Süddeutsche Zeitung

Borussia Dortmund:Ohne Haalands Treffer wird's brenzlig

Der BVB lässt einmal mal mehr gegen ein Topteam Qualität vor dem Tor vermissen. Nach dem 1:2 gegen Eintracht Frankfurt fällt Mats Hummels ein drastisches Urteil.

Von Ulrich Hartmann

"Ich bin entspannt", hatte Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc am Donnerstag gesagt. "Wir sind entspannt", hatte der Abteilungsleiter Sebastian Kehl am Samstag kurz vor dem Anpfiff noch einmal bestätigt. Beide hatte sich demonstrativ unbeeindruckt davon zeigen wollen, dass der Vater und der Berater ihres Ausnahmestürmers Erling Haaland unter der Woche beim FC Barcelona und bei Real Madrid vorgesprochen hatten.

Bewegtbilder von Alf-Inge Haaland und Mino Raiola an spanischen Flughäfen dürften mit ein bisschen Verspätung nun aber doch noch ein gewisses Unbehagen beim BVB auslösen. Denn nach der 1:2 (1:1)-Niederlage gegen den direkten Konkurrenten Eintracht Frankfurt beträgt Dortmunds Rückstand auf die Champions-League-Plätze schon sieben Punkte. Sollte sich der BVB nicht für den lukrativsten Klubwettbewerb qualifizieren, dann würde sich die Gefahr eines Haaland-Abschieds dramatisch erhöhen. Allerdings gibt es in diesem Sommer wohl kein vertragliches Schlupfloch, und sein Preis soll auch recht hoch sein. Die Rede ist von 150 Millionen Euro.

"Die Chance auf die Champions-League-Qualifikation ist jetzt klein", bemerkte nach der Niederlage der Abwehrchef Mats Hummels im Sender Sky, er fürchtet im Falle des Verpassens der europäischen Meisterklasse auch wirtschaftliche Konsequenzen für den Klub: "Dann könnte es natürlich sein, dass man einen Spieler verkaufen müsste, den man eigentlich halten will", sagte Hummels generell. Als lohnende Verkaufskandidaten kämen aber eigentlich nur Haaland und der zurzeit verletzte Flügelstürmer Jadon Sancho (geschätzte 100 Millionen Euro) in Frage.

Ein vernichtendes Urteil fällte Hummels über die momentane Qualität der Mannschaft: "Wir waren technisch nicht gut genug, da sind uns andere Mannschaften momentan vielleicht voraus." Trainer Edin Terzic wollte ihm da nicht einmal widersprechen, als er sagte: "Ich finde auch, dass wir heute sehr viele Ballverluste hatten."

Dortmunds letzte Bundesliga-Siege gegen Spitzenteams datieren vom 3. Januar (2:0 gegen Wolfsburg) und vom 9. Januar (3:1 in Leipzig). Damals waren sie noch Vierter mit drei Punkten Vorsprung. Nun sind sie Fünfter mit sieben Punkten Rückstand auf den Tabellennachbarn Frankfurt. Sieben Spieltage vor dem Saisonende ist das eine Hypothek. "Selbst mit sechs oder sieben Siegen würde das jetzt schwierig werden", sagte Hummels.

Dem BVB gelingen nur wenige finale Pässe

Terzic hatte sich gegen die Eintracht für eine 4-1-4-1-Formation entschieden, in der drei ungewohnte Besetzungen auffielen: Marco Reus vorne links, Raphael Guerreiro zentral-offensiv und Emre Can hinten rechts. Von Can weiß man zwar, dass er außer Torwart und Busfahrer jede Position auszufüllen in der Lage ist - es war aber ausgerechnet der Nationalspieler, der in der 11. Minute versäumte, eine Flanke von Filip Kostic zu unterbinden, die in die Frankfurter 1:0-Führung mündete. Der Treffer fiel insofern kurios, als BVB-Linksverteidiger Nico Schulz per Kopf vor André Silva klären wollte, dieser Kopfball aber so unglücklich wegsprang, dass er im hohen Bogen über den eigenen Torwart Marwin Hitz hinweg ins eigene Tor flog.

Den Dortmundern gelangen insgesamt nur wenige finale Pässe. Als sie doch mal zwei zustande brachten, vergab Haaland beide Gelegenheiten. Der Ausgleich zum 1:1-Pausenstand in der 45. Minute sah nicht minder kurios aus als der vorangegangene Treffer auf der Gegenseite. Eine Ecke von Reus ließ der heranspringende Can brüstlings nach vorne prallen, wo Hummels den Ball per Drehung ins Frankfurter Tor schoss.

In der zweiten Halbzeit mühten sich die Dortmunder durchgängig unergiebig ab. Gegen gut verteidigende und gefährlich umschaltende Frankfurter hatten sie in der 65. Minute noch Glück, dass Stefan Ilsanker vor seinem Kopfballtor nach Kostic-Freistoß knapp im Abseits gestanden hatte. Doch drei Minuten vor dem regulären Ende wurde ein Frankfurter Kopfballtor, diesmal durch André Silva nach einer Flanke Kostics, nicht zurückgenommen.

Die Hessen spielten gnadenlos effektiv. Die Dortmunder ließen einmal mehr gegen eine Spitzenmannschaft die Qualität vor dem Tor vermissen. Haalands einzige Chance in der zweiten Hälfte ging knapp vorbei. Wenn der Norweger nicht trifft, wird's brenzlig für den BVB. Am Dienstag steht das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Manchester City an.

"Ich weiß gar nicht, ob's verdient war", sagte Frankfurts Mittelfeldmann Sebastian Rode über den Sieg, wirkte in seiner Ungewissheit aber nicht gerade unglücklich. "Wir müssen diesen Vorsprung jetzt auf Biegen und Brechen halten", befahl er seinem Team für die verbleibenden sieben Spiele. Allerdings wird das schon in den nächsten vier Partien schwierig. An den kommenden drei Samstagen bekommen es die Frankfurter mit Wolfsburg (zu Hause), Mönchengladbach und Leverkusen (beide auswärts) zu tun.

"Wir stehen nicht umsonst auf Platz vier", fand nach dem Sieg Eintrachts Trainer Adi Hütter, "wir haben mutig gespielt und verdient gewonnen." Die Mannschaft sei in einer sehr guten Verfassung. "Mit diesem Sieg haben wir einen großen Schritt gemacht." Der Eintracht winkt die erstmalige Qualifikation für die Champions League. Was diese Aussicht für Hütter bedeutet, werden die nächsten Wochen zeigen. Noch immer gilt er einigen Medien als Kandidat bei Borussia Mönchengladbach.

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