Vielleicht gibt es ja wirklich Menschen, die sich vornehmen, jedes einzelne Fußballspiel zu schauen. Alle kann man ohne mehrere Bildschirme in einem Raum tatsächlich nicht angucken, weil (noch) einige Spiele gleichzeitig angesetzt sind. Aber im höchstklassigen Klubfußball, sagen wir, Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League, hat man theoretisch in einem Jahr 306 Spiele (Bundesliga), 63 Spiele (DFB-Pokal) und 125 Spiele (Champions League) zur Auswahl. In der ARD und im ZDF werden von diesen 494 möglichen Spielen noch ganze 13 regulär ausgestrahlt. Zehn DFB-Pokalspiele, die Bundesliga-Auftaktbegegnungen der Hin- und Rückrunde und das Freitagsspiel des 17. Spieltages.
Wer Livefußball darüber hinaus schauen mag, der muss Geld bezahlen, und zumindest das ist ab dieser Woche einfacher geworden, wenn man so will. Zumindest braucht man nur noch zwei verschiedene Abos statt drei. Der Streamingdienst Dazn hat die Bundesliga-Liverechte vom Sender Eurosport erworben und teilt sich nun das Privileg, Klubfußball in voller Länge zu senden, mit dem Pay-TV-Sender Sky. Nach dem Ende der Champions League im ZDF ist das die nächste große Umwälzung im Milliardenmarkt der Fußballübertragung.
Fußball-Übertragung:Dazn übernimmt Bundesliga-Rechte von Eurosport
Erstmals wird der kostenpflichtige Streaming-Dienst Bundesliga-Spiele live zeigen. Fußballfans brauchen künftig trotzdem zwei Abos, wenn sie alle Spiele sehen wollen.
Auch im Fußball gewinnt das Streaming-Modell an Popularität
Der Coup von Dazn hat viele Facetten. Zum einen beweist er, wie ernst es der Marke ist, sich als Livesport-Zentrale zu etablieren. Hinter Dazn steckt die Perform Group, eine Firma des sowjetischstämmigen US-Amerikaners Leonard Blavatnik, einer der hundert reichsten Menschen der Welt. Mit diesem Kapital kann Dazn Kampfpreise anbieten und auf dem Markt deutlich günstiger agieren als Konkurrent Sky. Gleichzeitig versteht es die Firma wirklich gut, die sogenannte junge Zielgruppe anzusprechen.
Deren Medienalltag ist von Diensten wie Netflix und Spotify geprägt, wo man für ungefähr zehn Euro im Monat mehr Filme, Serien oder Musik bekommt, als man konsumieren kann. Ähnliche Maßstäbe legt diese Generation an Livesport oder für Spielhighlights an. Dazn will genau diese Klientel bedienen, was man unter anderem daran merkt, dass es immer noch keinen Fernsehsender Dazn gibt. Die Streaming-Altersklasse schaut eh nicht mehr nach Sendeplan. Auch die Art der Berichterstattung ist auf Nutzer ausgelegt, die sich zielgerichtet und konzentriert mit Sport beschäftigen wollen, während Sky zunehmend die Boulevard-schiene bedient.
Ob Dazn damit erfolgreich ist, weiß man nicht, weil das Unternehmen keine Zahlen veröffentlicht. Aber der Vergleich mit der ARD-"Sportschau" zeigt, dass sich etwas fundamental bewegt. Eines der traditionellsten Formate Deutschlands erreicht jeden Samstag um 18.30 Uhr seit Jahr und Tag konstant mehr als fünf Millionen Zuschauer, aber der Marktanteil der Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren sinkt. 2013 lag der Anteil noch oft über 20 Prozent, in der abgelaufenen Saison schafften nur drei Spieltage diesen Wert. Im vergangenen Jahr verkündete zudem das Beratungsunternehmen Ebiquity, dass deswegen die Werbeeinnahmen der "Sportschau" "dramatisch" einbrechen.
Jahrelang hatte es Pay-TV in Deutschland auch deswegen so schwer, weil der Deutsche einfach seiner geliebten Sportschau treu blieb, statt zusätzlich Geld zu zahlen. Aber in einer Medienzeit, in der Inhalte zunehmend zu jedem Zeitpunkt verfügbar sind, hat es auch dieses Fernseh-Schlachtschiff schwer. Selbst wem Livefußball egal ist und wer nur Tore sehen will, hat am Bundesliga-Wochenende ohne Pay-Abo nur zu zwei Zeitpunkten die Chance dazu. Wenn die "Sportschau" oder das ZDF-"Sportstudio" sie ausstrahlen. Wer die verpasst, hat Pech gehabt. Online-Rechte hat keine der beiden Sendungen.