Bundesliga:Leuchtraketen versauen den Derbysieg

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Darmstadts Immanuel Höhn bejubelt den Derbysieg gegen Frankfurt - doch auf den Tribünen gibt es hässliche Szenen. (Foto: dpa)

Durch einen "Schweineball" gewinnt Darmstadt 98 gegen Eintracht Frankfurt. Die hässlichen Szenen im Fanblock lassen für künftige Aufeinandertreffen Schlimmes befürchten.

Von Tobias Schächter, Darmstadt

Als Norbert Meier, der Trainer von Darmstadt 98, zehn Minuten vor dem Abpfiff der regulären Spielzeit Sandro Sirigu für Änis Ben-Hatira einwechselte, brachte er einen defensiven für einen offensiven Spieler. Es stand immer noch 0:0 in einem notorisch ereignislosen Hessen-Derby gegen Eintracht Frankfurt, die Darmstädter hatten bis dahin nicht ein einziges Mal aufs Tor geschossen. Dann aber wollte der eingewechselte Sirigu in der 90. Minute noch eine Flanke in den Frankfurter Strafraum schlagen, der Ball aber flog statt in den Fünfmeterraum in hohem Bogen über den verblüfften Torwart Lukas Hradecky hinweg in den entfernten Torwinkel. Plötzlich stand es 1:0 für Darmstadt.

Dass dies bis zum Schluss auch so blieb, konnten die Frankfurter hinterher kaum fassen. "Für so ein Spiel darf man nicht belohnt werden", haderte Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner über den defensiven Gegner und gab zu: "Das war ein Nackenschlag für uns".

"Wenn man nicht gewinnen kann, darf man wenigstens nicht verlieren."

Auch Frankfurts Trainer Niko Kovac war sichtlich enttäuscht und vor allem deshalb "sehr verärgert", weil sein verspielter Mittelfeldspieler Mijat Gacinovic den Ball vor dem 0:1 "belanglos verloren" und anschließend kein taktisches Foul gemacht hatte. Seine Elf habe ein Spiel verloren, das sie nie hätte verlieren dürfen, meinte Kovac und klagte: "Wenn man nicht gewinnen kann, dann darf man wenigstens nicht verlieren."

Genau dies hatte sich Kollege Meier bei der Einwechslung Sirigus gedacht, einem Abwehrspieler, der in der vergangenen Saison nur sechs Mal zum Einsatz gekommen war. Nun aber war dieser Sirigu nach seinem "Schweineball" (Meier) der Matchwinner und witzelte augenzwinkernd: "Den Ball wollte ich reinmachen."

So verständlich die Klagen der Frankfurter auch waren - dass sie sich den überraschenden Startsieg gegen den FC Schalke "nicht vergoldeten" (Hübner), lag auch an ihrer schwachen Leistung. "Das war ganz langweilig zu schauen von hinten - das war keine Bundesliga heute", stellte Torwart Hradecky klar. Zwar hatten die Frankfurter 76 Prozent Ballbesitz, aber keine Ideen und bei den wenigen Chancen ließen sie die nötige Effizienz vermissen (39. Meier, 41. Hrgota, 78. Huszti).

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Dieses antiseptische Fußballspiel zeigte vor allem eines: Die zwei besten Fußballklubs in Hessen befinden sich nach vielen Zu-und Abgängen im Sommer noch deutlich in der Findungsphase. Die Darmstädter konnten sich wenigstens darüber freuen, dass sich ein Gegner mal wieder so richtig über sie ärgern muss. Und für Norbert Meier waren es die ersten drei Punkte am Böllenfalltor, sein Vorgänger Dirk Schuster sieht ja nun in Augsburg nach zwei Aufstiegen und dem Klassenerhalt in Darmstadt in Augsburg bessere Perspektiven.

Die Lilien haben immer noch den kleinsten Etat und das kleinste Stadion - aber vielleicht sollte man sie wieder nicht unterschätzen. "Der Sieg gibt uns Mut für die nächsten Wochen", glaubt der neue Mittelstürmer Sven Schipplock.

In Darmstadt ist die entscheidende Frage, ob sie aus ihrer Underdog-Rolle noch einmal so einen heiteren Trotz entwickeln können, der zum Klassenerhalt trägt. Gegen Frankfurt sah zwar schon vieles besser aus als bei der schmeichelhaften 0:2-Auftaktniederlage in Köln. Aber Trainer Meier weiß, dass Glücksschüsse und Schweinebälle nicht immer helfen, spielerische Armut zu übertünchen. Und es kommen auch schwerere Gegner als diese Eintracht, die erst noch beweisen muss, ob sie mit diesem Kader aus Zugängen aus vielen Ländern tatsächlich besser sein kann als in der vergangenen Saison, als der Klassenerhalt erst in den Relegationsspielen gegen Nürnberg gelang.

Dass ausgerechnet Darmstädter Fans den Tag dann noch versauten, ist eine böse Pointe. Zum ersten Mal fand ja ein Spiel im Jonathan-Heimes-Stadion statt. Das Unternehmen Merck hatte dafür auf seine Namensrechte verzichtet, Jonathan Heimes, ein junger Lilien- Fan, hat am Ende seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Die Mannschaft hatte das miterlebt und den Kampf von Heimes sich als Beispiel genommen.

"Heute ist die Saat gelegt worden fürs Rückspiel"

Schon vor dem Anpfiff aber flog aus einem Darmstädter Block eine Leuchtrakete in den Frankfurter Fan-Block, das wiederholte sich zwei Mal nach dem Führungstor der Lilien. Die Eintracht-Fans kletterten auf den Zaun, die Polizei musste die Szenerie beruhigen. Zudem wurde zwei Mal im Darmstädter Block Pyrotechnik gezündet, die Zündler aber identifiziert.

Darmstadts Präsident Klaus-Rüdiger Fritsch klagte über Fans, die den Fußball missbrauchen. Und Eintracht-Vorstand Axel Hellmann sagte: "Heute ist die Saat gelegt worden fürs Rückspiel." Ob diese Aussage deeskalierend ist, ist allerdings auch fraglich.

© SZ vom 11.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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