Werder Bremen:Vorsicht vor den Glücksgefühlen

Bundesliga - Schalke 04 v Werder Bremen

Werden Bremens Leonardo Bittencourt (m) feiert sein entscheidendes Tor gegen Schalke.

(Foto: REUTERS)

Plötzlich ist Werder wieder in Form: Mit dem Sieg gegen Schalke schließt der Tabellenvorletzte eine fast perfekte englische Woche ab - freuen will sich Trainer Florian Kohfeldt aber nicht.

Von Ulrich Hartmann

Drei Spiele, sieben Punkte, kein Gegentor - eigentlich hätte Werder Bremens Trainer Florian Kohfeldt nach dem 1:0 (1:0)-Sieg bei Schalke 04 und dem erfolgreichen Ende der englischen Woche vor Glück übersprudeln müssen. Aber auf dem vorletzten Tabellenplatz sprudelt nichts. "Das zeigt nur, wie schlimm die Situation vorher war", sagte er und mahnte, sechs Spiele vor dem Saisonende bloß nicht nachzulassen. "Wir müssen im Tunnel bleiben", warnte Kohfeldt, "und weiter alles reinschmeißen." Noch ist aber nichts geschafft, weiß auch der Trainer. "Wir haben noch sechs Spiele. Und wir sind noch hinten dran. Wir waren in einer dramatischen Ausgangsposition - in der sind wir immer noch. Deshalb haben wir keinerlei Zeit, uns jetzt noch mal zu freuen, dass es so läuft." Hoffnung dürfen sie am Osterdeich trotzdem haben.

Ganz anders die Schalker: Der Abstieg droht ihnen nach einer überragenden Hinrunde zwar nicht mehr, trotz der vier nacheinander verlorenen Geisterspiele. Doch die nun elf sieglosen Bundesligaspiele mit 3:25 Toren sind die größte Misserfolgsserie dieses Klubs seit 23 Jahren. In ihrem Fall ist es wohl sogar ein bisschen Glück, dass keine Fans im Stadion sind. Sie hätten ihre Schalker vermutlich zusammengepfiffen. Erstmals seit Ende Februar stand der bald zu Bayern München wechselnde Torwart Alexander Nübel wieder im Tor. An ihm lag es nicht. Bei den Bremern schoss zum zweiten Mal nacheinander Leonardo Bittencourt den goldenen Treffer.

Seit Werder sein erstes Geisterspiel mit 1:4 gegen Leverkusen verloren und Kohfeldt anschließend provokant behauptet hatte, er sei trotz allem immer noch die beste Lösung auf dieser Trainerposition, hat seine Mannschaft in Freiburg 1:0 gewonnen, beim 0:0 gegen den Champions-League-Aspiranten Mönchengladbach nur knapp einen Sieg verpasst und nun wieder 1:0 gewonnen. Am Mittwoch empfangen die Bremer Frankfurt zum Nachholspiel und danach am Samstag zum 30. Spieltag den VfL Wolfsburg. Ob zwei Heimspiele nacheinander ein Vorteil sind, ist freilich die Frage, wenn man bedenkt, dass Bremen 19 seiner 25 Punkte auswärts geholt hat. Und doch: Das rettende Ufer in der Tabelle ist wieder in Sichtweite.

Schalke beginnt noch defensiver als erwartet

Die Schalker sehnen nur noch das Saisonende herbei. Etwa ein Viertel Ballbesitz hatten sie in der ersten Halbzeit gegen Bremen, in einem Heimspiel gegen den Tabellenvorletzten. Ihr Trainer David Wagner hatte zuvor behauptet, seine Mannschaft könne zurzeit eigentlich nichts anderes spielen. Wieder fehlten auf dem Feld mit den verletzten Suat Serdar und Amine Harit sowie mit Benito Raman und Ahmed Kutucu auf der Bank die vier besten Schalker Torschützen. Sie haben zusammen 20 Treffer erzielt. Kein Wunder, dass die Schalker in der ersten Halbzeit keinen einzigen Ball aufs Bremer Tor brachten. Sie standen bloß hintendrin. "Wir haben erwartet, dass Schalke tief steht. So tief haben wir sie aber nicht erwartet", sagte Leonardo Bittencourt. Wagner erklärte hinterher: "Mit der taktischen Formation, für die wir eigentlich stehen, haben wir zuletzt zu viele Gegentore bekommen, deshalb müssen wir uns Stabilität neu erarbeiten."

Die Bremer erarbeiten sich auch gerade etwas neu. Sie kämpfen sich zurück zum Erfolg. Die neun Ersatzspieler schrien sich am Samstag am Spielfeldrand die Seele aus dem Hals, sie spielten Fans. Wie schon beim 1:0-Sieg in Freiburg erzielte Bittencourt in der 32. Minute den entscheidenden Treffer. Diesmal zog er mit dem Ball von der rechten Seite in die Mitte und schlenzte ihn kunstvoll ins lange Eck. Kurz vor der Pause verletzte sich der 26-Jährige allerdings in einem Luftduell mit Salif Sané und kehrte zur zweiten Halbzeit nicht aufs Feld zurück. Yuya Osako ersetzte ihn im offensiven Mittelfeld.

Nach der Pause verliert Bremen die Kontrolle - aber nicht die Führung

Fünf Minuten waren nach dem Wechsel gespielt, als der Japaner in einem Zweikampf den Ellbogen von Weston McKennie zu spüren bekam, was für den vorbestraften Schalker Gelb-Rot zur Folge hätte haben müssen. Doch er wurde vom Schiedsrichter Felix Zwayer verschont. Wagner holte McKennie dann per Auswechslung sofort vom Feld. Im nächsten Spiel am kommenden Sonntag bei Union Berlin wird er den Schalkern wegen einer Gelbsperre trotzdem fehlen. McKennies Ellbogen war immerhin das Symbol eines ganz anderen physischen Schalker Auftritts in der zweiten Hälfte. Wagner hatte die Spieler in der Pause offenbar ins Gebet genommen. "Die zweite Halbzeit entsprach dann eher dem Fußball, den wir eigentlich spielen wollen", sagte er hinterher. Den Bremern drohte das Spiel nun zu entgleiten. "Aufwachen!", schrie jemand aufgeregt aus dem Werder-Lager aufs Feld.

Auch der Angreifer Milot Rashica musste verletzt vom Feld und wurde durch den Angreifer Davie Selke ersetzt. Etwas später, 20 Minuten vor Schluss, wurde Kohfeldt vorsichtiger. Weil seine Bremer das Spiel nicht unter Kontrolle brachten, ersetzte er den Mittelstürmer Joshua Sargent durch Philipp Bargfrede. Es ging nun darum, das 1:0 zu verteidigen. Zum Bremer Glück brachten die Schalker trotz deutlich mehr Ballbesitz und der Hereinnahme von Raman, Kutucu und Guido Burgstaller vor dem Tor nicht viel zusammen. Raman bot sich die beste Gelegenheit, aber Torwart Pavlenka rettete. Am Ende ging den Schalkern die Luft wieder aus, und obwohl die Bremer das erleichternde 2:0 durch Osako verpassten, durften sie jubeln, als Zwayer zum letzten Mal an diesem Tag in seine Pfeife blies.

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