Bundesliga:Die zwei Gesichter der Borussia

Der Klub braucht gegen den FC Bayern eine Champions-League-Leistung, gleichzeitig beschäftigen ihn Zukunftsfragen: Wer bleibt über den Sommer hinaus - und wer geht?

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Das erste Spiel während der selbst gewählten Auszeit war gerade gewonnen, da schickte der Manager eine Grußbotschaft aus dem Irgendwo. Ein Glückwunsch zum 1:0-Sieg bei Arminia Bielefeld ging kurz nach Schlusspfiff auf dem Handy von Trainer Marco Rose ein, allerdings verbunden mit dem Hinweis, dass das Zuschauen in der spannenden Endphase mit Strapazen verbunden gewesen sei. Dabei hatte Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl sein Januar-Sabbatical doch eigens gewählt, um zur Ruhe zu kommen und Abstand zu gewinnen vom Fußball-Alltag. Da ist Fußballschauen eigentlich kontraproduktiv.

Der gebürtige Niederbayer Eberl wird auch an diesem Freitagabend vor irgendeinem Monitor sitzen, um sich an einem geheim gehaltenen Ort - es heißt, er habe sich in die Berge zurückgezogen - das Spiel seiner Borussia gegen Bayern München anzuschauen. Im Lotussitz wird ihm das auch diesmal kaum gelingen, denn der Manager neigt zum Nikotin. Im Februar erst will der 47-Jährige ausgeruht in sein Büro im Borussia-Park zurückkehren, um den Verein mit hochgekrempelten Ärmeln in eine rosige Zukunft zu führen. Wenn's aber blöd läuft, sind die Champions-League-Plätze in der Tabelle dann noch weiter weg als jetzt schon auf Platz sieben, und so mancher im Borussia-Kosmos könnte ins Grübeln geraten, mit welchen Aussichten es am Niederrhein weitergeht.

In Mönchengladbach hängt in der ersten Jahreshälfte Vieles voneinander ab: vom sportlichen Erfolg der Verbleib einiger der besten Spieler - und von deren Plänen wohl wiederum die Perspektive des Trainers. Borussen wie die deutschen Nationalspieler (Florian Neuhaus, Matthias Ginter) und die französischen (Alassane Plea, Marcus Thuram) haben in der laufenden Champions-League-Saison auffällig Werbung für sich gemacht. Jedoch vermochten sie in der Bundesliga nicht zu verhindern, dass die Mannschaft den Kontakt zur Tabellenspitze abreißen ließ. Dadurch könnte im einen oder anderen Fall ein Vereinswechsel interessanter erscheinen als ein Verbleib.

Marco Rose wiederum gilt als einer der gefragtesten Trainer in der Branche. Gerade mal in seiner zweiten Saison in Mönchengladbach, verkörpert er mit modernem Fußball und seiner eloquenten, kumpelhaften Art mehr als andere Fußballlehrer jenen Jürgen-Klopp-Stil, nach dem sie sich beispielsweise bei Borussia Dortmund seit dem Fortgang des Originals im Sommer 2015 so sehr sehnen. Und just dort suchen sie gerade händeringend einen neuen Trainer für die kommenden Jahre.

Eberl muss hilflos aus der Ferne zuschauen

Abhängig vom Verlauf der Saison könnte bei Gladbach ein Signal mit Streuwirkung auch von Innenverteidiger Ginter ausgehen. Sein Vertrag endet 2022, weshalb er sich in diesem Sommer entscheiden muss, ob er seine Anstellung verlängert oder gegen eine Ablösesumme den Verein wechselt. Normal wäre bei einem Verbleib eigentlich, diese Entscheidung im Januar bereits beschlossen zu haben. Aber momentan ist nichts normal. Der Nationalspieler Ginter, mit 26 Jahren im besten Fußballeralter und im Kalenderjahr 2020 der Bundesligaprofi mit den meisten Spielminuten (2354), noch vor den Torhütern Peter Gulacsi (Leipzig) und Manuel Neuer (Bayern), will sich mit seiner Entscheidung Zeit lassen. Er erklärte in der Rheinischen Post, welche Aspekte da hineinspielen: "Wie geht es weiter mit der Pandemie? Wie bleibt das Team hier zusammen? Wohin geht es sportlich? Und natürlich spielt der Faktor Trainer ebenfalls eine Rolle." Hier würde offenbar einer vom anderen gern wissen, wie er plant - und umgekehrt. Es werde wohl erst Richtung Sommer eine Entscheidung geben, sagt Ginter.

In dem Wissen, dass fünf Monate vor Saisonende einiges, aber längst nicht alles zu finalisieren ist, hat sich der Manager Eberl bei seiner eigenen Vertragsverlängerung bis 2026 die Auszeit erbeten. Nach zwölfjähriger Tätigkeit als Sportdirektor, ohne einen längeren Urlaub, bekam er sie vom Präsidium genehmigt. Das tägliche Büro mal vier Wochen erspart zu kriegen, erscheint hilfreich, allerdings muss Eberl jetzt auch hilflos aus der Ferne mit ansehen, welchen Weg die Mannschaft einschlägt. Auch die weiteren Spiele in Stuttgart, gegen Bremen und gegen Dortmund wird er irgendwo vor dem Bildschirm anschauen - und hoffen, dass sich nach seiner Rückkehr das Thema Champions League für die nächste Saison nicht schon weitgehend erledigt hat.

Denn auch die Verträge von Innenverteidiger Nico Elvedi und von Mittelfeldspieler Denis Zakaria enden 2022. Beide sind Schweizer Nationalspieler und 24 Jahre jung, da wird es Angebote geben. Die Franzosen Plea und Thuram haben in der aktuellen Champions-League-Runde von sich reden gemacht. Plea steht mit fünf Toren und drei Vorlagen in der Scorerliste gleichauf mit Ciro Immobile und Neymar an der Spitze, vor Weltstars wie Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Thuram steht mit zwei Toren und vier Vorlagen gleichauf mit Spielern wie Erling Haaland, Kylian Mbappé und Timo Werner. Im Februar und März bekommt es Gladbach im Achtelfinale mit Manchester City zu tun, das wird ein vereinshistorisches Highlight.

Borussias irdisches Problem aber ist, dass die Spieler ihre internationalen Leistungen in der Bundesliga bislang kaum reproduzieren konnten. Denn dort taten sie sich schwer, ihre vielen kreativ herausgespielten Chancen zu verwerten. Und so dürfte der Manager Eberl in seinem alpinen Refugium gespannt sein, ob seine Mannschaft an diesem Freitagabend ihr Königsklassen- oder ihr Bundesliga-Gesicht zeigt. Ersteres würde ihm nach seiner Rückkehr die Arbeit erleichtern.

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