3:3 gegen Paderborn:Der BVB verliert sein treues Publikum

3:3 gegen Paderborn: Vom ganze Stadion ausgepfiffen: die Dortmunder am Freitagabend, ganz vorne Marco Reus.

Vom ganze Stadion ausgepfiffen: die Dortmunder am Freitagabend, ganz vorne Marco Reus.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)
  • Der BVB spielt nach 0:3-Rückstand noch 3:3 gegen Aufsteiger Paderborn - die Mannschaft wird vom Publikum gellend ausgepfiffen.
  • Für die erste Halbzeit "müssen wir uns bei den Zuschauern entschuldigen", sagt Sportdirektor Michael Zorc.
  • Am Mittwoch beim FC Barcelona wird Favre auf der Bank sitzen.
  • Hier geht es zur Tabelle der Fußball-Bundesliga.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Borussia Dortmund hat in dieser Saison schon einige Ergebnisse erzielt, die dem Trainer Lucien Favre gefährlich wurden: die 1:3-Niederlage bei Union Berlin, vier maue Unentschieden gegen Frankfurt, Bremen, Freiburg und Schalke und zuletzt eine 0:4-Klatsche beim FC Bayern München. Aber kein anderes Ergebnis war Favres Arbeitsplatz-Sicherung so abträglich wie das 3:3-Unentschieden am Freitagabend gegen den SC Paderborn.

Erst in der Nachspielzeit erzielte Marco Reus den Ausgleich. Zur Pause hatte der Champions-League-Klub BVB mit seinem geschätzten Kader-Marktwert von 600 Millionen Euro gegen den Tabellenletzten SC Paderborn mit seinem geschätzten Kader-Marktwert von 30 Millionen Euro 0:3 hinten gelegen. "Die erste Halbzeit", zischte hinterher der Sportdirektor Michael Zorc, "war komplett inakzeptabel, dafür müssen wir uns bei den Zuschauern entschuldigen."

Mehr wollte Zorc kurz nach dem Spiel nicht sagen. Es brodelte in ihm. Er wollte sich erst mal beruhigen über Nacht, am Samstag verkündete er dann: "Wir gehen mit Lucien Favre in das Spiel in Barcelona und erwarten, dass wir da eine deutliche Leistungssteigerung sehen." Klingt nach einer letzten Chance.

Zorc hatte schmerzlich miterlebt, wie der BVB gegen Paderborn zwischenzeitlich sein treues Publikum verloren hatte. In der 38. Minute war im Stadion etwas passiert, was man nicht einmal in den schwierigen Zeiten unter Trainern wie Peter Bosz und Peter Stöger erlebt hatte: Kurz nach dem Paderborner Treffer zum 2:0 wurde die Dortmunder Mannschaft nicht nur von zigtausenden Fans auf allen Tribünenseiten gellend ausgepfiffen, jeder Paderborner Ballbesitz wurde auch noch bejubelt. Viel hätte nicht gefehlt, und das Dortmunder Publikum hätte sich auf die Paderborner Seite geschlagen. Doch der drohende Zynismus setzte sich nicht durch, und als Paderborn kurz vor der Pause auf 3:0 erhöhte, machte sich vielmehr lähmendes Entsetzen breit.

"In der Pause konnten wir's selbst nicht glauben"

Selten war eine Dortmunder Mannschaft vor eigenem Publikum derart gedemütigt worden. Paderborns Kai Pröger, der das 1:0 vorbereitete, hat bis vor zwölf Monaten für den Viertligisten Rot-Weiß Essen gespielt. Streli Mamba, der das 1:0 erzielte, ist im vergangenen Sommer mit Energie Cottbus aus der dritten Liga abgestiegen. Ben Zolinski, der Mambas zweiten Treffer vorbereitete, bestritt an diesem Abend sein zehntes Bundesligaspiel, und Gerrit Holtmann, der das 3:0 erzielte, ist beim FSV Mainz 05 jahrelang nur zwischen Ersatzbank und Reha-Zentrum hin- und hergependelt. Paderborns Innenverteidiger Luca Kilian ist jüngst im Sommer nach acht Jahren in Dortmunder Jugendmannschaften ablösefrei nach Paderborn gewechselt. Kilian sagte nach dem Spiel: "In der Pause konnten wir's selbst nicht glauben, aber wir wussten, dass die Dortmunder hinten nicht ganz so viel Tempo haben und das haben wir ganz gut genutzt."

Paderborns Sportdirektor Martin Prdzondziono wiederum hatte beim Anpfiff fast nicht glauben können, dass die Dortmunder dem nicht allzu schnellen Innenverteidiger Mats Hummels den ebenfalls nicht allzu schnellen Julian Weigl an die Seite gestellt hatten. "Das war ja schon fast provokativ", sagte er nach dem Spiel. "Ich weiß nicht, ob sie nicht wussten, wie schnell Streli Mamba ist."

"Eine desaströse erste Halbzeit", sagt Favre

"Bei den Toren hatten die Paderborner einen Geschwindigkeitsvorteil", sagte später auch Mats Hummels. Aber das war für ihn offenbar nicht entscheidend. Hummels machte die jeweils vorangegangenen Ballverluste verantwortlich. "Jeder in unserer Mannschaft muss sich der Gefahr solcher Ballverluste bewusst sein", sagte er und beklagte diesbezüglich eine grundsätzliche Fahrlässigkeit in der Dortmunder Mannschaft.

Das sei beim FC Bayern ganz anders gewesen, berichtete Hummels zum Vergleich aus seinen Erfahrungen in München: "Dort wird es ganz groß geschrieben, den Gegner in Ballbesitz zu dominieren." Dem Trainer Favre wollte Hummels seine Unterstellung auf Nachfrage aber nicht zugeschrieben wissen. "Die Fehler, die gemacht werden; wenn wir die Bälle einfach herschenken - das hat nichts mit dem Trainer zu tun, das sage ich in aller Deutlichkeit."

Favre selbst wirkte in der Pressenkonferenz niedergeschlagen. Er sagte: "Das war eine desaströse erste Halbzeit, das war unglaublich - das einzig Positive ist, dass wir zurückgekommen sind und eine Reaktion gezeigt haben." Jadon Sancho (47.), Axel Witsel (84.) und Reus (92.) retteten dem BVB gegen körperlich abbauende Paderborner wenigstens noch das Unentschieden.

Favre sagte dann aber noch etwas, und das schien deutlich zu machen, dass diese ersten 45 Minuten gegen Paderborn einen Wendepunkt in dieser Saison markieren und dass die wiederkehrenden Debatten um die Mentalität der Mannschaft gar nicht so abwegig sind, wie beim BVB alle gern behaupten. Der Schweizer Favre sagte in seinem stark französisch eingefärbten Duktus: "Es kann nicht weiter so..." Das ist im ungefähren Wortlaut genau jene saisonale Quintessenz, die sich beim BVB so langsam als Hinrunden-Bilanz in der Winterpause aufdrängt.

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