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Herbstmeister BVB:Dortmunds Erfolg erinnert an Klopp

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In Dortmund ist derzeit vieles wie 2010: Auch damals übte sich der Verein im Understatement, auch damals schwächelten die Bayern. Ein Titel würde die Stadt wieder in völlige Euphorie stürzen.

Kommentar von Ulrich Hartmann

Es ist acht Jahre her, dass Borussia Dortmund zuletzt Herbstmeister war. Diese Geschichte kommt einem vor wie ein Mittelalter-Roman, denn Zweiter war damals Mainz 05 mit dem Trainer Thomas Tuchel, Dritter war Bayer Leverkusen mit dem Trainer Jupp Heynckes und Vierter war Hannover 96 mit dem Trainer Mirko Slomka. Bayern München mit dem Trainer Louis van Gaal war Fünfter mit 14 Punkten Rückstand. Tabellenletzter war Borussia Mönchengladbach. Kurz darauf heuerte dort der Trainer Lucien Favre an. Jetzt, nach sieben Münchner Herbstmeisterschaften in Serie, geht erstmals wieder Dortmund als Tabellenführer in die Weihnachtspause - mit dem Trainer Lucien Favre.

2010 hieß Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. Nach dem letzten Spieltag der Hinrunde damals bremsten die Dortmunder alle Euphorie, niemand wollte etwas vom Meistertitel hören. Man fühlte sich erschöpft, sehnte die Winterpause herbei und wollte in der Rückrunde mit Fleiß und Akribie dort weitermachen, wo man aufgehört hatte. Die Zeitungen schrieben: Der BVB kann sich nur noch selbst stoppen. Es war alles genauso wie heute.

Zeit für eine "fantastische Hinrunde"

Selbst Favres halbjährige Amtszeit erinnert in ihrem Understatement ein bisschen an damals: Favre sagte anfangs, dass die Mannschaft Zeit brauchen werde und die Fans Geduld. Diese Prognose hat sich zumindest schon einmal als falsch herausgestellt, denn die Mannschaft hat gleich in der ersten Halbserie unter Favre nur zwei Spiele verloren und 59 Tore geschossen. Nicht nur Herbstmeister ist Dortmund, sondern die Borussia steht auch noch im Achtelfinale der Champions League und im Achtelfinale des DFB-Pokals. Das sind in der Summe Errungenschaften einer "fantastischen Hinrunde", aber die Demut und die Vorsicht sind in Dortmund derart groß, dass diese emotionale Feststellung am Freitag vom Gäste-Trainer Dieter Hecking (Borussia Mönchengladbach) gemacht werden musste.

2010 war das Ruhrgebiet offizielle "Kulturhauptstadt Europas". Am Freitag, als Dortmund das finale Spiel der Hinrunde 2:1 gegen Gladbach gewann, wurde mit einem Festakt die Ära des Bergbaus beendet. "Kohle, Stahl, Fußball und Bier prägen unser Miteinander und unsere Kultur", sagt der BVB-Boss Hans-Joachim Watzke. Die Hälfte dieser Werte ist weggebrochen. Auch Bier wird immer weniger getrunken.

Inmitten der radikalen Veränderungen ist der Fußball eine emotionale Konstante für die Menschen geblieben. Umso bedeutsamer ist der neuerliche Erfolg für Dortmund und die Menschen dort. Und so wie sich die Region in den vergangenen Jahren erneuert hat, weil sie es musste, so erneuerte sich auch der BVB nach Klopp und zuletzt mehr im Stillen als als lauter Bayern-Herausforderer. Da sind nun seit dieser Saison der Schweizer Trainer Lucien Favre, der dänische Mittelfeldspieler Thomas Delaney, der belgische Spielgestalter Axel Witsel, der marokkanische Abwehrspieler Achrif Hakimi, der französische Innenverteidiger Abdou Diallo und der spanische Torjäger Paco Alcácer im Ruhrgebiet. Fußballer aus ganz Europa haben der Stadt und dem Klub die Identifikation zurückgegeben.

Nach der Herbstmeisterschaft 2010 ist Borussia Dortmund übrigens Meister 2011 geworden (wie immer nach Herbstmeisterschaften des BVB). Es könnte also tatsächlich sehr gut sein, dass die Dortmunder im Mai wieder um ihren Borsigplatz gefahren werden, wo Lucien Favre die Menschen zujubeln wie 2011 und 2012 Jürgen Klopp. Ein Meistertitel würde diese Stadt wieder in völlige Euphorie stürzen. Das hatte sie länger nicht mehr.

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Quelle:
SZ vom 23.12.2018
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