Bundesliga:Wenn Fußballfans abschalten

Bundesliga: Spiel zwischen Werder Bremen und Bayern München

Thomas Müller - als er im leeren Stadion Meister wird

(Foto: REUTERS)

Die Bundesliga fortzusetzen war ein gewagtes, aber geglücktes Experiment. Der Fußball muss sich aber überlegen, wie er die Massen nach Corona wieder mobilisieren kann.

Kommentar von Philipp Selldorf

Dem Bestreben des deutschen Profifußballs, künftig wieder bodenständiger und wahrhaftiger zu werden, hat der Zweitligameister Arminia Bielefeld mit seiner stilechten Feier zum Aufstieg in die Oberklasse prompt entsprochen. Nach dem 4:0-Sieg in Dresden versammelte sich die Mannschaft ratschend und tratschend am Rasenrand um einen Kasten Bier - ein Bild wie aus der Bezirksliga, es fehlten nur noch der Zigarettenqualm und der Nachschub von der Tankstelle. Und auch der FC Bayern fiel anderntags in Bremen angenehm auf, als er seinen nächsten Titelgewinn - den achten nacheinander - nicht mit einer inszenierten Weißbierduschorgie beging. Dieses längst affektiert wirkende Ritual hat niemand vermisst. Die ehrliche Freude der Spieler genügt vollkommen.

Dem FC Bayern ist es nicht vorzuwerfen, dass er seit der Wiedereröffnung der Bundesliga so unerbittlich wie unaufhaltsam auf sein übliches Ziel zumarschiert ist. Die Münchner haben nicht nur die beste Mannschaft der Bundesliga, sie machen auch das Beste daraus. Allerdings haben sie dem Unternehmen Geisterspielbetrieb keinen Gefallen getan. Spannung im Titelwettstreit hätte das Notprogramm in den leeren Stadien aufgewertet. Wenn nun in der eigens gegründeten Sonderkommission darüber nachgedacht wird, was die Liga zum Gefallen der Fans besser machen könnte, dann gehört dazu auch die Überlegung, wie der Wettbewerb wieder gerechter und spannender wird. Der Glaube, dass dies unter den geltenden marktwirtschaftlichen Bedingungen gelingen wird, fällt schwer.

Dennoch dürfen die Bundesliga und ihr Dachverband DFL zufrieden sein. Noch ist die Runde nicht ganz beendet, aber es sieht so aus, als ob die Bedenkenträger nicht Recht behalten würden. Vom notorischen Talkshowgast Karl Lauterbach war lange nichts mehr zu hören. Unterstellungen von Politikern und Polizeiführern, die Fußballfans würden sich außerhalb der Stadien bei den Spielen "zusammenrotten" und neue Infektionsketten bilden, erwiesen sich als üble Nachrede. Auch die Anhängerschaft hat dazu beigetragen, dass aus diesem gewagten Unternehmen ein Stück deutscher Qualitätsarbeit wurde. Andere Länder und Ligen haben sich vom deutschen Modell ermutigen und inspirieren lassen.

Ungewiss bleibt, welche Folgen diese Zäsur für die Liga hat. Die Erwartung, das entwöhnte Publikum werde am Fernseher kein Spiel versäumen, erfüllte sich nicht. Der Spartensender Sky verzeichnete den üblichen Zuspruch, die "Sportschau" aber rätselte über einen deutlichen Zuschauerrückgang. Mancher Dauergast scheint sich die Bundesliga abgewöhnt zu haben. Am Sport an sich hat es sicher nicht gelegen. Den Fans, die auf Protestplakaten im Stadion ihren Besitzanspruch am Fußball reklamierten (was die Vereine ehrenwerterweise ermöglichten), setzten die Spieler mit ihrer Freude am Spiel eine durchaus bodenständige Botschaft entgegen: Fußball gehört immer noch den Fußballern, auch wenn sie als Profis Millionen verdienen.

Auf Dauer geht bei dieser entkernten Veranstaltung allerdings der Spaß verloren. Zum großen Fußballtheater gehören das Publikum und die Mobilisierung der Massen, das war schon in den Zeiten des Schalker Kreisels vor bald hundert Jahren so, und das bleibt auch im Digitalzeitalter ein unentbehrlicher Bestandteil seiner Identität und seines Geschäftsmodells.

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