Borussia Dortmund:Comeback der Pressingmaschine

Borussia Dortmund: Elfmetersorgen? Iwo, vergessen, nachdem Jadon Sancho (links neben Marco Reus und Erling Haaland) den BVB in Führung gebracht hat.

Elfmetersorgen? Iwo, vergessen, nachdem Jadon Sancho (links neben Marco Reus und Erling Haaland) den BVB in Führung gebracht hat.

(Foto: Sascha Steinbach/AP)

Unter Trainer Terzic aktiviert der BVB verschüttet geglaubte Strategien, die einst unter Klopp und Tuchel wirkten. Doch bringen die schon die Trendwende?

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Fußball ist letztlich doch ein einfaches Spiel. Julian Brandt, Mittelfeldspieler bei Borussia Dortmund, brachte den größten fußballerischen Fortschritt seiner Mannschaft deshalb ganz einfach auf den Punkt: "Wir hatten nur eine Ecke gegen uns. Auch so kann man sich das Problem mit den Standardsituationen vom Hals halten." Ob das nun die Ursache der Trendwende war, und ob es überhaupt schon eine gibt, ist nach dem Dortmunder 3:1 (1:1) gegen den FC Augsburg zwar noch nicht letztgültig geklärt, aber immerhin ist beim BVB schon wieder mehr Humor im Spiel. Durch Standards, also Ecken und Freistöße, hatte die Borussia fast alle ihre bereits sieben Saisonniederlagen kassiert.

Die Ergebniskrise ist fürs Erste abgewendet, der Abwärtsdrall in der Tabelle, weg von den Champions-League-Plätzen, gestoppt. Aber ob das an den spielerischen Fortschritten unter Trainer Edin Terzic lag, die gegen Augsburg unverkennbar waren, oder am dezenten Auftritt des Gegners, war, wie so oft im Fußball, schwer zu deuten. Als seinen besten Spieler machte Dortmunds Trainer den Defensivstrategen Thomas Delaney aus, der fast alle Zweikämpfe für sich entschied, das größte Laufpensum absolvierte und nach feinem Zuspiel von Marco Reus ein Kopfball-Schultertor zum 1:1 erzielte. Wenn Delaney der Beste ist in einer Mannschaft, in der selbst der Abwehrchef Mats Hummels sich als Künstler versteht, sagt das schon etwas über den langsam greifenden Stilwandel.

Bis zu Delaneys Ausgleichstor erinnerte allerdings manches beim BVB an den Filmklassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier". Dortmunds Offensiv-Künstler drehten von Anfang an voll auf, doch Augsburgs André Hahn konnte, ungestörter als in jedem Trainingsmatch, nach zehn Minuten zum 1:0 einschießen. Vor allem BVB-Innenverteidiger Manuel Akanji wirkte dabei so engagiert wie eine Marmorstatue im Skulpturen-Garten. Ebenfalls wie immer: Als sich nach 19 Minuten Erling Haaland (statt des zuletzt zweimal patzenden Reus) den Ball für einen Handelfmeter zurecht legte, ahnte man bereits den Gang der Dinge. Haaland zielte, typisch BVB, zu genau - und traf die Latte.

Schlechteste Startbilanz seit Thomas Doll

"Von den Elfmetern habe ich allmählich die Schnauze voll", ließ Terzic später wissen. Zu einer Zeit, zu der man die Elfmeter-, Standard- und Tiefschlaf-Probleme seiner Mannschaft wieder mit einer Prise Humor nehmen konnte. Nicht zuletzt, weil Delaney wenige Minuten nach Haalands Fauxpas (21.), dann doch der Ausgleich gelang (26.). Der Däne gehört seit dem Dortmunder Trainerwechsel im Dezember zu den Gewinnern. Vorausgesagt hätte man ihm das unter Terzics Vorgänger Lucien Favre nicht.

Denn hinter dem mittlerweile von einem Achillessehnenriss außer Gefecht gesetzten Axel Witsel, hinter Wunderkind Jude Bellingham und hinter Nationalspieler Emre Can wirkte Delaney chancenlos. Am Samstag nominierte ihn Terzic in einer 4-1-4-1-Aufstellung als einzigen Strategen zentral vor der Abwehr. Grundsätzlich stimmte diese Struktur, denn die BVB-Treffer zum Sieg, durch Jadon Sancho und ein Eigentor von Felix Uduokhai, der einen Schuss von Haaland abfälschte, fielen dabei mit einer gewissen Selbstverständlichkeit.

Im Hinspiel, das 2:0 für Augsburg endete, hatte FCA-Trainer Heiko Herrlich mit einer Mauertaktik Dortmunds Feinfüße aus dem Tritt gebracht. Dieses Mal presste Dortmund die Augsburger hoch und früh und schuf so jede Menge Überraschungsmomente. Dieses Pressing hat Terzic gezielt wieder eingeführt. Einst unter Jürgen Klopp, später zeitweise auch bei Thomas Tuchel, galt der BVB als "Pressingmaschine" (Klopp). Ganz so weit sind sie noch nicht wieder. Aber den Fähigkeiten des offensivlastigen Kaders entspricht die Spielweise mehr als das meist verhaltene, abwartende Spiel unter Favre.

Trotzdem steht Terzic im Moment als der Dortmunder Trainer mit der schlechtesten Startbilanz seit Thomas Doll da, also dem Vorgänger von Klopp in grauer Vorzeit, anno 2007. Allerdings musste der Neue die Mannschaft in seinen neun Bundesliga-Spielen fünfmal gegen Konkurrenten um die vier Champions-League-Ränge führen: Gegen Wolfsburg und Leipzig gab es Siege, gegen Union, Leverkusen und Gladbach Niederlagen. Gegen Augsburg gelang es nun erstmals in der laufenden Saison, ein komplettes Spiel auf gleichmäßig hohem Niveau durchzuziehen.

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