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Quarantäne von Bundesliga-Teams:Da wächst ein großes Problem heran

Innerhalb kurzer Zeit schicken Behörden den KSC, Sandhausen und erneut Holstein Kiel in Quarantäne. Gegen Saisonende gibt es aber kaum noch Ausweichtermine für ausgefallene Spiele - die DFL sollte Vorsichtsmaßnahmen treffen.

Kommentar von Martin Schneider

Zu Beginn der Pandemie, man erinnert sich dunkel, wurde in der Fußball-Bundesliga ja noch über das Jubeln debattiert. Markus Söder, damals wie heute bayerischer Ministerpräsident mit einem Blick für ganz Deutschland, sagte, er habe es "nicht gut" gefunden, wie die Spieler von Hertha BSC sich umarmt hätten. Ein schönes Gedankenexperiment wäre an dieser Stelle, sich zu überlegen, ob Söder das auch beim 1. FC Nürnberg (seinem Lieblingsverein) oder dem FC Bayern gesagt hätte.

Tatsächlich war Jubel noch nie verboten, er war anfangs nur nicht erwünscht - aus gutem Grund. Ein neuralgischer Punkt des DFL-Hygienekonzepts war und ist immer noch, dass bei einem positiven Corona-Test innerhalb einer Mannschaft nicht automatisch alle als Kontaktpersonen ersten Grades gelten - und damit in Quarantäne müssen. Jedes Knuddel-Bild könnte die Behörden beeinflussen, die Sache anders zu sehen, dachte man. Aber die Bundesliga ist bislang ohne kollektive Isolation durch die Saison gekommen, obwohl es Mannschaften gab, die mehrere Corona-Fälle gleichzeitig hatten.

Nun ändert sich das - zumindest in der 2. Liga, die dem selben Hygienekonzept unterliegt. Die Gesundheitsämter schickten diese Woche den Karlsruher SC und den SV Sandhausen und Holstein Kiel in Mannschaftsquarantäne, insgesamt sechs Partien müssen definitiv verschoben werden.

Bei Kiel ist es schon die zweite 14-Tage-Quarantäne der Rückrunde, mittlerweile hat der Klub, der den FC Bayern aus dem DFB-Pokal warf, dadurch massive Nachteile im Aufstiegsrennen. Nach der ersten Quarantäne, in der sie nicht trainieren konnten, verloren die Störche beide Spiele. Nun ist einen Tag nach Ende der zweiten Quarantäne am 20. April das Spiel gegen Sandhausen angesetzt - deren Spieler erst am 18. April wieder die eigene Wohnung verlassen dürfen. Kiel müsste das Match ganz ohne Vorbereitung absolvieren, wenn es bei dem Termin bleibt.

Nachdem Jahn Regensburg und Hannover 96 in diesem Frühjahr nicht mehr spielen durften, verschärfte die DFL das Hygienekonzept und machte vor jedem Treffen Antigen-Schnelltests zur Pflicht. Auch ein Quarantäne-Trainingslager war debattiert worden - am vergangenen Dienstag bei einer Präsidiumssitzung der Deutschen Fußball-Liga aber als noch nicht notwendig erachtet worden.

Gut möglich, dass man über diese Entscheidung nun nochmal nachdenkt. Denn eigentlich sollte das verschärfte Hygienekonzept genau solche Fälle wie in Karlsruhe, Sandhausen und Kiel verhindern. Und vermutlich ist der Ruf nach Maßnahmen nur deswegen nicht so laut, weil die 2. Bundesliga immer ein bisschen unter dem Radar läuft. Aber das Problem wächst und es könnte sehr, sehr groß werden.

Die Frage wird gestellt werden: Wieso können sich privilegierte Profifußballer nicht ein paar Wochen isolieren?

Denn die Profiklubs befinden sich in einer riskanten Situation. Gegen Ende der Saison ballen sich die Termine, ausgefallene Spiele können nicht mehr so einfach nachgeholt werden - unmittelbar nach dem letzten Relegationsspiel beginnt der Abstellungszeitraum für Nationalspieler. Die EM steht an.

Mit höheren Inzidenzen und einer tendenziell ansteckenderen Virus-Mutation steigt das Risiko im privaten Bereich - und wenn sich die Fälle häufen, dann wird die Frage schnell wieder darauf zurück kommen, wieso sich sehr gut verdienende Profifußballer zur Ausübung ihres Jobs eigentlich nicht ein paar Wochen isolieren können.

Vor allem gibt es jetzt ja Präzedenzfälle. Der Karlsruher SC durfte trotz zweier positiv getesteter Spieler noch gegen Osnabrück antreten, erst beim dritten Corona-Fall griff das Karlsruher Gesundheitsamt durch. Nun kann der KSC die Partien vermutlich noch irgendwie spielen, aber sollte Ähnliches vor dem DFB-Pokalfinale oder auch in der Champions League passieren - der FC Bayern hat in Serge Gnabry gerade einen Spieler in Isolation - könnte eine Quarantäne-Entscheidung eines Gesundheitsamts weitreichende Auswirkungen haben.

Die beste Vorsichtsmaßnahme dagegen ist die konsequente Einhaltung aller Regeln und gegebenenfalls Isolation. Die DFL hat sich selbst das Instrument Quarantäne-Trainingslager gegeben, es wäre klug, wenn sie es auch nutzen würde.

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