Bundesliga:Der Knacks der Saison

DFB Cup Second Round - RB Leipzig v Bayern Munich

Von Vidal gefällt: Emil Forsberg wird gefoult, Schiedsrichter Felix Zwayer gibt erst Elfmeter und nimmt ihn dann nach Rücksprache mit seinem Assistenten zurück.

(Foto: REUTERS)

Die Elfmeter-Entscheidung in Leipzig setzte den Impuls für die Rückkehr des FC Bayern. Manchmal kann sich die Dramaturgie einer Spielzeit an nur einer Szene entscheiden.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Wenn diese Saison einmal zu Ende ist, wird man immer noch über die Schiedsrichter reden müssen. Über die Tatsache, was da so alles schief lief - ob mit Videobeweis (Bundesliga) oder ohne (DFB-Pokal). Darüber, dass dieser Berufsstand schlecht vorbereitet war auf eine technische Revolution, die er selbst angezettelt hatte. Und dass in der Kombination aus Heimlichtuerei und Schlamperei der eigene Qualitätsmaßstab gebrochen wurde: dass nämlich nur jener Schiedsrichter gut ist, den man kaum wahrnimmt, von dem nach dem Schlusspfiff nicht mehr die Rede sein muss.

Am Ende dieser Saison wird dies anders sein, zumindest, wenn sie verläuft, wie es die Statistik erwarten lässt. Binnen nur eines Monats unter Jupp Heynckes gibt es nach der Machtdemonstration von Dortmund fast keine Argumente mehr gegen einen sechsten Münchner Titel in Serie. Nicht bei dieser Zahl: Die letzte Bundesliga-Niederlage von Heynckes ist 30 Spiele her. Der Mann weiß halt, wie sich ein Vorsprung, ist er erst mal erstritten, souverän verwalten lässt.

Doch was heute wie eine freie Autobahn zu Meistertitel Nummer 28 wirkt, erschien vor wenigen Tagen noch als Holperpiste. Über die Münchner hatte sich bereits das komplette Krisen-Vokabular des Fußballs ergossen, ehe es dann am 25. Oktober im Pokal in Leipzig zu jener Elfmeter-Szene kam, die tief im Gedächtnis dieser Saison verhaftet bleiben wird. Zu dieser einen, wegweisenden Szene, in der sich die Dramaturgie eines ganzen Spieljahres verdichten kann.

Man nimmt solche Psycho-Schwellen sonst eher in singulären Spielen wahr. Das legendäre Wembley-Tor der WM 1966 war so eine Schwelle, nach dessen fälschlicher Anerkennung verloren die Deutschen im Finale gegen England den Faden. Ähnliche Wirkung hatte jene Szene aus dem DFB-Pokalfinale 2014, in dem Mats Hummels, damals noch für Dortmund aktiv, ein klares Tor verweigert wurde. Die Szene bewirkte zweierlei: Sie ebnete dem FC Bayern den Weg zum Triumph, und als Konsequenz daraus wurde die Torlinientechnik eingeführt. Denkwürdig auch jener immer wieder zitierte Elfmeter, den Thomas Müller im Champions-League-Halbfinale 2016 gegen Atlético Madrid vergab - es wäre das 2:0 und wohl die Fahrkarte ins Endspiel gewesen. Doch nach Müllers Fehlschuss hatte die gesamte Elf des FC Bayern schlagartig einen Knacks.

Ein einziger Pfiff (besser: die Korrektur eines solchen) hat nun im Oktober in Leipzig nicht nur das Pokalspiel, er hat die ganze Saison in neue Bahnen gelenkt. Es war wie beim Boxen: Entfesselte Hausherren hatten die Bayern fast am Boden, jedenfalls hingen sie in den Seilen. Da pfiff Felix Zwayer jenen Elfmeter für Leipzig, den er auf Empfehlung seines Linienrichters rätselhafterweise zurücknahm. Die Folgen hingegen sind öffentlich: Aufgeplustert mit frischem Mia-san-mia-Adrenalin versetzten die Bayern erst den irritierten Leipzigern und nun den Dortmundern, also ihren einzig denkbaren Verfolgern, den Knockout. Ein einziger Pfiff setzte den Impuls, dass aus kleinen Bayern wieder furchterregend große Bayern werden konnten.

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