Süddeutsche Zeitung

Fortsetzung der Bundesliga:Jetzt bitte vernünftig sein

Die Bundesliga wäre gut beraten, ihre Millionärs-Kita in den Griff zu bekommen - und hätte lieber den späteren Starttermin im Mai gewählt.

Kommentar von Christof Kneer

An diesem Samstag wird der FC Bayern nicht bei Union Berlin antreten und damit also nicht das erste jener Spiele nachholen, die seit dem 14. März ausgefallen sind. Der FC Bayern wird am Samstag auch nicht den SC Freiburg empfangen und damit auch nicht in den regulären, wenn auch längst außer Kraft gesetzten Spielplan einsteigen. Die komplexe Frage, ob die Saison am 9. Mai mit dem 26. Spieltag oder gleich mit dem 33. Spieltag weitergeht, hat sich auf einleuchtende Weise erledigt. Die Bayern werden am 9. Mai gar nicht spielen, nicht mal gegen sich selbst. Auch Elf-gegen-Elf-Trainingskicks sind ja noch verboten.

Der 9. Mai war als Starttermin nie wirklich realistisch, aber es lohnt sich trotzdem, noch mal an ihn zu erinnern. Dieser 9. Mai hat vieles verkompliziert. Vor zwei Wochen haben die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU) den Fußball überfallen und ihm unter Zuhilfenahme von Bild.TV ein Geschenk aufgedrängt, das der Fußball offenkundig noch gar nicht haben wollte. In einem stolzen Verkündungsakt haben die großen Jungs vor zwei Wochen eine Öffnung des Profibetriebs zum 9. Mai in Aussicht gestellt - an einem Tag, als das Land noch überwiegend geschlossen hatte. Das Land war noch gar nicht bereit für diese Debatte; bereit waren höchstens - wenn auch aus unterschiedlichen Motiven - Söder, Laschet und Bild.TV.

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Dieser Auftritt hat dem Fußball nicht genutzt, der Fußball steht seitdem erst recht unter dem Verdacht, spektakulär bevorzugt zu werden. So muss der Fußball nun, da das Klima im Land gerade öffnungsfreundlicher wird, immer noch jene windschiefen Vergleiche aushalten, in denen die leeren Schaukeln in einer Kita mit den vollen Konten von Fußballprofis verrechnet werden. Von solch populistischen Manövern darf sich der Fußball zwar ungerecht behandelt fühlen, aber umso mehr muss allen Beteiligten bewusst sein, was hier gerade passiert: Der Profifußball ist die größte Unterhaltungsindustrie im Land, im Idealfall hätte er die Kraft, vor den Augen von Millionen Menschen zu einem gigantischen Feldversuch zu werden. Der Fußball könnte die passenden Bilder für die neue Zeit liefern: Ja, es geht voran (es wird wieder gespielt!), aber nein, normal ist deshalb noch lange nichts (keine Zuschauer!).

Aber darf man dem Profifußball diesen Idealfall zutrauen? Es ist diesmal kein Ministerpräsident, sondern schon der Profifußball selber schuld, dass man diese Frage lieber nicht bejahen mag.

Wer den bestürzend albernen Auftritt des Hertha-Profis Salomon Kalou gesehen hat, darf zu dem Schluss kommen, dass man den Profifußball schon deshalb nicht mit einer Kita vergleichen sollte, weil er selber eine ist. In den Kalou-Momenten wirkt der Fußball wie eine Millionärs-Kita, bloß dass die Millionäre ihre Kids da nicht abgeben, sondern selber rein gehen. Die gesellschaftliche Akzeptanz des Fußball-Feldversuchs wird deshalb umso mehr davon abhängen, ob die Liga sich benehmen kann und die Papas vernünftiger sind als ihre Kids.

Sollten Liga-Manager und Trainer nun über Termin- und andere Fragen jammern, wäre die Wirkung nach draußen fatal, und so hätte man den Managern und dem DFL-Präsidium gerne empfohlen, lieber am 22. statt, wie jetzt beschlossen, am 15. Mai zu starten - aus sportlichen und gesellschaftlichen Gründen. Die Klubs hätten mehr Zeit gehabt, um auf ein vergleichbares Niveau zu kommen; und die Liga wäre mit ihrem Neustart auf ein Land getroffen, das auch an vielen anderen Ecken wieder öffnet. Aber wer den Profifußball kennt, der ahnte schon gleich, dass es ihm nicht schnell genug gehen kann.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2020/ska
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