Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:DFL-Chef Seifert fordert ein Bekenntnis zum Kommerz

  • Beim Neujahrsempfang der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Frankfurt fordert Christian Seifert ein Umdenken im deutschen Fußball.
  • Der Chef des Ligaverbandes fürchtet um die Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga.
  • Das Beharren auf alten Gebräuchen dürfe nicht von der Diskussion über elementare Fragen ablenken.

Von Philipp Selldorf

Wahrscheinlich hat sich der britische Fernsehmanager Jeremy Darroch als Gast des Neujahrsempfangs der Deutschen Fußball Liga (DFL) einigermaßen gewundert über die komischen Deutschen. Nicht, weil sie ihn so sehr zum Lachen gebracht hatten, sondern weil sie wieder so nachdenklich, ernst und kritisch waren, und auch nicht mit anderen, sondern mit sich selbst. Vom Podium im Festsaal sprach DFL-Geschäftsführer Christian Seifert zu den Repräsentanten der 36 deutschen Profiklubs und den Partnern aus der Wirtschaft, aber er verkündete keine frohen Botschaften, obwohl die Geschäfte der Liga florieren und auch das jüngste Bilanzjahr mit Blick auf Umsätze, Gewinne und Besucherzahlen wieder ein Rekordjahr war.

Doch statt Champagner für alle auszurufen, gab Seifert bekannt, dass 2017 für den professionellen Fußball "in vielerlei Hinsicht ein Jahr der verpassten Chancen gewesen" sei; und er beklagte, dass es zwar viele Debatten über Fußballthemen gegeben habe, dass diese sich dann aber darum drehten, ob Helene Fischer in der Halbzeitpause des DFB-Pokalfinales ein Lied singen dürfe oder nicht.

DFL-Chef Seifert fordert ein Bekenntnis zum Kommerz

Seifert, der seit mehr als zehn Jahren die Liga managt und höchst erfolgreich vermarktet, fürchtet offenkundig, dass die hierzulande beliebte Empörung über Folklorethemen und das ständige Beharren auf alten Gebräuchen vom Diskurs über die Fragen ablenkt, die für die Liga existenziell wichtig sind. Wobei sich seiner Meinung nach alles Diskutieren, Handeln und Streben auf den Erhalt der internationalen Konkurrenzfähigkeit richten müsse: "Es muss der Anspruch der Bundesliga sein, im Wettbewerb der besten Ligen der Welt zu bestehen."

Status-quo-Denken und Selbstgenügsamkeit führten in die internationale Zweitklassigkeit und im nächsten Schritt in die Bedeutungslosigkeit - "mit allen Konsequenzen für das System Fußball in Deutschland". Als Gegenmittel forderte Seifert ein ehrliches Bekenntnis zu Kommerz und wirtschaftlichem Erfolg, notfalls auf Kosten von Traditionen und althergebrachten Regeln, etwa dem 50+1-Prinzip. "Die immer wieder zitierte Schere zwischen Profis und Amateuren - sie wird weiter auseinandergehen", sagte der Geschäftsführer: "Wer etwas Gegenteiliges behauptet, streut den Menschen Sand in die Augen."

Für seine kritischen Worte bekam Seifert den Beifall des Auditoriums, und die Nachrichtenagenturen schrieben, er habe die Profiklubvertreter "wachgerüttelt", ihnen "die Leviten gelesen", "eine Abrechnung" vorgelegt. Wie so viele Grundsatzreden muss aber auch diese Ansprache dem Konflikt zwischen den angepriesenen Idealen und den tatsächlichen Verhältnissen standhalten, und da kollidiert Seiferts zentrale Forderung sofort mit den real existierenden Grenzen.

Er verlangt eine "dauerhaft intakte Spitze" in der Bundesliga, "bestehend aus mehreren Klubs, die europaweit mithalten können". Die Wahrheit ist, dass die Spitze der Liga seit Jahren aus einem Klub namens Bayern München besteht, und dass sich die vermeintliche Konkurrenz nicht aus Mittelmaßdenken, sondern aus Einsicht in die Wirklichkeit damit abgefunden hat. Borussia Dortmund, der ehemalige Konkurrent, verliert nun wohl in Gestalt von Pierre-Emerick Aubameyang den fünften Schlüsselspieler binnen anderthalb Jahren. Auch das lässt sich übrigens als Bekenntnis zum Kommerz deuten.

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Quelle:
SZ vom 17.01.2018/schm
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