Corona und die Bundesliga:Mit dem Fußball ins Home-Office

Everyday Life In Germany Impacted By Coronavirus Fears

Das Training fällt aus, auch beim Hamburger SV.

(Foto: Getty Images)
  • Der Profifußball in Deutschland befindet sich wegen des Coronavirus im Ausnahmezustand, wie es weitergehen wird, kann noch niemand wissen.
  • Einige Mannschaften sind schon in Quarantäne, Hannovers Timo Hübers quält schon nach vier Tagen die Langeweile.
  • Dass schon in wenigen Tagen oder Wochen weitergespielt werden könnte, halten die ersten Funktionäre für fraglich.

Von Sebastian Fischer

Wie in den kommenden Tagen und Wochen das Leben eines Fußballprofis aussehen kann, das war am Samstag vor dem Stadion am Böllenfalltor zu sehen. Der SV Darmstadt verbreitete Fotos in den sozialen Netzwerken, wie sich die Spieler des Zweitligisten verabschiedeten, um vorerst zu Hause zu trainieren. Der Mittelfeldspieler Victor Palsson trug einen Fußball und zwei Faszienrollen zu seinem Auto über den Parkplatz, andere hatten Medizinbälle oder Matten unter dem Arm und ihre Sporttaschen über der Schulter. "Bis auf Weiteres trainieren alle Spieler mit individuellen Plänen", schrieb der Klub dazu. Und: "#COVID-19".

Der Profifußball in Deutschland befindet sich im Ausnahmezustand, spätestens seit die Deutsche Fußball Liga (DFL) am Freitagnachmittag als letzte der großen Ligen Europas bekanntgegeben hat, den Spielbetrieb zu pausieren - vorerst, so die Empfehlung des DFL-Präsidiums an die Klubs, bis zum 2. April. Wie es längerfristig weitergeht, soll auf der DFL-Mitgliederversammlung am Montag von Vertretern der 36 Bundesliga- und Zweitligaklubs besprochen werden. Schon am Freitag, als die Liga unter großer Kritik der Öffentlichkeit und von Akteuren der Branche noch am Plan mit einem Spieltag ohne Zuschauer festhalten wollte, war von der Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen eines Saisonabbruchs die Rede. Doch zunächst geht es für die Klubs auch darum, den Alltag zu bewältigen.

Am Freitagabend hatte der SC Paderborn als erster Erstligist einen positiven Test auf das Coronavirus in seinem Kader bekanntgegeben: Es handelt sich um den U21-Nationalspieler Luca Kilian, der wegen einer Oberschenkelverletzung seit Mitte Januar nicht mehr zum Einsatz kam. "Er hatte zwei Tage wirklich Probleme, mit Fieber und Schüttelfrost, aber inzwischen geht es ihm besser", sagte Paderborns Manager Martin Przondziono der SZ. "Diese Wucht, die die letzten zwei bis drei Tage in die Sache reingekommen ist, damit konnte keiner rechnen."

"Es ist recht schwer, die Tage rumzubekommen", sagt Hannovers infizierter Profi Timo Hübers

Als Konsequenz aus Kilians Erkrankung stellte Paderborn bis auf Weiteres den Trainingsbetrieb ein und schloss die Geschäftsstelle. 45 Spieler und Mitarbeiter wurden getestet. Wer seit dem 5. März mit Kilian Kontakt hatte, was nach Vereinsangaben Teile der Mannschaft betrifft, muss für 14 Tage in häusliche Quarantäne. Ähnlich ist die Situation bei den Zweitligisten 1. FC Nürnberg, Holstein Kiel und Hannover 96.

Dort gab Timo Hübers, unter der Woche als erster Fußballprofi in Deutschland infiziert, ein Skype-Interview, das der Verein auf seiner Webseite veröffentlichte. Ihm gehe es gut, sagte er, schlimmer sei die Langeweile in Quarantäne: "Bei mir ist es Tag vier von vierzehn - und es ist recht schwer, die Tage rumzubekommen."

Die anderen Klubs reagieren unterschiedlich auf die Situation. Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach trainieren zunächst weiter, Schalke und Frankfurt schickten ihre Spieler ins Home-Office, Union ordnete ein gemeinsames Frühstück an, Werder Bremen gab den Spielern wie viele andere Klubs zwei Tage frei, bis am Montag das weitere Vorgehen besprochen wird. "Ziel ist es weiterhin, die Saison bis zum Sommer zu Ende zu spielen - aus sportlichen Gesichtspunkten, aber insbesondere auch, weil eine vorzeitige Beendigung der Saison für einige Klubs existenzbedrohende Konsequenzen haben könnte", hieß es am Freitag von der DFL.

Die Idee eines Solidarfonds kursiert

Zur etwaigen Fortführung der Saison am 2. April, unter aktuellen Umständen ein kaum vorstellbares Szenario, gibt es erste öffentliche Gegenstimmen. "Unsere Mannschaft trainiert jetzt 14 Tage nicht und hätte dann nur eine Woche, um das nachzuholen. Da wären wir nicht wettbewerbsfähig", sagte Hannovers Mehrheitsgesellschafter Martin Kind dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Kind fordert eine längere Zwangspause für den Spielbetrieb. "Ich plädiere nicht für sofortigen Abbruch. Aber ich bin sicher, dass wir in zwei Wochen noch nicht wieder über Fußball reden werden. Ich gehe auch nicht davon aus, dass wir in vier Wochen wieder spielen. Wir stehen erst am Anfang", sagt Przondziono.

Bei der DFL-Versammlung am Montag in Frankfurt wird es wieder ums Geld gehen

Es kursieren verschiedene Szenarien, wie es weitergehen kann: von der kompletten Annullierung der laufenden Spielzeit bis zur Aufstockung der Bundesliga auf 20 oder 22 Mannschaften. Im Falle einer kompletten Absage der Saison droht der Liga nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein wirtschaftlicher Schaden von rund 750 Millionen Euro. 68 Millionen Euro zahlt allein das Fernsehen pro Spieltag. Ein Versicherungsschutz für die Klubs für entgangene TV-Einnahmen besteht demnach nicht.

"Für Einige könnte es ganz knallhart um eine Insolvenz-Vermeidungsstrategie gehen", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke der SZ schon am Freitag. Er hoffe, dass Klubs Reserven gebildet haben. Ähnlich äußerte sich zuvor Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge. Für sein Geständnis, den Spieltag aus ökonomischen Gründen durchführen zu wollen ("Am Ende des Tages geht es um die Finanzen"), musste er viel Kritik einstecken.

Aber auch wenn gerade die Gesundheit wichtiger sein sollte als das Konto: Irgendwann wird das Geld wieder das bestimmende Thema sein, garantiert schon bei der DFL-Versammlung am Montag in einem Frankfurter Airport Hotel. Der BVB und der FC Bayern sind schuldenfrei - sie dürften weniger zu befürchten haben. Andere Klubs fallen härter. Die Idee eines Solidarfonds unter den Vereinen kursiert, aber die Einführung eines solchen Fonds würde zu weiteren Fragen führen: Wer zahlt wie viel ein, wer bekommt was und werden dann nicht Klubs bestraft, die etwas auf die hohe Kante gelegt haben? Maßnahmen der Politik wären in Zeiten, in denen es anderen Wirtschaftszweigen ähnlich schlecht geht, beim reichen Fußball kaum zu vermitteln.

Helge Leonhardt, Präsident des Zweitligisten Erzgebirge Aue, schlug dagegen in der Sendung "Sport im Osten" vor, dass die Profis ihren Teil zur Lösung beitragen sollten - mit einer Art von Spielern befüllten Rettungsfonds. Bei der Spielergewerkschaft VDV stand dagegen laut Geschäftsführer Ulf Baranowksy am Freitag das Telefon kaum still, weil besorgte Fußballer anriefen. "Der Gesundheitsschutz muss natürlich oben stehen", sagte er der SZ, doch es sei wünschenswert, wenn die Saison zu Ende gespielt werden könne - "wenn es vertretbar ist".

Was auch immer die DFL-Mitgliederversammlung am Montag entscheiden wird, sie tut es in Zeiten großer Unsicherheit. Denn niemand weiß sicher, welche Bedingungen zum Beispiel Ende Mai herrschen. Sehr wahrscheinlich erscheint nur, dass viele Klubs bei der Uefa auf eine Verschiebung der EM ins Jahr 2021 drängen werden.

Das sind die langfristigen Probleme. Kurzfristig müssen viele Fußballer erstmal die nächsten zwei Wochen planen. Zwei Wochen Quarantäne seien für die sportliche Leistung von Profisportlern unproblematisch, sagte Bayer Leverkusens Direktor Medizin, Karl-Heinrich Dittmar, am Samstagabend in der "Sportschau". Erst ab der dritten Woche müsse man sich was überlegen. Und länger kann gerade niemand vorausblicken.

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14-12-2019 / pmk / NB183580 Fussball/Herren Bundesliga Saison 2019/2020 SC Paderborn 07 Martin PRZONDZIONO Geschaeftsfue; Martin Przondziono

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