BVB-Meisterschaft 1995:Als Andy Möller sich die Schale krallte

Nur noch Bayern als Dauer-Meister? Das war vor 25 Jahren ganz anders. Bei der ersten Dortmunder Meisterschaft seit Gründung der Bundesliga kommt sogar Unterstützung aus München.

Von Tim Brack

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FC Bayern München - SV Werder Bremen: Trainer Otto Rehhagel (Bremen) wird von Fotografen umlagert; FC Bayern gegen Werder Bremen 1995

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Vor 25 Jahren sind die Verhältnisse in der Bundesliga noch nicht so zwanghaft geordnet wie heute. Es besteht durchaus die Gefahr, dass der FC Bayern in einer Spielzeit nicht Meister wird. In der Saison 1994/95 haben die Münchner am letzten Spieltag sogar überhaupt keine Chance auf den Titel. Die Schale weilt dennoch in der Stadt. Das liegt an den Gästen aus Bremen mit ihrem Trainer Otto Rehagel (im Bild), der in der nächsten Saison den FC Bayern übernehmen wird. Seit dem 29. Spieltag steht Werder auf Platz eins, der Verfolger aus Dortmund liegt am letzten Spieltag einen Punkt dahinter. Am 17. Juni 1995 bahnt sich ein Herzschlag-Finale an.

Borussia Dortmund Hamburger SV 1995

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In Dortmund, wo die BVB-Profis um Ibrahim Tanko (rechts im Bild) gegen den Hamburger SV spielen, befindet sich nur eine Kopie der Meisterschale. Es ist verständlich, denn es braucht eine kleine Sensation, dass der BVB noch Meister wird. Die Dortmunder müssen gegen den HSV gewinnen und gleichzeitig auf einen engagierten Auftritt des FC Bayern gegen Werder hoffen. Für die Münchner geht es am letzten Spieltag allerdings um nichts mehr.

FC Bayern gegen Werder Bremen, 1995

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Die Dortmunder lassen im Vorfeld deswegen nichts unversucht, um die Bayern-Spieler zu motivieren. Da helfen die Kontakte zum Ex-Dortmunder Thomas Helmer (Nummer fünf). Helmer versichert, die Bremer würden in München nichts zu lachen haben. Die BVB-Spieler stellen Helmer sogar einen Freiflug nach Dortmund in Aussicht, um an der Meisterfeier teilzunehmen. Helmer nimmt dankend an. Auch Lothar Matthäus (rechts im Bild) lässt über die Bild ausrichten: "Wir Bayern geben alles!"

Fussball Bundesliga Deutschland Herren Saison 1994 1995 Bor Dortmund Hamburger SV Lars Ricke; Lars Ricken Borussia Dortmund Hamburger SV 1995

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Gegen Hamburg sind die Dortmunder selbst bemüht, ihre Prüfung schnell und erfolgreich abzulegen. An ihnen soll es ja nicht liegen, dass das mit der Meisterschaft nicht noch etwas wird. Der 18 Jahre alte Lars Ricken (im Bild), der unter der Woche noch für seine letzte Klassenarbeit gelernt hat, trifft in der 28. Minute zum 2:0. Das erste Tor hat Andreas Möller mit einem cleveren Freistoß erzielt. In München sind zu diesem Zeitpunkt auch schon zwei Treffer gefallen. Es steht 1:1, nachdem Mario Basler per Elfmeter ausgeglichen hat.

Mario Basler Werder Bremen und Mehmet Scholl Bayern Muenchen ca 1995 Fussball Bundesliga in Bremen D; FC Bayern gegen Werder Bremen 1995

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Die Bayern schießen in der Folge noch zwei Tore und verhelfen den Dortmundern so zur Meisterschaft. Durch das 1:3 in München bleibt Bremens Mario Basler (links im Bild) nur die Auszeichnung zum Torschützenkönig der Saison. Die Schale (vorerst nur eine Kopie) geht aber ...

Borussia Dortmund, Deutscher Meister 1994/95

Quelle: imago sportfotodienst

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... nach Dortmund. Dort rettet der BVB das 2:0 gegen den HSV fahrig und verkrampft über die Zeit. Mit dem Abpfiff lösen sich dann alle Anspannungen - die Dortmunder kommen im Meisterrennen Millimeter vor Bremen ins Ziel. Danach herrscht ein Ausnahmezustand im Westfalenstadion. Andreas Möller weint Tränen der Freude, so auch Trainer Ottmar Hitzfeld, der mal gesagt hatte, sich seiner Mannschaft nicht mehr erkennen geben zu wollen. Der Vorsatz des Gefühlsaskets weicht aber im Freudentaumel der Meisterschaft auf.

Julio Cesar (Mitte), Michael Zorc (li.) und Martin Kree (alle BVB) jubeln - Borussia Dortmund ist Deutscher Meister 199; Borussia Dortmund, Deutscher Meister 1994/95

Quelle: imago images/WEREK

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Auch Verteidiger Julio Cesar ist emotional. Er liegt seinem Kapitän Michael Zorc (links) in den Armen. Der Brasilianer ist ein Beispiel dafür, wie Hitzfeld seine Mannschaft zur Meisterschaft geführt hat. Am Donnerstag vor dem großen Finale nahm sich Cesar noch trainingsfrei. "Er darf das", sagte Hitzfeld, "er hat öfter mal Schnupfen hier in unserem Klima." Die SZ notierte dazu: "Donnerstags hat Cesar oft Schnupfen, den er meistens in Turin kuriert, was aber alle in Ordnung finden, seit er seinen BVB-Vertrag bis 1997 verlängert hat."

Borussia Dortmund ist Deutscher Meister 1995 - Fans des BVB feiern inmitten des Westfalenstadions; Borussia Dortmund, Deutscher Meister 1994/95

Quelle: imago images/Claus Bergmann

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Der Stadionsprecher bittet die Fans nach dem Abpfiff noch, nicht über die Zäune zu klettern. Die Fans klettern über die Zäune. Die Freude über die erste Meisterschaft seit 32 Jahren lässt sich eben nicht aussperren. Tausende strömen auf den Rasen. Stürmer Karlheinz Riedle flieht, klettert trotz eines Kreuzbandrisses über den fast drei Meter hohen Trennzaun, um den Massen zu entkommen. Der Auswechselspieler Thomas Franck schmuggelt die Meisterschale unter seinem T-Shirt in die Kabine - in Sicherheit.

Borussia Dortmund, Deutscher Meister 1994/95

Quelle: imago sportfotodienst

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Es ist ein Titel für die Fans, die Menschen, die Region. Dortmund ist der erste Klub aus dem Ruhrgebiet, der seit Gründung der Bundesliga 1963 die Schale holt. Der BVB war auch der letzte Meister vor der Gründung. In die Gemütslage, die vor dem Meisterstreich herrschte, gab BVB-Präsident Gerd Niebaum noch vor dem Finale Einblick. Was wohl wäre, wenn sein Klub "nur" Zweiter wird? "Die Münchner oder Hamburger übertragen die Maßstäbe ihrer erfolgsverwöhnten Städte auf uns. Aber der Ruhrgebietler ist geübter in der Überwindung von Rückschlägen und Enttäuschungen. Da hat er schon viel zu viele von erlebt, im Arbeitsleben, in der Wirtschaft. Es wird eine kurze, lähmende Trauer geben - aber kein Scherbengericht."

Borussia Dortmund ist deutscher Meister 1995 - Trainer Ottmar HITZFELD (Mitte) jubelt mit der Meisterschale, li. Co Tra; Borussia Dortmund, Deutscher Meister 1994/95

Quelle: imago images/Sven Simon

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Niebaum kündigte auch eine "neapolitanische Freude" im Falle des Titelgewinns an, "genauso echt und unheimlich tief". Er behält recht. In Dortmund sitzen Bettler mit BVB-Schal am Straßenrand, Metzgerfrauen verkaufen das Kilo Gehacktes im gelb- schwarzen Trikot, und in den Läden gibt es Milch, Sekt, Brot und Gartenzwerge im Borussen-Stil zu kaufen. Bei der Meisterfeier am nächsten Tag darf Trainer Hitzfeld in seinem vierten Jahr den Dortmundern die Schale präsentieren.

Empfang des Dt. Meisters Borussia Dortmund auf dem Friedensplatz 18.6.1995 HM; Borussia Dortmund, Deutscher Meister 1994/95

Quelle: imago images/Horstmüller

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Die Freude in der Stadt ist riesig. Es ist eine Feier, die (mindestens) zwei Tage dauert. Auf dem Friedensplatz empfangen 60 000 Fans ihre Meister-Mannschaft mit Schals, Fahnen und Jubel. Nationalspieler Steffen Freund gibt sich dort nicht nur dem Moment hin. Er denkt schon an die nächste Saison. "Wir haben keine Angst vor der Champions League. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir mit europäischen Spitzenklubs mithalten können", sagt er. Mit dem Titel dort klappt es aber erst eine weitere Meisterschaft und zwei Jahre später.

© SZ.de/sonn
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