Krise von Borussia Mönchengladbach:"So schlecht waren wir noch nie"

Krise von Borussia Mönchengladbach: Enttäuschung trotz des Punktgewinns: Christoph Kramer ist mit der Leistung seiner Borussia unzufrieden.

Enttäuschung trotz des Punktgewinns: Christoph Kramer ist mit der Leistung seiner Borussia unzufrieden.

(Foto: Matthias Hangst/Getty)

Gladbach kassiert in Hoffenheim ein Last-Minute-Gegentor, Spieler wie Christoph Kramer bewerten den Auftritt trotz Punktgewinn selbstkritisch. Nach der Winterpause braucht die Borussia eine Trendwende - doch welche Spieler bleiben, ist unklar.

Von Tim Brack

In Krisenzeiten ist es so schwierig wie wichtig, sich die Positivität zu bewahren. Man kann es deshalb so sehen, dass die Borussia aus Mönchengladbach sich nach dem in der Nachspielzeit kassierten Ausgleich in Sinsheim zumindest nicht lange überlegen muss, welchen Vorsatz sie fürs neue Jahr fasst: Endlich mal wieder gewinnen! Gegen Hoffenheim sah es bis zur 90. Minute tatsächlich nach der Befreiung für den krisengebeutelten Klub aus - doch in der ersten Minute der Nachspielzeit küsste Fortuna dann Kevin Akpoguma, der das verdiente 1:1 schoss. Trotzdem, man muss ja positiv bleiben, immerhin war es nicht die fünfte Niederlage in Serie für die Gladbacher.

So ähnlich bewertete auch Christoph Kramer das Geschehen. Der Gladbacher Mittelfeldmann, der im Fernsehen als ZDF-Experte schon die Fehler anderer Mannschaften messerscharf analysierte, ließ auch bei seinem eigenen Team keine Objektivität vermissen. "Hätten wir in den letzten Wochen nicht so viel berechtigte Kritik abbekommen", sagte er bei Sky, "dann würde ich hier stehen und sagen: Was wir hier für eine Scheiße gespielt haben, so schlecht waren wir noch nie." Das Remis sei schmeichelhaft, "aber darum ging es heute speziell einfach nicht". Sondern um einen Punkt. "Spätestens an Heiligabend um 22 Uhr weiß niemand mehr, wie wir den geholt haben."

Positivität in der Krise. Dieser pragmatische Ansatz ist sehr wahrscheinlich der richtige auf einem Weg, der nur als Prozess begriffen werden kann. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt: Wie findet die Borussia wieder zu sich selbst zurück?

Denn es ist ja nicht so lange her, da standen die Gladbacher in einem Champions-League-Achtelfinale, vor zehn Monaten war das. Jetzt stecken sie in den Ausläufern des Abstiegssumpfs. Für Sportdirektor Max Eberl dürfte die Frage über Weihnachten nicht so sehr lauten, wie sie da herauskommen - sondern mit wem. Er muss eine Inventur des Kaders machen, und das mit bescheidenen Mitteln aufgrund der Corona-Krise. Etwas Spielraum könnte der Verkauf prominenter Spieler bringen. Matthias Ginter, der einen früheren Hoffenheimer Ausgleich noch mit einer Rettungstat nahe am Handspiel verhindert hatte, zeigte sich gegenüber einem Abschied im Winter nicht gänzlich abgeneigt. "Ganz ausschließen kann man nichts", sagte der Innenverteidiger, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Doch zunächst rechnet er damit, auch zum Rückrundenbeginn noch das Gladbacher Trikot überzustreifen. "Ich glaube schon, dass heute nicht das letzte Spiel war", sagte der 27-Jährige.

Wie ein Fliegengewicht im Kampf gegen ein Schwergewicht

Ginter ist nicht der einzige Name auf der möglichen Verkaufsliste von Eberl. Auch der Schweizer Nationalspieler Denis Zakaria, der gegen Hoffenheim nicht immer die glücklichste Figur machte, steht darauf. Sein Vertrag läuft ebenfalls im Sommer aus. Des weiteren könnte der formschwache Stürmer Marcus Thuram zur Disposition stehen. Dass die ungewisse Zukunft Auswirkung auf dem Platz hat, wollte Kramer nicht gelten lassen. "Auch wenn wir es beim Namen nennen: Wenn Matthias Ginter und Denis Zakaria auf dem Feld stehen, dann beschäftigt sie es nicht, was sie im Winter, im Sommer oder in fünf Jahren machen", sagte Kramer: "Jeder, der Fußball gespielt hat, weiß, dass wir alles auf dem Feld tun, um das Spiel zu gewinnen."

Krise von Borussia Mönchengladbach: Auf der Palme: Gladbachs Sportchef Max Eberl sieht nach seinem Wutanfall im Anschluss an den Hoffenheimer Ausgleich Gelb.

Auf der Palme: Gladbachs Sportchef Max Eberl sieht nach seinem Wutanfall im Anschluss an den Hoffenheimer Ausgleich Gelb.

(Foto: Wolfgang Frank/Eibner/imago)

Gegen Hoffenheim tat vor allem Breel Embolo viel dafür, um das Spiel zu gewinnen. Er erzwang die Ecke vor dem Führungstreffer indirekt, nachdem er einen langen Ball behauptet hatte. Doch seine Wucht blitzte nur in wenigen Situationen auf, weil das Offensivspiel um ihn herum so gut wie nicht existent war (Kramer: "Wir haben jeden Ball nach vorne gebolzt"). Dass die Borussia mit dem vorhandenen Personal deutlich besseren Fußball spielen kann, das weiß auch Trainer Adi Hütter. Seine Elf wirkte gegen Hoffenheim phasenweise wie ein Fliegengewicht im Kampf mit einem Schwergewichtsboxer, der sich die Angriffsversuche in Ruhe anschauen kann, weil sowieso keine zu große Gefahr droht.

In die Zweikämpfe gingen seine Spieler allerdings mit der angemessen straffen Körperspannung, was bei 17 Gegentoren in den vier vorangegangenen Partien nicht immer der Fall gewesen war. "Wenn man vier Mal in Folge verloren hat und das Selbstvertrauen am Boden ist, sind das solche Spiele, in denen man kämpfen muss", sagte Hütter. "Das ist uns zuletzt auch vorgeworfen worden, aber gekämpft haben wir heute auf alle Fälle." Mit der defensiven Zuordnung klappte es aber trotzdem nicht immer. Die Hoffenheimer kombinierten sich teils sehr ansehnlich durch die Gladbacher Abwehr, nur Torhüter Yann Sommer spielt weiterhin auf dem Champions-League-Achtelfinale-Niveau, das vielen seiner Mitspieler abhanden gekommen ist. Der Schlussmann ärgerte Hoffenheim mit einigen Paraden und verhinderte wohl auch eine weitere Niederlage.

Hütter begriff das Unentschieden "als kleinen Schritt nach vorne". Es sei wichtig gewesen, die Niederlagenserie zu unterbrechen. Sein Klub hängt nun erst einmal auf dem 14. Tabellenplatz fest. Wenn Stuttgart am Sonntag gegen Köln gewinnt, könnten die Gladbacher sogar noch tiefer wandern. "Man darf die Tabelle nie außer acht lassen. Dass die Situation nicht ungefährlich ist, sehe ich natürlich auch", sagte Hütter. Die Aussichten auf die Rückrunde sind so unerfreulich wie der Blick auf die Tabelle: Zum Auftakt am 7. Januar muss die Borussia beim Spitzenreiter FC Bayern antreten. Ende Oktober warf die Elf von Hütter die Münchner noch mit 5:0 aus dem DFB-Pokal - ein Ergebnis wie aus einem Paralleluniversum. Aber neues Jahr, neues Glück. Und der Vorsatz, mal wieder einen Sieg einzufahren, muss ja auch nicht gleich im ersten Spiel erfüllt werden.

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