Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Der Substanz-Verlust macht Dortmund kleinlaut

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Nach Mkhitaryan, Hummels, Gündoğan und Dembélé nun auch noch Aubameyang: Was der Borussia auf dem Transfermarkt widerfahren ist, gleicht einer Deklassierung. Die Tabellenspitze ist weit weg.

Kommentar von Philipp Selldorf

Anfang der Woche sollte Uli Hoeneß erklären, wie es an der Spitze der Bundesliga wieder spannend werden könnte. Zuerst hat sich der Präsident des FC Bayern geziert. Er wolle nicht arrogant erscheinen, sagte er, aber dann hat er doch ein paar gute Tipps gegeben.

Den Kollegen in Leipzig riet er, mehr Geld von Investor Dietrich Mateschitz zu vereinnahmen und sich von dem Dogma zu trennen, vornehmlich Spieler im Teenager-Alter anzuschaffen. Die Schalker ermahnte er, sie sollten sich halt einfach ein paar Mal für die Champions League qualifizieren. Und den Dortmunder Borussen empfahl Hoeneß - gar nichts. Weil dort gar kein neues Rezept gebraucht werde. Betriebsstörungen, wie sie jüngst bei den Transfers von Ousmane Dembélé und Pierre-Emerick Aubameyang auftraten, werde es ja nicht alle Jahre geben, und wenn im Klub wieder Ruhe eingekehrt sei, dann werde der BVB "schnell wieder ein ernster Herausforderer sein".

Was sagt Hans-Joachim Watzke zu dieser generösen Einschätzung? Vor wenigen Jahren genügte ein einziges Wort aus München, damit aus Dortmund das Widerwort folgte, die Spitzenvertreter der beiden Marktführer lieferten sich leidenschaftliche Kontroversen. Doch der Kampf der Häuptlinge um die Vorherrschaft ist lange vorbei. Watzke ist leise geworden in letzter Zeit, man könnte auch meinen: kleinlaut. Aus der Rolle als Vordenker der Liga hat er sich verabschiedet.

Dass die Münchner und Dortmunder Bosse nicht mehr miteinander streiten, beruht auf Fortschritt, sie kommen besser miteinander aus. Aber es liegt auch daran, dass ihre Firmen nicht mehr auf vergleichbarem Niveau konkurrieren. Der BVB ist sportlich zurückgefallen, weil er substanzielle Verluste erlitten hat, die er nicht mehr auszugleichen vermag. Wenn die Borussen an diesem Freitag beim Tabellenletzten in Köln antreten, dann weiß man gar nicht, wer der Favorit ist. Aus der Punktebilanz der beiden Trainer, die in ihren Klubs nahezu synchron debütierten, lässt sich der gewohnte Unterschied nicht ableiten: Kölns Stefan Ruthenbeck holte zehn, Dortmunds Peter Stöger neun Punkte.

Nur Hilfe von der Ersatzbank des FC Chelsea

Stöger hat vor seiner Rückkehr nach Köln - bei der er mit Applaus von allen Seiten rechnen darf - Erleichterung darüber geäußert, dass die Transferperiode vorbei und der Torjäger Aubameyang endlich weg ist. Den Ersatzmann, den ihm der BVB besorgt hat, hat der stets loyale Trainer mit allerlei Komplimenten ausgestattet. Aber das wäre ja auch eine seltsame Sache, wenn Stöger sich beschwert hätte, dass er von diesem Michy Batshuayi im Leben noch nie gehört habe - und wie jemand glauben könne, die Torfabrik Aubameyang ließe sich durch einen Leiharbeiter von der Ersatzbank des FC Chelsea ersetzen?

Der Börsenklub BVB hat sehr viel Geld verdient, als ihm im Laufe von anderthalb Jahren seine renommiertesten Leute abhandenkamen - außer Aubameyang und Dembélé auch Mats Hummels, İlkay Gündoğan und Henrikh Mkhitaryan. Aber die Aktionäre sind über die rentablen Transaktionen nicht froh. Die Vereinsführung war damit überfordert, die Qualitätsverluste auszugleichen, sie investierte in junge Spieler mit Zukunft, die in der Gegenwart noch viel lernen müssen, und in Spieler wie Mario Götze und André Schürrle, die mehr Vergangenheit als Zukunft zu haben scheinen.

Nebenbei vergrößerte man die Improvisationsnot, indem man wichtige Teamarbeiter wie Sven Bender und Matthias Ginter gehen ließ. Und wie für den Erfolgstrainer Thomas Tuchel, so gab es auch kein Halten für den vom FC Arsenal abgeworbenen Zielfahnder Sven Mislintat, der am Dortmunder Aufschwung seit 2008 wichtigen Anteil hatte. All die Jahre hatte er, wie es ein Kollege des ehemaligen BVB-Chefscouts schildert, den Trainern Klopp und Tuchel das bestmögliche Personal für das jeweilige Budget geliefert. Aber jetzt saß Mislintat an der Seite der Repräsentanten des FC Arsenal, um mit Watzke & Co. den Aubameyang-Transfer nach London abzuwickeln.

Was der stolzen Borussia widerfahren ist, gleicht einer Deklassierung. Die nächste Annäherung an die Tabellenspitze ist gedanklich weit weg. Am Freitag in Köln müssen die Dortmunder erst mal dafür sorgen, nicht bald in die nächste Trainerdebatte getrieben zu werden.

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Quelle:
SZ vom 02.02.2018
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