Spiele im Drei-Tage-Takt haben auch Vorteile: Man hat keine Zeit, ins Grübeln zu kommen. Der späte Ausgleich, den sich die Dortmunder am Donnerstagabend im Europa-League-Heimspiel gegen Paris St.Germain einfingen, kann bei den jungen Spielern von Trainer Jürgen Klopp wenig mentalen Schaden anrichten, weil keine Zeit für Zweifel bleibt. Jedenfalls möchte Klopp das so sehen - und mit ihm seine Spieler.

Nuri Sahin, dem durch einen verwandelten Elfmeter die Führung gegen die hartnäckig und intelligent verteidigenden Pariser gelungen war, musste nach dem 1:1-Ausgleich durch Chantôme in der 87. Minute allerdings erst mal schlucken. "Das war ein bitteres Spiel - genau wie das gegen Sevilla", bilanzierte Dortmunds junger Mittelfeldspieler.
Aber die beiden ernüchternden Gruppenspiele in der Europa League, mit nur einem Punkt aus zwei Heimspielen, werden in Dortmund derzeit mit Leichtigkeit von der Dauersüßspeise Tabellenführung überdeckt. "Das letzte Mal haben wir sehr unverdient gegen Sevilla verloren und am Sonntag darauf dann die Bayern 2:0 geschlagen", sagt der Publikumsliebling Sahin im Bemühen, jeden Zweifel schnell wegzureden. Am Sonntag spielt Dortmund gegen Hoffenheim.
In der Europa League zahlt Klopps junge Elf unterdessen erstaunlich viel Lehrgeld. Hinter Paris (sieben Punkte) und Sevilla (sechs) liegt Dortmund mit vier Zählern schon etwas zurück. Gegen Sevilla war hauptsächlich der Schiedsrichter schuld, dieses Mal zeigten die Fernsehbilder zwar, dass das Tor für PSG wegen einer Abseitsstellung nicht hätte zählen dürfen. Aber das änderte nichts daran, dass die Borussen zuvor aus guten Torchancen zu wenig gemacht hatten. Ein Problem, mit dem Klopps Jungschar sich schon länger plagt. "Wir haben heute wieder viel gelernt", sagte Klopp, "vor allem haben wir aber gesehen, dass wir in Paris durchaus auch gewinnen können."
In der Bundesliga gelingt es den Dortmundern meist wesentlich besser, spielerische Dominanz in die nötigen Tore zu verwandeln. Gegen Hoffenheim wird Klopp aber womöglich auf seinen zweiten Sechser (neben Sahin) verzichten müssen. Sven Bender - im Mannschaftskreis "Manni" gerufen, nach einem derzeit noch bekannteren Kollegen gleichen Nachnamens - musste mit Muskelproblemen im Oberschenkel zur Halbzeit ausgewechselt werden. Klopp berichtete am Freitag, er habe zu Bender gesagt: "Wenn Du am Sonntag wieder spielen kannst, ist das spektakulär, am Mittwoch im Pokal gegen Offenbach wäre es sensationell, aber nächste Woche Sonntag in Mainz musst Du einfach wieder da sein." Der Rosenheimer Bender, berichtet Klopp weiter, habe auf Bayerisch geantwortet: "Trainer, ich steh' mehr fürs Spektakuläre." Es ist die gute Laune eines überraschenden Tabellenführers.
Einen Teamspirit wie bei dieser Mannschaft, glaubt Vorstandschef Hans-Joachim Watzke, habe man "in Dortmund noch nie erlebt". Die Lust an der internen Harmonie und die Erfolgsserie in der Liga scheinen die junge Truppe in steter Hochstimmung zu halten. Auf die am Donnerstag aufgetauchten Meldungen, der FC Bayern habe es darauf abgesehen, Spielmacher Sahin nach altbekannter Transferpolitik bei Dortmund herauszukaufen, konterte der kürzlich 22 Jahre gewordene Deutsch-Türke: "Ich habe das auch nur in der Zeitung gelesen. Aber: Ich bleibe in Dortmund." Sahin verfügt über eine Ausstiegsklausel im Vertrag. Man hält es im Klub aber für ausgeschlossen, dass der gebürtige Sauerländer den BVB in absehbarer Zeit verlassen könnte. Dazu macht das aktuelle Spektakel offenbar allen Beteiligten zu viel Spaß.
Sahin spielt seit seinem 11. Lebensjahr beim BVB, war aber für ein Jahr ausgeliehen an Feyenoord Rotterdam, wo er unter dem früheren BVB-Trainer Bert van Marwijk erstaunliche Fortschritte machte. Auch Sahin merkte man gegen Paris Anlaufprobleme an, ähnlich wie Kevin Großkreutz, Lucas Barrios oder den Verteidigern Neven Subotic und Mats Hummels. Vermutlich schon gegen Hoffenheim wird man sehen, ob der Ritt auf dem fliegenden Teppich weitergeht oder ob physische und mentale Verschleißerscheinungen zur Zwischenlandung zwingen.