BVB-Sieg gegen FC Bayern:Tag eins der Wachablösung

Bundesliga - Borussia Dortmund v Bayern Munich

Bedröppelt: Javi Martinez (links) und Niklas Süle.

(Foto: REUTERS)
  • Borussia Dortmund gewinnt das Bundesliga-Spitzenspiel 3:2 (0:1) gegen den FC Bayern und liegt nun in der Tabelle sieben Punkte vor den Münchnern.
  • Da erkennt sogar Karl-Heinz Rummenigge an: "Sie sind Tabellenführer, das müssen wir akzeptieren und respektieren."
  • Joshua Kimmich warnt, die Mannschaft dürfe nun nicht den Anschluss verlieren.

Von Carsten Scheele, Dortmund

Das wahre Leben mag sich mittlerweile auf Instagram abspielen, doch in den Gängen der Dortmunder Arena erfüllte der gute, alte Videotext seinen Dienst blendend. Joshua Kimmich hatte sich sinnvollerweise direkt unter dem Fernseher gestellt, als er nach der aktuellen Situation seines FC Bayern gefragt wurde, brauchte er nur kurz nach oben zu linsen.

Dortmund ist Erster, sah der Abwehrspieler, München Dritter, noch hinter Gladbach. Der BVB hat nach elf Spieltagen 27 Punkte gesammelt, sieben mehr als die Bayern, dazu das viel bessere Torverhältnis. Kimmich sagte also: "Wenn es heute jemand nicht begriffen hat, dann begreift er es auch nicht mehr."

Nach sechs Jahren der Bayern-Hegemonie hat die Bundesliga am Samstagabend eine Art Wachablösung erlebt, keine der absoluten Art, aber zumindest für den Moment, vielleicht für diese Spielzeit. Der Eindruck, dass der BVB die Mannschaft sein könnte, die es zu schlagen gilt, hatte sich über Wochen erst angedeutet, dann verfestigt. Das von der ersten bis zur letzten Minute furiose 3:2 (0:1) gegen die Bayern im Spitzenspiel war so etwas wie das letzte fehlende Puzzleteil der Beweisführung.

Dortmund spiele "großartigen Fußball", sagt Rummenigge

Es war das hochklassigste Spiel der bisherigen Saison - eines der Sorte, bei dem am Ende Traurigkeit aufkommt, weil es vorbei ist. Die Bayern hatten die erste Hälfte dominiert, Dortmund die zweite. München war zweimal in Führung gegangen, jeweils durch Tore von Robert Lewandowski (26., 52.), zeigte nach biederen Wochen phasenweise endlich wieder guten Fußball: dominant im Ballbesitz, gierig nach vorne, gallig in der Defensive. "Sie haben das Spiel beherrscht", sagte BVB-Trainer Lucien Favre. Er habe die Bayern noch nicht so gut gesehen in dieser Saison - und sei wirklich froh gewesen, dass es zur Pause nur 0:1 gestanden hätte.

Doch Dortmund kam zurück, wie so oft in dieser Saison. Favre stellte in der Kabine um, nicht dramatisch, aber effektiv. Dortmund riss die Partie mit der gleichen Selbstverständlichkeit an sich, wie man schon zwei Wochen zuvor Atlético Madrid vier Tore eingeschenkt hatte. Diesmal brachte Marco Reus seine Mannschaft zurück mit zwei Toren (49., 67.), der Siegtreffer war dann Paco Alcácer vorbehalten (73.), mit einem frechen Lupfer über Manuel Neuer, den Welttorhüter. Der BVB hatte am Ende einfach mehr Kraft, mehr Ideen, mehr Esprit. Und sogar noch genügend Chancen, das Ergebnis viel deutlicher zu gestalten.

Die Bayern erkannten dies in überraschender Klarheit an. Hatten sie in den vergangenen Wochen manchmal ihre eigenen Wirklichkeiten konstruiert (Stichwort Grundgesetz), gab Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge diesmal den anständigen Verlierer. Dortmund spiele aktuell "großartigen Fußball", sagte Rummenigge: "Sie sind Tabellenführer, das müssen wir akzeptieren und respektieren." Diesmal kam auch kein Uli Hoeneß um die Ecke, der drei Minuten später das Gegenteil behauptet hätte. München gestand die Niederlage ein.

Kimmich warnt seine Kollegen

Das machte die Dortmunder stolz, sehr sogar. Nach dem Schlusspfiff hatte das ganze Stadion gesungen: "Deutscher Meister wird nur der BVB." Offen widersprechen wollte da keiner. Ein "schöner Anblick" sei diese Tabelle, sagte Verteidiger Manuel Akanji, der halte "hoffentlich bis zum Saisonende". Das klang demütig, war es aber gar nicht. Selbstbewusst erklärte der junge Schweizer, was sich zur Pause in der Kabine abgespielt hatte. Die Mannschaft sei sich in der Pause sicher gewesen, dass München "das Tempo nicht halten" könne. Dortmund aber schon. So ist es dann auch gekommen.

Die Bayern scheinen zu akzeptieren, dass es in dieser Saison einen anderen Favoriten auf den Meistertitel gibt. Dass Lewandowski in der 95. Minute fast noch das 3:3 erzielt hätte (er stand aber knapp im Abseits), spielte in der Bewertung ebenso keine wirkliche Rolle wie der Umstand, dass Hummels wegen einer Erkältung eigentlich nicht hätte spielen sollen, sich in der zweiten Halbzeit selbst auswechseln ließ, weil er nicht mehr hinterherkam.

Ist Dortmund also derzeit das Maß der Dinge? "Wenn man sieht, wie der BVB spielt, wäre es vermessen, das nicht zu behaupten", erklärte Hummels. Nur von einer Wachablösung wollte der Nationalspieler noch nicht sprechen, da schränkte er ein: "Die wäre ja dauerhaft."

Bayern spielt bald in Bremen, dann gegen Leipzig

Trotzdem müssen die Bayern nun erst mal sehen, dass der Dortmunder Vorsprung bis zur Winterpause nicht noch anwächst. Der BVB hat in dieser Bundesliga-Saison noch nicht verloren, die Bayern dagegen schon dreimal. Schwierige Spiele warten bis Weihnachten, in Bremen, zu Hause gegen Leipzig. "Wir müssen aufpassen, dass wir den Anschluss nicht komplett verlieren", warnte Kimmich seine Kollegen.

Der Nationalspieler konnte der Situation immerhin auch etwas Positives abgewinnen. Da ein anderer Klub vorne steht, würden die Leute begreifen, dass die Erfolge der Bayern in den zurückliegenden sechs Jahren keine Selbstverständlichkeit gewesen seien. Unter der Videotext-Tafel, die dieses eindeutige Tabellenbild in den Raum strahlte, sagte Kimmich: "So lernt man den Erfolg wieder besser zu schätzen."

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