Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: Christoph Daum:Zampano hat ausgezaubert

"Lebbe geht weida": Eintracht Frankfurt gibt sich gerüstet für die zweite Liga, Vorstandschef Bruchhagen soll bleiben. Für Trainer Christoph Daum ist der Abstieg die weitaus größere Katastrophe. Sein Mythos ist zerstört.

Michael König

Als der finale Pfiff ertönte, drehte sich Christoph Daum nach links. Er ging ein paar Meter, dann bog er wieder links ab - und war in den Katakomben des Dortmunder Stadions verschwunden. Seine Mission war in diesem Moment gescheitert, er hatte den Abstieg der Frankfurter Eintracht nicht verhindern können. nach dem 1:3 gegen Borussia Dortmund muss der Klub in die zweite Liga - zum vierten Mal nach 1996, 2001 und 2004.

Das ist schlimm für den Verein - aber wohl noch schlimmer für den Trainer. Der Mythos Daum scheint zerstört, die Zukunft des einstigen "Lautsprechers der Liga" ungewiss.

"Aus m einer Sicht habe ich alles versucht"

Seine Kritiker fühlten sich bestätigt, als Daum mit emotionsloser Miene, aber umso pathetischerer Rhetorik versuchte, das Geschehene zu beschreiben: "Bei uns herrscht eine Ruhe, die durch Enttäuschung getragen wird", sagte der Trainer. "Aus meiner Sicht habe ich alles versucht."

Für Daum ist es der erste Abstieg seiner Karriere. Fußballreporter umschreiben diesen Vorgang gerne als "bitteren Gang", und besonders bitter für Frankfurt war, dass es am 34. Spieltag zwischenzeitlich nach einer späten Rettung ausgesehen hatte: Sebastian Rode hatte sein Team in Dortmund mit 1:0 in Führung gebracht, auch die Ergebnisse der Konkurrenten Mönchengladbach und Wolfsburg sprachen für Frankfurt. Als der Meister jedoch aufdrehte und letztlich mit einem 3:1-Sieg die Feierlichkeiten einläutete, brach der Traum vom Klassenerhalt zusammen.

"Einige Leute sind blind geworden"

"Nach der Führung habe ich noch gehofft. Jetzt sind wir alle sehr enttäuscht. Aber es hat nicht am heutigen Tag gelegen", sagte der verletzte Mittelfeldspieler Maik Franz. Tatsächlich ist der Abstieg nur die logische Konsequenz eines stetigen Niedergangs. Dass ein Klub die Hinserie mit Platz sieben beendet und vom Europapokal träumt, um dann auf Platz 17 abzustürzen, ist in der Bundesliga-Historie selten. "Durch die Augenwischerei, die die Siege in der Hinrunde bewirkt haben, sind einige Leute blind geworden. Aber dass es so schlimm wird, hatte auch ich nicht erwartet", sagte Stürmer Ioannis Amanatidis, der erneut nicht berücksichtigt worden war und sich deshalb mit Daum anlegte.

Sieben Spieltage vor Schluss hatte Eintracht-Vorstandschef Heribert Bruchhagen versucht, die Wende herbei zu verpflichten. Er entließ Michael Skibbe und brach mit seinen Gepflogenheiten, indem er diesmal nicht einen rationalen Leisetreter als Trainer einstellte. Sondern Christoph Daum, den Heißsporn, den Zampano.

Der Schachzug hätte nicht gründlicher schief gehen können: In sieben Spielen schaffte Daum keinen einzigen Sieg. Seine berüchtigten Motivationsmaßnahmen wirkten bemüht bis lächerlich, die tiefe Verunsicherung im Team konnten weder Umarmungen im Training noch "neurolinguistisches Programmieren" beenden. Zuletzt hatte Daum seinen Spielern ins Hausaufgabenheft geschrieben: "Wenn die Sonne aufgeht, musst du besser sein als jeder andere Spieler."

Dank der Personalpolitik von Bruchhagen - die Verträge von 18 Profis gelten auch für die zweite Liga - ist man in Frankfurt guter Dinge, bald wieder das Sonnenlicht der ersten Liga genießen zu dürfen. "Hier bricht kein Chaos aus", hat der Vorstandschef gesagt, was angesichts der Ausschreitungen von Frankfurter Fans während der Partie in Dortmund eine mutige Aussage war. Sie hatten ein Plakat mit der Aufschrift "Deutscher Randalemeister" aufgehängt und bengalische Feuer gezündet.

Bruchhagens Reputation als seriöser Manager hat durch den Abstieg zwar gelitten, dennoch darf er wohl bleiben. Ihm soll allerdings ein Sportdirektor zur Seite gestellt werden - wohl auch, um Fehlgriffe wie Daum in Zukunft zu vermeiden.

Am Montag wird Bruchhagen sein Konzept für die zweite Liga dem Aufsichtsrat vorlegen. Der Gesamtetat wird voraussichtlich von 68 Millionen Euro auf etwa 40 Millionen Euro sinken, für die Mannschaft stehen künftig nur noch 19 Millionen Euro zur Verfügung, statt bislang 28 Millionen.

In Erinnerung an Stepanovic

Im Gegensatz zu vielen anderen Absteigern in der Geschichte der Bundesliga scheint die Eintracht in der Krise nicht den Kopf zu verlieren, sondern sich strikt an das tröstende Bonmot ihres ehemaligen Trainers Dragoslav Stepanovic zu halten: "Lebbe geht weida."

Für Daum könnte der Abstieg weit schlimmere Folgen haben. Sein Vertrag mit der Eintracht läuft am 30. Juni aus, eine Verlängerung ist so gut wie ausgeschlossen. Bruchhagen münzte seine Aussage, es werde einen "Neuanfang bereits in der nächsten Woche" geben, zwar nicht explizit auf die Trainerfrage. Aber die absolute Wirkungslosigkeit der Verpflichtung Daums und dessen mutmaßlich hohes Gehalt dürften Bruchhagen zum Nachdenken anregen.

Signale in beide Richtungen

Ob Daum überhaupt bleiben würde, ist ebenfalls unsicher. Vor der Partie in Dortmund hatte der Trainer mal positive, dann wieder negative Signale gesendet. Nach der Niederlage sagte er in schönstem Daum-Sprech: "Ich gebe heute keine Entscheidung so oder so bekannt. Die Gespräche und Überlegungen von beiden Seiten können in den nächsten Tagen geführt werden, müssen aber nicht geführt werden."

Es sind auch derlei verschwurbelte Aussagen, die andere Vereine davor abschrecken könnten, Daum zu verpflichten. Zumindest solche in der Bundesliga, die Daum immer als seine Lieblingsserie dargestellt hat.

So könnte die Eintracht-Episode der letzte Auftritt des Trainers in der deutschen Eliteliga gewesen sein. Was bleibt, sind Erinnerungen an erfolgreiche Zeiten. Und ein Schatz psychologischer Weisheiten, die Daum der Liga hinterlässt: "Wenn der Kopf funktioniert, ist er das dritte Bein", hatte er bei seinem Amtsantritt gesagt.

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