Bundesliga: Christop Daum:Vorbildlicher Absteiger

Eintracht Frankfurt rüstet sich bereits für die zweite Liga und sucht einen neuen Trainer. Einzig Christoph Daum glaubt weiter tapfer an den Klassenerhalt - und lässt rote Rosen regnen.

Philipp Selldorf

Zur mutmaßlich vorletzten Trainingseinheit der Bundesligasaison haben sich zirka 50 Besucher eingefunden, sie stehen ähnlich gelangweilt neben dem Platz wie die Spieler auf demselben. Für das menschliche Auge ist es an diesem Donnerstagvormittag nicht ersichtlich, dass jeder der Profis von Eintracht Frankfurt "brennt", wie Christoph Daum später energisch versichert.

Christoph Daum

Abstiegstrainer? Frankfurts Christoph Daum.

(Foto: dpa)

Während sich der Trainer alle Mühe gibt, einen schwungvollen Eindruck zu machen, als er Hütchen sortiert, Übungsformen erörtert und Laufwege anzeigt, strahlen die Spieler den trägen Esprit von Büroarbeitern im Bewusstsein der nahenden Lunchpause aus: Sie tun, was ihr Chef verlangt und täuschen technisch perfekt Aufmerksamkeit vor, wenn Daum seine komplexen Vorträge hält - trotzdem wirkt es, als ob sie sich vor allem aufs Mittagessen freuen würden.

Die Fans und die Spieler in Frankfurt wissen: Viele Mahlzeiten bleiben ihnen womöglich nicht mehr in der ersten Liga. Ioannis Amanatidis gab das Befinden treffend wieder, als er am Donnerstag die Ausgangslage vor dem abschließenden Spiel bei Borussia Dortmund sondierte: "Wir sind schlecht drauf, und wir sind die schlechteste Rückrunden-Mannschaft - es spricht nichts für uns.". Es liegt in der Logik dieses Sports, dass er aus eben diesen Zeichen des Unheils die Chance auf Rettung erkennt.

Auch Amanatidis gehört zu jenen 17 Lizenzfußballern der Eintracht, die den Weg in die zweite Liga mitgehen müssten, weil ihr Vertrag sie an den Verein bindet. Heribert Bruchhagen hat die Betreffenden Mann für Mann aufgezählt, aus dem Stegreif und ohne Notizzettel oder Teleprompter, selbst den in die zweite französische Liga verliehenen Habib Bellaid hat er nicht vergessen. Er wollte damit seine Aussage untermauern, dass in Frankfurt, "nichts, aber auch gar nichts drunter und drüber geht", wenn die herrschenden Erwartungen Wahrheit werden.

Tatsächlich scheint die Eintracht ein besonders vorbildlicher Absteiger sein zu wollen. Bevor die Sache überhaupt amtlich ist, hat man schon sämtliche Vorbereitungen getroffen. Man hat den Spielerkader sortiert und Gespräche mit Profis wie Maik Franz oder Chris aufgenommen, die nicht zum Bleiben verpflichtet sind. Im Aufsichtsrat hat man prinzipiell Einigkeit darüber hergestellt, den Vorstandschef Bruchhagen zu halten und ihm künftig einen Sportmanager zur Seite zu stellen.

Man hat die Finanzen überblickt und festgestellt, dass der Verein ohne nennenswertes Minus aus der Saison herausgeht (was sich nicht zuletzt aus eingesparten Siegprämien ergibt), und dass er wirtschaftlich "grundsolide" und "komplett handlungsfähig" dasteht, wie Bruchhagen beflissen referierte.

Lediglich der Trainer, der die neue, alte Eintracht wieder aufwärts führen soll, müsste noch gefunden werden. Christoph Daum scheint auf jeden Fall Christoph Daum empfehlen zu wollen.

Das klingt zwar widersprüchlich, wie er selbst einräumt, weil er kürzlich noch meinte, damals, 2006, habe er sich nur in die zweite Liga hinab begeben, weil es um seinen 1. FC Köln ging, inzwischen schildert er den Fall aber anders. Er habe mit der Aussage seinen Optimismus zum Ausdruck bringen wollen, dass der Abstieg für ihn "überhaupt kein Thema" sei.

"Schnurzpiepegal"

Soweit würde er jetzt nicht mehr gehen, trotzdem lässt sich Daum keinerlei Trübsal anmerken. "Wir sind jetzt in einer Situation, in der ich lieber die Klappe halten sollte", sagt er, aber selbstverständlich folgte auch auf diesen Aufruf zur Selbstzensur eine lange Rede, in der er rote Rosen auf die Stadt, den Verein und seinen Vorstandschef regnen ließ. Daums Resümee: "Ich würde das alles wieder machen, es hat sich gelohnt."

Außer an der sportlichen Bilanz - unter seiner Regie stürzte die Mannschaft in der Tabelle von Platz 14 auf Platz 17 - hat Daums Arbeit in Frankfurt vor allem an seiner Vorliebe für Spruchweisheiten gelitten. Seine Mission wurde von Vorurteilen begleitet, Kommentatoren haben ihn als notorischen Populisten und Scharlatan empfangen, und diese Meinungen hat er mit seinen geflügelten Worten trefflich bedient.

So wurde die an sich nicht verwerfliche Tatsache, dass zu seinem ersten Training 2000 Besucher den Trainingsplatz säumten, eher gegen als für ihn verwandt. Besonnene Beobachter meinen jedoch, Daum habe durchaus profunde Lösch- und Sanierungsdienste geleistet. Dass die Eintracht vor dem Abstieg stehe, beruhe eher darauf, dass wesentliche Spieler verletzt ausfielen - Maik Franz etwa, den er zum Kapitän ernannt hatte -, und dass im gelungensten Spiel der Ära Daum Theofanis Gekas aus zwei Metern nicht ins leere Tor der Münchner Bayern getroffen hatte.

Auch bei nüchternster Betrachtung ist es aber fraglich, ob Daum die gleichen Hoffnungen auf die Rückkehr in die erste Liga haben darf wie sein wohlgeordneter Arbeitgeber. Die Frage nach dem persönlichen Makel hat er unerschrocken beantwortet: "Es ist mir schnurzpiepegal, wie Sie das nennen", hat Daum gesagt und fröhlich gelächelt.

Noch gibt er Zuversicht vor. Er begründet sie "mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass der Ball rund ist".

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