicht boshaft, aber mindestens naiv gewesen. Auch deshalb hat die Liga nun eine klare Warnung ausgesprochen.

In der DFL-Chefetage kamen viele Äußerungen nicht gut an

Vor allem Klaus Hofmann (FC Augsburg), Dirk Zingler (Union Berlin) oder Martin Kind (Hannover 96) dürften sich angesprochen fühlen. Augsburgs Präsident Hofmann hatte in einem Art Rundumschlag das Geschäftsgebaren mancher Klubs und deren Verhalten kritisiert: "Wenn ich lese, dass Fußballvereine, die ein paar Hundert Millionen Euro Umsatz machen, ihre Geschäftsstellenmitarbeiter in Kurzarbeit schicken, fühle ich mich wie in einem falschen Film."

Union-Präsident Zingler hatte auf der Vereinshomepage über den Zeitpunkt der Saisonfortsetzung folgenden Vorschlag gemacht: "Wir sollten einen Termin finden, der eine gesellschaftliche Akzeptanz hat. Die Kinder müssen erst zur Schule und vielleicht muss auch die kleine Kneipe mit 20 Plätzen erst wieder auf, bevor wir Fußball spielen." Und auch Hannovers Patron Kind meldete sich natürlich zu Wort: "Ich hoffe, und das ist auch meine große Erwartung, dass die Politik jetzt im April das Szenario der Reaktivierung der Strukturen einleitet. Das ist zwingend notwendig."

In der DFL-Chefetage kamen all diese Äußerungen überhaupt nicht gut an. Deshalb wird nun zur Räson gerufen. Für Seifert ist es gerade in der existenzbedrohenden Lage elementar, dass der deutsche Profifußball ein geschlossenes Bild abgibt. Es geht dabei auch um die gesellschaftliche Akzeptanz der Pläne, die Saison in einer Art virenfreien Sonderzone noch zu Ende zu spielen. Seiferts Prämisse: "Es darf nicht der Eindruck entstehen, der Fußball ignoriere in seiner Selbstbezogenheit die Realität." Der 50-Jährige will partout den Eindruck vermeiden, als beanspruche der Profifußball eine Sonderrolle.

Die 1. und 2. Liga ruht mindestens bis zum 30. April

Deshalb ist auch die Taskforce Sportmedizin/Sonderspielbetrieb mit Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer an der Spitze aufgerufen, keine öffentlichen Wasserstandsmeldungen abzugeben. Bereits das Thema der Corona-Tests, wofür Experten bei allen Beteiligten 20 000 Tests bis Saisonende veranschlagen, ist öffentlich umstritten.

Hintergrund der Aufforderung an die DFL-Mitglieder könnte nicht zuletzt die für diesen Mittwoch angesetzte Telefonkonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer sein, in der es um erste Lockerungen der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus geht. Am 23. April wollen die 36 Profiklubs das weitere Vorgehen bei einer außerordentlichen DFL-Mitgliederversammlung beraten. Das erklärte Ziel ist, die Saison bis zum 30. Juni abzuschließen, aller Voraussicht nach ist dies wenn überhaupt nur vor leeren Rängen möglich. Der Ball in der 1. und 2. Bundesliga ruht mindestens bis zum 30. April.

Der Chefstratege verhandelt sowohl mit dem Bezahlsender Sky auch verschiedenen Investmentbanken, damit der "Überlebenskampf" nicht dazu führt, dass erste Vereine im Mai oder Juni bereits Insolvenz anmelden müssen. Hinter den Kulissen sind zudem viele Profiklubs beim Thema Gehaltsverzicht gespalten, weil sich offenbar ganz unterschiedliche Ausprägungen gebildet haben. Offenbar handelt es sich mancherorts nur um Stundungen, die Beträge sind gestaffelt nach Szenario. Erst wenn die Saison wirklich abgebrochen wird, geht es den Profis an manchen Standorten wirklich an den Geldbeutel.

Axel Hellmann, Vorstand von Eintracht Frankfurt, hatte in einer Telefonschalte am Dienstagmorgen angemerkt: "Ich weiß, dass einige Klubs relativ schnell nach drei, vier Tagen große Verzichtserklärungen abgegeben haben. Da würde ich aber empfehlen, die Steine mal genauer umzudrehen." Hellmann sieht im deutschen Fußball einigen Aktionismus, "sein Gewissen reinzuwaschen". Der hessische Bundesligist hat über Ostern eine Kampagne ins Leben gerufen, bei der mehr als 100 000 Dauerkarten- und Tageskarteninhaber sowie 1000 Kunden im Logen- und Businessbereich statt Rückerstattungen bei Geisterspielen das Geld lieber an fünf Frankfurter Organisationen im Kampf gegen die Corona-Krise spenden sollen. Hellmann: "Wir wollten keinen PR-Schnellschluss machen. Manchmal liegt das Gute nicht in der Schnelligkeit, sondern in der Gründlichkeit."

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