Bundesliga: Bremen - Nürnberg:Erfolglose Anarchisten

Die einzige Konstante ist die Inkonstanz: Fast eine Hälfte lang brilliert Werder mit neuformierter Offensive gegen Nürnberg - doch nach einem kuriosen Spielverlauf und einem irren Treffer von Gündogan verliert die Elf von Thomas Schaaf noch 2:3.

Johannes Aumüller

Es hatte vor diesem Spieltag ja so ausgesehen, als habe sich Werder Bremen etwas gefangen. Zehn Punkte hatte die Mannschaft von Thomas Schaaf in den vergangenen vier Spielen geholt und sich mit dieser Ausbeute als Vier-Wochen-Meister fühlen dürfen. Und 40 Minuten lang sah gegen den 1. FC Nürnberg alles so aus, als sollte sie diesen Trend fortsetzen könnte. Sie bot ein vorzügliches Spiel, erarbeitete sich viele Chancen und führte völlig verdient 1:0 - doch am Ende musste sich Thomas Schaaf mal wieder fragen (lassen), warum denn bei seiner Elf das einzig Konstante die Inkonstanz ist. Mit 1:3 verlor seine Elf und veharrt in der Tabelle auf Platz elf.

FC Bayern Muenchen - Werder Bremen

Vergab erneut zahlreiche gute Gelegenheiten: Bremens Marko Arnautovic.

(Foto: dapd)

Mit geballter Offensivkraft war Werder das Spiel angegangen, mit Hudo Almeida als Stoßstürmer, Claudio Pizarro zentral dahinter sowie Marko Arnautovic und Marko Marin auf den Flügeln. Wer sich den Kader des letztjährigen Bundesliga-Dritten ansieht, mag das für eine naheliegende, wenn nicht gar die naheliegendste Wahl halten; tatsächlich war es aus diversen Gründen aber so, dass dieses Quartett gegen Nürnberg erstmals in dieser Saison gemeinsam begann.

Wie gefährlich dieses Quarett ist, zeigte sich jedoch schon nach fünf Minuten, als drei der vier an der ersten Bremer Chance beteiligt waren - die dank des Nürnberger Rechtsverteidigers Juri Judt gleichzeitig auch das erste Bremer Tor war. Denn der patzte erstens, als er bei einem Steilpass von Per Mertesacker auf den am rechten Flügel lauernden Marin das Abseits aufhob - und zweitens, als er sich bei Marins Flanke von Pizarros Laufweg so irritieren ließ, dass sich in seinem Rücken Hugo Almeida davonschleichen und einköpfen konnte.

Es war ein schönes Tor, und es war der Auftakt zu einer temporeichen Phase, in der das Bremer Offensiv-Quartett nach Herzenslust wirbelte und rochierte und die Club-Abwehr ein ums andere Mal in Bedrängnis brachte - zumal der nominelle Rechtsverteidiger Wesley den anarchischen Spielansatz nicht seinen Vorderleuten überlassen wollte und des Öfteren mit nach vorne zog.

So kam folgerichtig Marin nach einem tollen Hakendribbling im gegnerischen Strafraum zu einer guten Chance (13.) und Hugo Almeida im Nachschuss zu einer noch viel besseren Chance. Nach 23 Minuten tauchte Arnautovic nach einem Steilpass alleine vor Club-Torwart Rapahel Schäfer auf, zog aber knapp übers Tor. Gut zehn Minuten später brachte Nürnbergs Abwehrspieler Javier Pinola erst im letzten Moment den Kopf an eine Arnautovic-Hereingabe - Hugo Almeida hatte wenige Meter vor dem Tor schon waagerecht in de Luft gelegen, um per Seitfallzieher zum 2:0 zu vollenden. Und dazwischen lagen noch etliche Momente, in denen die Bremer bei schnellen Vorstößen im letzten Schritt eine falsche Option wählten - oder der starke Schäfer hielt.

Doch während die Optimisten unter den Bremer Fans daran dachten, dass ihre Mannschaft zu Hause gegen Nürnberg schon seit August 1998 nicht mehr verloren und in den vergangenen drei Spielen gegen den Club immer mindestens zwei Tore erzielt hatte, schwante den Pessimisten unter den Bremer Fans Übles. Hatte sich ihre Mannschaft nicht auch am Dienstag im DFB-Pokal gegen den FC Bayern etliche gute Möglichkeiten erarbeitet - um am Ende doch zu verlieren?

Und in der Tat ließ der Anarcho-Wirbel von Pizarro & Co. mit zunehmender Spieldauer leicht nach - Nürnberg dagegen biss sich in die Partie. Nach einer knappen halben Stunde kam Ilkay Gündogan nach einer missglückten Rettungsaktion von Wesley zu einer Schusschance aus 18 Metern, die nur knapp am Tor vorbeiging. Zehn Minuten später zwang ein abgefälschter Freistoß von Julian Schieber Tremens Torwart Sebastian Mielitz zu einer herausragenden Parade. Und unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff trat der aus Bremer Sicht befürchtete Fall ein: Schieber setzte sich nach einem Einwurf zu einfach gegen Sebastian Prödl durch, passte scharf nach innen - wo Gündogan zum 1:1 abstaubte.

Silvestre mit vielen Fehlern

Nach dem Seitenwechsel sah es zunächst so aus, als könnten die Bremer dieses Gegentor schnell verarbeiten. Mit einem wunderbaren Freistoß-Aufsetzer setzte Arnautovic Club-Torwart Schäfer unter Druck - doch der parierte. Im Gegenzug ereignete sich jener Moment, für den die Fußball-Literatur den Begriff "ein Spiel auf den Kopf stellen" erfunden hat. Wieder setzte sich Schieber in halbrechter Position, und dessen von Mielitz abprallender Ball landete exakt auf dem Fuß von Mehmet Ekici - und plötzlich führte Nürnberg 2:1 (48.).

Werder Bremen - 1. FC Nuernberg

Traf zum 1:0 für Bremen: Hugo Almeida.

(Foto: dapd)

Wäre dieser 1,80 Meter große Ekici nur ein paar Zentimeter größer oder auch nur in Ansätzen ein Kopfballspieler, hätte es zehn Minute später auch 3:1 stehen können. Nach einem Fehler von Bremens Linksverteidiger Mikael Silvestre flankte Schieber genau auf dem Kopf des völlig freistehenden Ekici, doch dessen versuch war zu unplatziert, um Mielitz überwinden.

Silvestre, über dessen Seite beide Gegentore gefallen waren und dessen Patzer auch die Chance zum 1:3 eingeleitet hatte, musste raus, und mangels anderer Linksverteidiger, die Schaaf hätte einwechseln können, wälhlte der Bremer Trainer eine besonders kreative Lösung: Er schaffte den Linksverteidigerposten einfach ab und brachte mit Aaron Hunt lieber noch einen fünften Offensivmann.

Doch der Schwung und die Torgefahr der Anfangsphase kamen nicht mehr zurück, stattdessen blieben die Nürnberger gefährlich, unter anderem strich ein Schuss von Schieber nur knapp am Pfosten vorbei (61.). Aber erst ein irrer Moment brachte die Voretscheidung zugunsten der Elf von Dieter Hecking: In der 71. Minute setzte erst Gündogan einen Kracher die Latte, dann Schieber den Abpraller gegen den Pfosten, und dann Gündogan diesen Abpraller an den linken Unterschenkel von Torsten Frings - der den Ball zum 3:1 für die Gäste ins Netz abfälschte.

Es ist zwar so, dass dieser Bremer Mannschaft selbst dann noch eine Wende zuzutrauen ist, wenn alle anderen Mannschaften der Welt schon aufgegeben haben. Und insofern verblüffte es nicht, dass Werder noch das 2:3 durch Claudio Pizarro erzielte - doch es fiel erst in der 92. Minute und damit selbst für Werder zu spät, um noch ein drittes Tor nachzulegen.

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