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Bundesliga:Der Ball ruht

  • Im deutschen Profifußball soll es eine Pause bis zum 2. April geben. Damit fallen zunächst also zwei Spieltage aus.
  • Zuvor hatten die Liga-Bosse beschlossen, dass der Spieltag an diesem Wochenende wie geplant.
  • Sollte eine Fortführung des Spielbetriebes überhaupt noch möglich sein, dann wird es nicht zuletzt auf die nächsten Entscheidungen der großen internationalen Fußballverbände ankommen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Der deutsche Profifußball stellt seinen Spielbetrieb vorläufig ein. Am späten Freitagnachmittag teilte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) mit, dass der fürs Wochenende geplante Spieltag komplett verlegt wird. Außerdem soll es danach eine Pause bis zum 2. April geben. In diesen Zeitraum fällt aufgrund der eigentlich vorgesehenen Länderspiel-Periode allerdings nur ein normaler Spieltag. Damit fallen zunächst also zwei Spieltage aus.

Noch einige Stunden zuvor hatten die Liga-Bosse beschlossen, dass der Spieltag an diesem Wochenende wie geplant als Geisterversammlung ohne Publikum stattfinden solle. "Angesichts der Dynamik des heutigen Tages mit neuen Corona-Infektionen und entsprechenden Verdachtsfällen in direktem Zusammenhang mit der Bundesliga und zweiten Bundesliga" habe sich das DFL-Präsidium dann aber auf den entsprechenden neuen Schritt verständigt, hieß es in einer Mitteilung.

Nach der ursprünglichen Entscheidung, erst mal weiterzuspielen und erst von nächster Woche an auszusetzen, hatte es im Laufe des Freitags viel öffentlichen Druck und viel Kritik gegeben - nicht nur von Beobachtern und Fangruppierungen, sondern auch von Spielern. "Das ist verrückt. Bitte hört auf herumzualbern und kommt in der Realität an", twitterte Mittelfeldspieler Thiago vom FC Bayern. Torwart Rafal Gikiewicz von Union Berlin schrieb: "Fußballer werden in dieser Situation wie Affen im Zirkus behandelt."

Bayern-Boss Rummenigge verteidigte die ursprüngliche DFL-Entscheidung sehr offen unter Verweis auf die wirtschaftliche Situation

Die ursprüngliche Entscheidung wirkte besonders irritierend, weil die Bundesliga die einzige Top-Liga in Europa war, die weiterspielen wollte. Nach Italien, Spanien und Frankreich hatte sogar Englands Premier League den sofortigen Stopp verhängt. Aber der Vorstandschef des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, verteidigte den Entscheid sehr offen - unter Verweis auf die wirtschaftliche Situation: "Es geht natürlich am Ende des Tages auch im Profifußball um Finanzen. Es steht noch eine hohe Zahlung der TV-Broadcaster aus. Wenn diese Zahlung ausbleiben würde, wäre zu erwarten, dass viele kleine und mittlere Vereine finanzielle Probleme kriegen."

Das war nicht das erste Mal in den vergangenen Tagen, dass dem deutschen Fußball vorgehalten wurde, immer nur scheibchenweise und unangemessener als andere zu reagieren. Erst im Laufe des Freitags zeichnete sich dann immer stärker ab, dass diese Entscheidung nicht zu halten sein würde. Die Zweitliga-Partie zwischen Hannover und Dresden musste ohnehin abgesagt werden, weil zwei Spieler des Gastgebers infiziert sind.

Die Stadt Bremen stornierte am Mittag das für Montag angesetzte Spiel zwischen Werder Bremen und Bayer Leverkusen - in der Erwartung, dass trotz des Status als Geisterspiel mindestens 2000 bis 3000 Menschen rund ums Weserstadion erscheinen würden. Zu solchen Szenen war es bei verschiedenen Geisterspielen der vergangenen Woche gekommen. Und schließlich meldeten auch noch der 1. FC Nürnberg und der SC Paderborn einen positiven Corona- beziehungsweise einen Corona-Verdachtsfall.

Damit ruht nun in allen europäischen Top-Ligen der Spielbetrieb. Das gilt auch für andere Wettbewerbe. Europas Fußball-Union (Uefa) verkündete am Freitag, dass sie sämtliche für die kommende Woche angesetzten Europapokalspiele verschiebt. Das betrifft unter anderem das Achtelfinal-Rückspiel des FC Bayern gegen den FC Chelsea in der Champions League. Auch die bisher als Geisterspiel geplante Partie der Nationalelf gegen Italien am 31. März in Nürnberg wurde am Freitagabend durch die Stadt abgesagt, das Spiel fünf Tage zuvor gegen Spanien wird wohl auch ausfallen, wie Verbandschef Fritz Keller in einer Stellungnahme des Deutschen Fußball-Bundes zuvor bereits anklingen ließ. Eine Absage aller in der Länderspielpause angesetzten Partien durch den Weltverband Fifa wird außerdem erwartet.

Die Aussetzung des Spielbetriebes bis zum 2. April ist formal nur eine Empfehlung des neunköpfigen DFL-Präsidiums. Aber es gilt als ausgeschlossen, dass die außerordentliche Mitgliederversammlung der 36 Vereine aus erster und zweiter Bundesliga an diesem Montag zu einem anderen Beschluss kommen wird.

Ein vorzeitiger und kompletter Abbruch der Saison hingegen kam für die Bundesliga-Verantwortlichen nicht infrage. "Ziel ist es weiterhin, die Saison bis zum Sommer zu Ende zu spielen - aus sportlichen Gesichtspunkten, aber insbesondere auch, weil eine vorzeitige Beendigung der Saison für einige Klubs existenzbedrohende Konsequenzen haben könnte", hieß es in einer Mitteilung der DFL.

Durch die Absage der beiden Spieltage und die sich anschließende Länderspiel-pause gewinnt die Bundesliga nun immerhin etwas Zeit, um sich zu überlegen, wie sie mit der Situation umgehen soll - wobei derzeit natürlich niemand seriös abschätzen kann, wie sich die Lage um das Virus und seine Verbreitung entwickelt. Sollte eine Fortführung des Spielbetriebes überhaupt noch möglich sein, dann wird es nicht zuletzt auf die nächsten Entscheidungen der großen internationalen Fußballverbände ankommen.

Die Uefa will sich erst am Dienstag äußern, wie es weitergeht. Durch die Verlegung aller Europapokalspiele der kommenden Woche ist ja auch der Zeitplan der Uefa immens durcheinandergeraten, und zugleich ist nicht absehbar, ob und wann die internationalen Wettbewerbe zu Ende gespielt werden können. Bei diversen verbliebenen Champions-League-Teilnehmern - unter anderem Real Madrid, Juventus Turin sowie dem Bayern-Gegner FC Chelsea - gibt es Corona- und Quarantäne-Fälle. Der FC Barcelona hat den Betrieb inzwischen komplett eingestellt.

Zumindest ein bisschen Entzerrung für die deutschen wie auch für alle anderen europäischen Ligen könnte eine Verschiebung der Europameisterschaft bringen, deren Beginn eigentlich für den 12. Juni geplant ist. Ein solcher Schritt rückt auch näher. Immerhin kommt allen Beteiligten zugute, dass das Turnier dezentral in zwölf Ländern organisiert ist und nicht ein einzelner Standort den Ausfall und seine Kosten stemmen müsste.

Der Sommer 2021 böte sich als Ersatzspielzeit an, aber in dieser Zeit hat der Weltverband Fifa bisher seine umstrittene Klub-WM geplant - just in China und mit dem Spielort Wuhan, dem Ausbruchsort der Corona-Pandemie. Dieses Turnier hält kaum jemand in der Fußballszene für notwendig, es ist aber ein Prestigeprojekt des umstrittenen Fifa-Bosses Gianni Infantino. Es hängt nun überhaupt viel an der Fifa, die in vielen Veranstaltungen mitmischt. Sie teilte am Freitag nur mit, dass sie im Austausch mit der Weltgesundheitsorganisation stehe.

Klar ist, dass alle weiteren etwaigen Spiele bis zum Saisonende nur als Geisterspiele denkbar sind

Entsprechend schwierig sind daher Prognosen zu der Frage, wie es in der Bundesliga nach der nun beschlossenen Pause weitergehen könnte. Aber natürlich beschäftigt alle die Frage, was wohl passiert, wenn die Saison nicht regulär mit 34 Spieltagen endet. Je nach Verein und Tabellensituation gibt es vielfältige Interessen, und die Hoffnungen auf eine große Solidarität innerhalb der Ligen dürften sehr überschaubar sein. So kursieren schon verschiedene Szenarien, von der kompletten Annullierung der laufenden Saison bis zur Aufstockung der Bundesliga auf 20 Mannschaften. Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass es - wie im Eishockey - keinen Meister gibt. Es ist zwar quasi kein Fall denkbar, in dem es nicht zu Rechtsstreitigkeiten und sogar Regressforderungen kommen könnte; aber die logistischen und organisatorischen Folgen dürften für die Liga insgesamt leichter zu handhaben sein als die wirtschaftlichen. Klar ist, dass alle weiteren etwaigen Spiele bis zum Saisonende nur als Geisterspiele denkbar sind. Und klar ist auch, dass die Folgen auch über die Saison hinaus wirken. Unter führenden Ligavertretern wird sogar schon das Szenario diskutiert, dass selbst die Hinserie der Spielzeit 2020/21 noch ohne Zuschauer im Stadion stattfinden müsste. Denn es erscheint derzeit kaum vorstellbar, wie die Behörden bis dahin wieder Zusammenkünfte von bis zu 80 000 Menschen erlauben können.

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SZ vom 14.03.2020/chge
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