Bundesliga:Das Wolfsburger Problem: Fußballspielen

TSG 1899 Hoffenheim v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Kurz vorm Relegationsplatz: Der VfL Wolfsburg verliert deutlich gegen Hoffenheim.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der VfL Wolfsburg verliert gegen Hoffenheim und hält sich in der Tabelle knapp über dem Relegationsplatz.
  • Trainer Bruno Labbadia wirkt schon nach drei Spielen im Amt gealtert.
  • Er sagt unter anderem: "Das Problem dieser Mannschaft ist, dass viele Spieler über das Fußballspielen kommen."

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Nach seinem Debüt als Trainer des VfL Wolfsburg vor zwei Wochen in Mainz analysierte Bruno Labbadia: "Wir dürfen jetzt nicht rumspinnen, ich unterschätze die Situation nicht. Ich weiß, dass wir keine Mannschaft für den Abstiegskampf haben. Wir müssen mehr dagegenhalten. Das müssen wir hinbekommen, obwohl wir nicht die Spielertypen dafür haben." Nach 16 Monaten Pause wirkte Labbadia nach dem 1:1 noch optimistisch und frisch.

Aber 14 Tage beim VfL Wolfsburg zehren an Kräften und Seele. Bei seinem Heimdebüt verlor Labbadias Mannschaft in der Vorwoche dann 1:2 gegen Leverkusen, der Trainer wurde sogar von VfL-Fans verhöhnt. Und am Samstagabend, nach dem bitteren 0:3 bei der TSG Hoffenheim, wirkte Labbadia schon gealtert, obwohl er gerade mal drei Wochenenden dabei ist. Statt Aufbruchsstimmung herrscht auch unter Lababdia Angst vor dem Absturz.

"Ruhe bewahren" will Labbadia und "klar bleiben"

Die wenigen mitgereisten Fans hängten in Hoffenheim schon zehn Minuten vor dem Abpfiff ihre Banner ab, danach warteten sie nach dem Abpfiff, bis sich Spieler und Trainer zu ihnen in die Kurve aufmachten - um diesen dann den Rücken zuzukehren und das Stadion zu verlassen. Der VfL Wolfsburg kommt auch unter Labbadia nicht aus dem Tabellenkeller. Und der schwache Aufritt in Hoffenheim bestätigte die Einschätzung des Trainers zum Amtsantritt in Mainz, nun erklärte er: "Wenn man über das Fußballspielen kommt, verliert man eher das Selbstvertrauen, als wenn man über das Zweikampfverhalten kommt. Das Problem dieser Mannschaft ist, dass viele Spieler über das Fußballspielen kommen, da kann man jetzt nicht anfangen rumzugrätschen."

Also was tun? "Ruhe bewahren" will Labbadia und: "klar bleiben". Wer das Grätschen nicht beherrsche, so der Fußballlehrer, müsse über Ordnung und mannschaftliche Geschlossenheit kommen. Doch in Hoffenheim lieferte die teuer zusammengestellte Mannschaft den Beweis, dass sie ein Rückstand sofort aus der Bahn wirft. Nach ansprechendem Beginn verloren die Wolfsburger nach dem Tor von Nico Schulz (18.) komplett ihre Ordnung und boten dem Gegner Räume wie bei einem Trainingsspiel. Dass es in der ersten Halbzeit nur 0:1 stand, war aus Hoffenheimer Sicht ein schlechter Witz: Gnabry scheiterte an der Latte (32.) und ebenso an VfL-Kapitän Paul Verhaegh, der auf der Linie rettete (34.), wie Andrej Kramaric (33.).

Die letzten 30 Minuten der ersten Halbzeit zeigten eindrücklich, dass der Begriff mannschaftliche Geschlossenheit und der VfL Wolfsburg gerade eher wenig miteinander zu tun haben. Zwar stehen womöglich starke Einzelspieler auf dem Platz - aber keine Mannschaft. Er habe mit sich gekämpft, aber dann doch eine "unliebsame Auswechslung" noch vor der Pause getätigt, erzählte Labbadia. Die Leistung von Divock Origi wird von Woche zu Woche schlechter, den vom FC Liverpool ausgeliehenen Belgier holte Labbadia drei Minuten vor der Halbzeit runter - Höchststrafe für einen vermeintlichen Hoffnungsträger.

Die slapstickartige Zuspitzung des bitteren Wolfsburger Auftritts

Die Entscheidung von Sportdirektor Olaf Rebbe, Mario Gomez im Winter zum VfB Stuttgart ziehen zu lassen und auf Origi im Angriff zu setzen, wirkt in diesen Tagen immer absurder. Seltsam äußerte sich Rebbe zur Leistung Origis: "Das war nicht das, was wir mit ihm unter der Woche vereinbart haben", sagte Rebbe, dem ansonsten nur Durchhalteparolen über die Lippen kamen ("Wir müssen schnell die Wunden lecken", und: "Wir brauchen Punkte, das dauert uns allen viel zu lange"). Rebbe will nun "die Dinge hinter verschlossenen Türen ansprechen". In Wolfsburg wirken alle hilflos: der Trainer, die Spieler und der Sportdirektor, der diese Mannschaft zusammengestellt hat.

Es passte zum Wolfsburger Auftritt in Baden, dass der für Origi eingewechselte Josip Brekalo schon in Minute 54 wieder verletzt vom Feld musste (Verdacht auf Gehirnerschütterung.) Dabei brachte der Kroate kurzfristig Belebung ins träge Spiel. Doch nach dem 2:0 des starken Serge Gnabry (77.) war die Partie entschieden. Das dritte Gegentor war dann die slapstickartige Zuspitzung des bitteren Wolfsburger Auftritts: Statt zu klären, schoss Verteidiger Robin Knoche den Kollegen Josuha Guilavogui an - der Ball prallte von dem Franzosen dann ins eigene Tor.

Der einzige Trost für den VfL ist momentan, dass er noch immer wegen des besseren Torverhältnisses gegenüber Mainz 05 auf dem 15. Tabellenrang steht. Auf Relegationsrang 16 beendete Wolfsburg ja die letzte Runde, erst in den Relegationsspielen gegen Braunschweig sicherte der Klub den Klassenerhalt. Nun ist die üppig alimentierte VW-Tochter erneut in derselben vermaledeiten Situation wie vor einem Jahr. Erneut womöglich nur über die Relegation den Klassenverbleib zu sichern, ist ebenso eine reale Gefahr wie das schlechte Abschneiden ein Armutszeugnis für den potenten Klub.

Labbadia gibt sich nach drei Spielen mit nur einem Punkt und wenig hoffnungsvollen Eindrücken keinen Illusionen hin, er sagt: "Wir müssen uns unsere Erfolgserlebnisse hart erarbeiten." Nächste Woche, gegen die Ergebnispragmatiker vom Tabellenzweiten aus Schalke, wird das sehr schwer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: