Bundesliga-Neustart:Der Fußball erklärt sich bereit für den Tag X

Coronavirus - Olympiastadion Berlin

Bereit für jedes Spiel! Beim Geisterspiel-Format würden nur noch 300 Akteure und Nebendarsteller ins Berliner Olympiastadion strömen.

(Foto: Andreas Gora/dpa)
  • Nach der Videokonferenz der 36 Erst- und Zweitligisten hat die Deutsche Fußball Liga noch keinen Termin für den Saison-Neustart genannt - avisiert bleibt der 9. Mai.
  • Drohende Pleiten einiger Klubs sind vorerst abgewendet, da die TV-Partner "fast alle" einer Vorschusszahlung auf die ausstehende letzte Rate des Honorars zustimmen.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Mancher Vertreter der Bundesliga hatte lange Beratungen und Diskussionen prophezeit, aber das dritte Gipfeltreffen des Profifußballs zur Corona-Krise dauerte keine drei Stunden. Solange die Klubs durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage in ihrer Not vereint bleiben, sehen sie sich genötigt, ihre Gegensätze und Rivalitäten zurückzustellen. Zumal der Gastgeber der Videokonferenz, DFL-Chef Christian Seifert, gute Nachrichten präsentieren konnte. Seifert teilte mit, die Gespräche mit den Fernsehpartnern über eine Vorschusszahlung auf die ausstehende letzte Rate des TV-Honorars weitgehend zu einem guten Abschluss gebracht zu haben: "Es gibt Vereinbarungen mit fast allen Medienpartnern", sagte er. Nur in einem Fall gab es keine Einigung, aber dabei handele es nicht um den amerikanischen Streaming-Anbieter Dazn, betonte Seifert auf Nachfrage. Die wichtigste Abmachung wurde mit dem Hauptgeldgeber Sky getroffen: "Dadurch wird es möglich, allen Klubs bis zum 30. Juni Liquidität zur Verfügung zu stellen", wie sich der DFL-Kommissar ausdrückte.

Die Auszahlung der Summe erfolgt nach seinen Angaben in Kürze. Die Sache steht allerdings unter einem Vorbehalt, der schwerer wiegt als eine Eventualitätsklausel im Kleingedruckten. Die Sender bezahlen das vertraglich vereinbarte Honorar dafür, dass sie - live auf Sky, zusammengefasst in der ARD-Sportschau und im ZDF-Sportstudio - Fußballspiele zeigen dürfen. Ob aber tatsächlich gespielt werden kann, dafür gibt es nach wie vor keine Garantien, selbst wenn einige prominente Ministerpräsidenten und die zuständigen Sportminister der Bundesländer dies zu Wochenbeginn in Aussicht gestellt hatten. Und die Ungewissheit erschöpft sich auch nicht in der Frage, wann der erste Spieltag nach dem Betriebsstopp stattfinden kann, ob Anfang, Mitte oder Ende Mai. Es geht vor allem darum, ob der einmal begonnene Spielbetrieb überhaupt zu Ende gebracht werden kann. So könnte der Fall eintreten, dass sich das Land, seine Bürger und damit auch die Profifußballer erneut in die Privaträume zurückziehen müssten, weil die Infektionszahlen rapide steigen und ein zweiter Lockdown verhängt wird; und es könnte außerdem passieren, dass die Fußball-Wettkämpfe wegen der Häufung von Infektionen unter den Akteuren nicht über vereinzelte Spiele oder Spieltage hinauskommen und die Saison dann eben doch abgebrochen werden muss.

Davon geht man zwar nicht aus bei der DFL, weil man - so überzeugt wie notgedrungen - dem Vorsorge- und Sicherheitskonzept der medizinischen Taskforce vertraut. Aber sollte einer dieser schlimmsten anzunehmenden Unfälle eintreten, dann müsste das Fernseh- und Sponsorengeld, das viele Klubs zum Überleben brauchen, zurückerstattet werden an die Absender. "Dies könnte erneut zu finanziellen Engpässen führen", wie die DFL erklärte.

Sollten die Testkapazitäten nicht reichen, "wird der Fußball selbstverständlich zurücktreten"

Mit dem Konzept der von Nationalteamarzt Tim Meyer geleiteten Kommission steht und fällt der Erhalt des Systems. "Es sieht ein angemessenes Maß an Sicherheit und Vorsorge vor", sagte Seifert. "Wenn es uns nicht gelingt, es durchzusetzen, dann werden wir auch in einigen Monaten nicht spielen, und dann wäre die Bundesliga irgendwann ein Kollateralschaden der Corona-Krise." Der DFL-Geschäftsführer trat der Kritik entgegen, der Profifußball verschaffe sich durch seine Möglichkeiten und politischen Verbindungen Privilegien: "Friseure, Restaurants, Unternehmen werden unter speziellen Voraussetzungen wiedereröffnen. Gleiches gilt für den Profifußball, auch wenn er im gleißenden Licht spielt und besonders beachtet, vielleicht auch besonders kritisch betrachtet wird."

In den vergangenen Tagen war der Eindruck entstanden, dass der Ball schon in wenigen Wochen wieder rollen darf, Seifert will das jedoch ausdrücklich nicht bestätigen: Es sei nicht Sache der Liga, den Neustart zu terminieren, "weil es nicht in unserer Kompetenz liegt, und weil es nicht unsere Aufgabe ist. Das wäre anmaßend und gehört sich auch nicht. Wir haben nur in der Hand, die Rahmenbedingungen zu schaffen". Diese Formulierungen lassen sich durchaus als Übung in Bescheidenheit interpretieren - eine Eigenschaft, die dem Profifußball von seinen Kritikern zuletzt öfter abgesprochen wurde. Die Aussage ist auch eine Geste an die Bundes- und Landespolitiker, die über den Fahrplan zu befinden haben. Näheres zur Wiedereröffnung dürfte auf einer Konferenz mit Kanzlerin Angela Merkel am 30. April bekannt werden. Sollte es heißen, dass es am 9. Mai losgehen könne, "dann werden wir am 9. Mai bereit sein", sagte Seifert. Bedenken aus den sportlichen Abteilungen hält er nicht für angebracht: "Wir werden in Deutschland keinen sportlichen Kaltstart haben wie in Italien, England oder anderen Ländern", sagte er. Trainer und Spieler seien gefordert, flexibel zu sein und das bisherige Trainingsprogramm fortzusetzen. Der Einstieg ins Mannschaftstraining werde sich aus dem Termin für den ersten Spieltag ergeben.

Meyer, der den Klubs sein Konzept erläutert hatte, äußerte nach der Konferenz die Erwartung, beide Ligen könnten mit maximal 20 000 Infektionstests auskommen, um das Personal im Spielbetrieb zu untersuchen, "aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es weniger sein wird". Zum Zweck der Analysen hat die DFL eine Kooperation mit fünf Fachlaboren abgeschlossen, außerdem wird es flächendeckende Antikörpertests geben, die der Wissenschaft zur Verfügung gestellt würden. Der Fußball werde der Gesellschaft keinesfalls Testkapazitäten vorenthalten, betonte Seifert. Man werde für 500 000 Euro Tests in Auftrag geben, die der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Sollte der Fall eintreten, dass die Kapazitäten in Deutschland "nicht reichen, wird der Fußball selbstverständlich zurücktreten und aufhören, zu testen und zu spielen".

Zwar bleibt Fußball auch im Geisterspielmodus ein Kontaktsport, doch aufgrund des Bündels an Vorsorgemaßnahmen sehe er die Spieler "nicht als Hochrisikogruppe", sagte Tim Meyer. Gleichwohl wird, wie Seifert einräumte, der Umgang mit eventuellen Quarantänefällen "ein entscheidender Aspekt sein". Sollten Spieler in Quarantäne gehen müssen und dadurch Spiele nicht stattfinden können, "haben wir im Spielplan Platz für Nachholspiele, dann werden wir wissen, damit umzugehen". Meyer betonte, es sei denkbar, dass lediglich einzelne Akteure isoliert werden müssten - "schwierig würde es, wenn ein ganzer Kader 14 Tage in Quarantäne gehen müsste. Dann würde es sicherlich eng im Kalender". Die ganze Operation bleibt also ein riskantes Unterfangen, und ein Ende ist nicht in Sicht, wie Seifert verdeutlichte: "Wir wissen nicht, ob Geisterspiele nicht im Februar, März noch stattfinden. Wir haben die Vereine gebeten, den ersten Teil der nächsten Saison ohne Zuschauereinnahmen zu planen."

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