Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Der Stoff für Kölner Albträume

Von Philipp Selldorf, Köln

Ein Meilenstein stand in Aussicht, als der 1. FC Köln am Sonntagnachmittag gegen den VfB Stuttgart antrat. Seit dem dritten Spieltag besetzt der Traditionsklub den letzten Tabellenplatz der Bundesliga, und für eine sehr lange Zeit hatte es so ausgesehen, als würden die Kölner diesen trostlosen Ort bis zum Ende der Saison auch nicht mehr verlassen. Aber nach dem nächsten Stolpern des Schicksalsgenossen Hamburger SV winkte jetzt im Keller zumindest die symbolische Befreiung.

Die Hälfte der Partie durften die stark aufspielenden Kölner auch an die Wende glauben, dann riss sie aus heiterem Himmel ein Doppelschlag von Mario Gomez aus ihren Träumen von der späten Rettung in einer seuchenhaften Saison. Am Ende stand eine unglückliche 2:3-Niederlage, die der Hoffnung auf den Klassenerhalt nicht mehr viel Raum lässt. Die Kölner gaben wieder mal alles, was sie konnten, und sie enttäuschten ihr geduldig ausharrendes Publikum nicht, aber sie mussten ein weiteres Mal die Erfahrung machen, in dieser Saison ein tragisches Schicksal gepachtet zu haben.

"Es tut weh", sagte der Kölner Trainer Stefan Ruthenbeck nach dem Spiel, eine Kapitulation aber wies er zurück: "Wir geben nicht auf. So einen Ballbesitz- und Kombinationsfußball als Tabellenletzter zu spielen, ist nicht normal. Diese Art und Weise macht mir Mut."

Stürmer-Routinier Claudio Pizarro, 39, hatte bisher bei Köln noch nicht die Taten vollbracht, die man sich von ihm erhofft hatte. Zwar gab er neulich im Rosenmontagszug auf dem FC-Doppeldecker eine hervorragende Figur ab, aber ein Tor blieb dem Torjäger bisher verwehrt, sein später Treffer gegen Hannover vor zwei Wochen durfte nicht länger als eine Minute das vermeintlich siegbringende 2:1 darstellen - dann kam mal wieder, wie so oft bei den Kölnern in dieser Saison, der Videobeweis dazwischen. Tor annulliert. Gegen den VfB Stuttgart gehörte Pizarro überraschend der Startelf an, und das sollte sich zügig als gute Idee Ruthenbecks herausstellen. Schon in der siebten Minute versenkte der peruanische Altmeister den von Yuya Osako servierten Ball zur 1:0-Führung in der langen Ecke.

Mario Gomez ist der Nutznießer der Kölner Fehler

Es war der gewünschte Einstieg in ein Spiel, das die Kölner trotz der großen Bedeutung in aller Ruhe und Ordnung angingen. Während der VfB im Spielaufbau einen Fehler an den anderen reihte (woran Holger Badstuber im defensiven Mittelfeld einen auffallenden Anteil hatte), beherrschten die Kölner mit schnellen Kombinationen das Geschehen. Vincent Koziello, Jonas Hector und Osako waren dabei die treibenden Kräfte.

An Chancen zum 2:0 mangelte es nicht, die beste vergab Simon Terodde, als er freistehend das Tor verfehlte (30.). Dem VfB fiel bis dahin zwar wenig Produktives ein, ein gefährlicher Warnschuss von Erik Thommy (27.) erinnerte den FC jedoch daran, dass sein Vorteil ein dünner war. In der 37. Minute aber jubelte das Stadion - doch wieder mal voreilig: Osakos Tor zählte nicht, VfB-Schlussmann Zieler hatte bereits die Hand auf den Ball gelegt, bevor ihn Koziello wegspitzelte. Wieder entschieden die Videobilder gegen Köln.

So knapp die Kölner Führung immer noch war, so folgerichtig sah sie aus. Der FC spielte nicht wie ein Abstiegskandidat und dominierte klar. Und dann kam die Schlussphase vor der Pause, von der die FC-Fans noch wohl noch lange albträumen werden. Erst besorgte Mario Gomez trocken den Ausgleich, nachdem Marco Höger einen gewonnen Ball an der Eckfahne wieder hergegeben hatte; und im nächsten Akt beging der Kölner Anti-Abstiegs-Vorkämpfer und Torwart Timo Horn einen grotesken Fehler, als er Gomez' harmlosen Schuss ins Tor rutschen ließ. So stand es statt 2:0 oder 3:0 auf einmal 1:2.

Der Versuch, sich ein weiteres Mal aufzubäumen, glückte Köln nicht mehr. Mit der Führung im Rücken wirkten die Stuttgarter nun viel stabiler, auch die umformierte und durch Badstuber verstärkte Deckung machte nun einen soliden Eindruck. Prompt mussten die verzweifelt bemühten Kölner den nächsten Schock hinnehmen, als Andreas Beck - normalerweise nicht die personifizierte Torgefahr - mit einem Flachschuss das 1:3 erzielte (58.).

Der Vorsprung veranlasste den VfB zum geordneten Rückzug, Koziello hatte zwar noch die Chance zum schnellen Anschlusstor (60.), doch Zieler parierte glänzend. Zur Kölner Aufholjagd ließ es der VfB danach nicht mehr kommen, er verteidigte weitgehend souverän. Das Freistoßtor des eingewechselten Milos Jojic kam zu spät (87.).

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3891936
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.03.2018/tbr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.