Es war eine kryptische Botschaft, mit der die FCA-Spieler ihre Fans in die Sommerpause entließen. „Jessas!“, stand nach dem letzten Saisonspiel im Mai dick gedruckt auf den Abschlussshirts, die den 13. Klassenverbleib in Serie untermalen sollten. Die zierliche Unterzeile lautete: „Nix gsagt is globt gnua.“
Es drängte sich die Frage auf, was die T-Shirt-Designer eigentlich damit sagen wollten. Man unterstellt den Menschen in der Region zwar, sie würden Zuspruch und Applaus eher sparsam verteilen, egal ob beruflich oder privat. Aber wollten sie beim FCA kein explizites Lob für ein weiteres Jahr Bundesliga? Waren die Verantwortlichen der Meinung, man hätte sich das trotz respektabler Resultate nicht verdient?
Rang elf belegten die Augsburger in der Abschlusstabelle, in 13 Jahren standen sie zu Saisonende nur zweimal besser da. Nachdem der Verein Trainer Enrico Maaßen freigestellt und Jess Thorup das Amt Mitte Oktober übernommen hatte, stabilisierten sich die Leistungen umgehend. Neben dem souveränen Klassenverbleib standen zwei wegweisende Erkenntnisse: Zum einen war deutlich mehr drin als nur das Minimalziel. Zwischenzeitlich lag der FCA auf Europapokalkurs, verlor dann allerdings die letzten fünf Saisonspiele allesamt. Zum anderen musste die Schwaben zwar nicht wie die Jahre zuvor bis zum Schluss zittern – Euphorie und Begeisterung konnten die Augsburger mit ihrer oft biederen Art des Fußballs aber weiterhin nicht auslösen. Das soll sich in der anstehenden Spielzeit ändern.
Kapitän Jeffrey Gouweleeuw muss sich auf viele neue Kollegen einstellen
„In den letzten fünf bis zehn Jahren haben wir uns zum Teil nicht aus der Deckung gewagt“, meint FCA-Geschäftsführer Michael Ströll. „Das wollen wir bewusst ablegen.“ Ein Nichtabstieg wäre demzufolge mehr denn je nur das absolute Minimum – die Blickrichtung soll sich drehen. „Wir sind ambitioniert und wollen die Messlatte nach oben schrauben“, sagt Sportdirektor Marinko Jurendic.
Es sind durchaus mutige Ansagen der sportlichen Führungsriege. Schließlich ist es ein runderneuertes Team, das dieser erhöhten Messlatte gegenübersteht. Aktiv wie selten agierten die Schwaben auf dem Transfermarkt, kaum ein Mannschaftsteil blieb unangetastet. So muss Torwart Finn Dahmen seinen Stammplatz nach nur einer passablen, aber keineswegs fehlerfreien Saison wohl wieder räumen. Der Neue zwischen den Pfosten, Kroatiens Nationalkeeper Nediljko Labrovic, 24, zuletzt bei HNK Rijeka, soll vor allem mehr Sicherheit im Strafraumspiel bringen. Zu einem echten Duell um den Platz als Nummer eins kam es nicht: Weite Teile der Vorbereitung verpasste Dahmen nach einer Sprunggelenks-OP, fürs Erste dürfte Labrovic gesetzt sein.
Kapitän Jeffrey Gouweleeuw verbleibt als Säule in der Abwehrreihe. Der Niederländer muss sich allerdings auf jede Menge neuer Kollegen einstellen. Als Linksfuß im Zentrum wird künftig Keven Schlotterbeck verteidigen. Der 27-Jährige kommt aus Freiburg und half zuletzt dem VfL Bochum als Leihspieler zum Last-Minute-Klassenverbleib in der Relegation. Neben robustem und zuweilen riskantem Abwehrspiel bringt Schlotterbeck Torgefahr mit, sein Kopfballtreffer sicherte den Augsburger 1:0-Testspielsieg bei Leicester City. Auch die Außenverteidigerpositionen sind mit dem Griechen Dimitrios Giannoulis (28, Norwich City) und dem früheren Nationalspieler Marius Wolf (29, Borussia Dortmund) neu besetzt.
Demirovics Abgang wiegt schwer – auch Uduokhai und Vargas dürften noch gehen
Auch im Angriff blieb kein Stein auf dem anderen. Die Augsburger zogen Samuel Essende (26, FC Vizela) und Steve Mounié (29, Stade Brest) an Land. Die Nationalspieler der Demokratischen Republik Kongo und von Benin bringen viel Körperlichkeit, aber eben keinerlei Bundesligaerfahrung mit. Dass der Anlauf holprig werden könnte, hat die Vorbereitung gezeigt: Einzig Essende gelang ein Törchen beim 1:2 gegen den südafrikanischen Verein TS Galaxy FC.
Knapp 15 Millionen Euro soll der FCA bislang in neues Personal investiert haben. Die vielen Transfers waren aber auch nötig, weil eine Reihe arrivierter Stammkräfte ihren Weggang vollzogen oder zumindest vorbereitet haben. An vorderster Stelle zu nennen: Ermedin Demirovic, der nun das Trikot des VfB Stuttgart trägt. Mit 15 Tore und zehn Vorlagen war der Bosnier Garant für einen weitgehend entspannten Saisonverlauf. Sein Wechsel spült zwar mehr als 20 Millionen Euro in die Kassen, sportlich wiegt der Verlust dennoch schwer. Linksverteidiger Iago ging nach Vertragsende ablösefrei zurück in seine Heimat Brasilien. Außerdem haben Innenverteidiger Felix Uduokhai und Flügelstürmer Ruben Vargas ihren Wechselwunsch hinterlegt. Beim enttäuschenden 1:3 im letzten Testspiel gegen Marseille saßen beide 90 Minuten auf der Bank.
Mission DFB-Pokal: Bloß nicht starten wie im letzten Jahr
Es ist der erste volle Transfersommer, den Sportdirektor Jurendic verantwortet, und er scheint gewillt zu sein, dem Team in Abstimmung mit Trainer Thorup eine eigene Handschrift zu geben. Die Mehrheit der finalen Einkäufe von Vorgänger Stefan Reuter haben in Augsburg nicht gezündet. So ist auch die Rochade in der zweiten Reihe beachtlich. Trotz einer wechselhaften Vorbereitung gibt sich die sportliche Führung optimistisch: „Die Grundstimmungslage rund um den Klub könnte nicht viel positiver sein“, findet Geschäftsführer Ströll. Der FCA will weg vom Graue-Maus-Image. Oder wie es Ströll schon jetzt formuliert: „Wir sind wieder sexy.“ Limits für die kommende Saison wolle man sich keine setzen.
Für den Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal geht es am Sonntag zum Nordost-Regionalligisten FC Viktoria Berlin (13 Uhr). Ein Erstrundenaus wie im vergangenen Jahr würde die Euphorie selbstredend arg einbremsen. Am Samstag darauf empfangen die Schwaben zum Ligaauftakt Werder Bremen. Die nächsten Wochen könnten bereits eine Ahnung davon geben, mit wie viel Lob diese neu zusammengestellte Augsburger Mannschaft am Saisonende rechnen kann.