Bundesliga:Das magische Eineck

Er beantragt kein Hartz IV: Fredi Bobic (vereinslos) wartet darauf, als Retter engagiert zu werden. Notfalls bis zur letzten Minute. Von Christof Kneer

Nachrichtenagenturen können grausam sein. Sie können schlechte Nachrichten partout nicht für sich behalten, und sie melden sie auch noch so erschütternd nüchtern. In dieser Woche teilten die Agenturen lakonisch mit, dass der 1.FC Kaiserslautern den Stürmer Sanogo verpflichtet habe, "als Ersatz für den zu Eintracht Frankfurt gewechselten Stürmer Ioannis Amanatidis". Das sind zwei schlechte Nachrichten in einem Satz, das muss man erst mal schaffen. Fredi Bobic weiß jetzt also, dass er weder in Kaiserslautern noch in Frankfurt eine Sturmplanstelle abbekommt, und seine Trauer sieht so aus, dass er in seinem Sportgeschäft im schwäbischen Winterbach steht und so listig grinst wie nur Fredi Bobic grinsen kann. "Ich habe keinen Zeitdruck", sagt Bobic, "ich kann warten." Das Praktische an Bobic ist ja, dass er sich ein Pokerface nicht extra irgendwo besorgen muss, er hat schon eins. Andere müssten stundenlang üben für diesen Blick, Bobic hat ihn bauartbedingt. "Ich bin mal eine Stunde vor Transferschluss von Dortmund nach Hannover gewechselt", sagt er, und man sieht ihm an, wie gut er die Geschichte findet.

Fredi, wo spielsch näggschde Saison?

Fredi Bobic, 33, ist arbeitslos zurzeit, oder: vereinslos, wie man wohl besser sagen müsste. "Natürlich hat der Fredi sich nicht arbeitslos gemeldet", sagt sein Berater Jürgen Schwab. "Er kann schlecht zum Arbeitsamt rennen und sagen: Hallo, ich hätte gern ein Jobangebot in siebenstelliger Höhe." Bobic ist auch keineswegs ohne Arbeit zurzeit, er trainiert zweimal täglich in der Sportschule Ruit, und zwischendurch steht er in seinem Sportgeschäft und sagt den Leuten, dass sie unbedingt die Turnschuhe brauchen, die er gerade anhat. Manche fragen dann: Fredi, wo spielsch näggschde Saison? Fredi sagt dann: I woiß no net.

Man kann sich längst nicht mehr sicher sein, ob das jetzt eine Nachricht ist, dass Bobic vereinslos ist. Die Nachricht ist eher, dass es ihn überhaupt noch gibt. Doch, Fredi Bobic spielt noch Fußball, zumindest, wenn man ihn lässt. In Berlin, bei Hertha BSC, haben sie ihn nicht mehr gelassen zuletzt, und bis heute beharren beide Parteien darauf, dass der andere schuld war an diesem Missverständnis. Im Klub halten sie Bobic vor, er habe sich am Ende hängen lassen. Bobic wiederum findet es seltsam, dass sie ihn einst extra als Führungskraft angeworben haben, um ihm dann sofort die ersten unbequemen Worte übelzunehmen. Es ist kein Geheimnis, dass es nicht funktioniert hat zwischen ihm und dem "König von Berlin", wie einer aus Bobics Umfeld den Hertha-Manager Dieter Hoeneß nennt. "Wenn man dir dauernd das Gefühl gibt, dass du nicht mehr gebraucht wirst, leidet irgendwann die Motivation", sagt der Berater Schwab.

Der Fürchtet-euch-nicht-Fredi

An der Berliner Episode lässt sich in konzentrierter Form ablesen, dass dieser Bobic bis heute ein Rätsel geblieben ist. Über ein Jahrzehnt begleitet er einen schon, und noch immer weiß keiner, wer Bobic ist. Ist er ein mit Selbstironie begabter Charismatiker, ein Fürchtet-euch-nicht-Fredi, der die Mitspieler gegen Gegner, Schiedsrichter und Medien beschützt? Oder doch ein Querulantenfredi, der eine ganze Mannschaft durcheinander bringen kann? "In Hannover war er eine Führungsfigur, hinter der sich die anderen auch mal verstecken konnten", sagt Ricardo Moar, ehemals Sportdirektor in Hannover und heute in La Coruña tätig. "Aber das funktioniert nur, wenn er spielt und trifft." Dann kann Bobic die perfekte Synthese sein, ein ichbezogener Mannschaftsspieler. Wenn nicht, wendet sich der Führungsanspruch umgehend gegen den Verursacher.

Vielleicht ist es Bobics Pech, dass er in einem Land Fußball spielt, das den Führungsspieler verherrlicht. Das Land will Effenbergs haben, und irgendwann saß Bobic in der Effenberg-Falle und hat es nicht gemerkt. "Ich habe das Führungsspieler-Image oft bewusst bedient, aber es hat mir nicht immer genutzt", sagt Bobic. Irgendwann war es so weit, dass sie ihn nur noch als Typen besetzt haben, nicht mehr als Fußballer. Bei Hertha haben sie ihn hymnisch als Charakterkopf begrüßt und vor lauter Begeisterung vergessen, dem Fußballer Bobic gerecht zu werden. Hertha hat keine Flügelspieler, Hertha flankt nicht, aber was der Fußballer Bobic braucht, sind Flügelspieler und Flanken. So kommt es, dass auch der Fußballer Bobic ein Geheimnis geblieben ist. Er war ein prächtiger Kombinationsstürmer, damals beim VfB Stuttgart, als er gemeinsam mit Giovane Elber und Krassimir Balakow Das magische Dreieck war. Heute gilt er als reiner Spezialist, als Ein-Kontakt-Straufraumspieler, der aus den unmöglichsten Winkeln die herrlichsten Volleytore zustandebringt, aber jedem Torwart zielsicher ans Knie schießt, sobald er alleine auf ihn zuläuft.

Bobic als magisches Eineck

Eine Weile sah es aus, als könnte hier einer in eine große Karriere aufbrechen, aber ungewollt hat sich Bobic zu einem Experten für kleine Welten entwickelt. Er hat Stuttgart, Dortmund, Bolton, Hannover und Berlin mit seinen Toren vor dem Abstieg gerettet, und so ist eine Art fahrender Klassenerhaltshändler aus ihm geworden. Er ist jetzt ein Krisenhelfer, ein schneller Eingreiffredi. Er ist ein magisches Eineck. "Im Abstiegskampf ist der Druck noch größer als an der Spitze", sagt Bobic, "da geht es um Existenzen." Da, das will er damit sagen, ist einer wie er genau richtig. Der Typ Bobic hat seine Bestimmung gefunden, aber seiner Karriere hat das eher geschadet. "Durch die häufigen Wechsel hatte ich nie die Chance, mich mit einem Sturmpartner einzuspielen, so wie beim VfB."

Vermutlich wird Bobic demnächst wieder irgendwo als Retter engagiert, aber das kann noch dauern. "Eigentlich wäre ich ja blöd, wenn ich Fredi jetzt auf den Markt werfe", sagt Berater Schwab, "bis Ende August ist der Transfermarkt offen. Ab September dürfen dann nur noch vereinslose Spieler wechseln, und wenn sich dann irgendwo ein Stürmer verletzt oder ein Team nicht trifft, ist Fredi der einzige verfügbare starke Stürmer in Europa." So war das zwar nicht gedacht mit der europäischen Karriere, aber es hilft ja nichts.

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