Borussia Dortmund:Gefangene des eigenen Weges

Borussia Dortmund: Zum Haareraufen: Gegen Mainz lässt der BVB einmal mehr Punkte gegen eine Mannschaft im Abstiegskampf liegen.

Zum Haareraufen: Gegen Mainz lässt der BVB einmal mehr Punkte gegen eine Mannschaft im Abstiegskampf liegen.

(Foto: Leon Kuegeler/AP/Leon Kuegeler/AP)

Der BVB erinnert nach dem Trainerwechsel an ein Paar in der Eheberatung: Der Wille ist zurück, aber an der Feinabstimmung hapert es noch. Die wilde Mischung an Spielertypen ist nicht durchweg ein Vorteil.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Edin Terzic schien mit den Zähnen zu knirschen und sezierte halbwegs akademisch, woran es mal wieder gelegen hatte: Die Seiten habe man mit verrinnender Spielzeit zu wenig gewechselt, in "die gefährlichen Räume" sei man immer weniger eingedrungen, und der Start in die zweite Halbzeit sei "nicht zufriedenstellend" gewesen. Borussia Dortmunds Trainer war um Contenance bemüht. Das gelingt nicht immer. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, berühmt für ihre Kunst der Selbstbeherrschung, wird von Kameras immer mal wieder dabei erwischt, wie sie die Augen verdreht, wenn sie männlichen Kollegen wie Trump oder Putin zuhören muss.

Hinter verschlossenen Kabinentüren dürfte sich Terzics Analyse denn auch weniger nach Proseminar angehört haben. Schließlich ist er ein Kind des Ruhrgebiets. Analyse ist halt gut - es besser zu machen, ist aber besser. Das 1:1 gegen Mainz 05 hat den BVB in seiner frisch aufgenommene Fahrt - mit zwei Siegen gegen die direkten Konkurrenten Wolfsburg und Leipzig - schon wieder gebremst. Ja, man durfte hadern beim BVB, denn Mainz, das Ende der vergangenen Saison als Abstiegskandidat an selber Stelle sogar 2:0 triumphiert hatte, verteidigte bärbeißig.

Die Rheinhessen profitierten zunächst von einem Sonntagsschuss von Levin Öztunali (57.), der die Gäste aus 30 Metern Torentfernung sehenswert in Führung schoss. Und zudem von der Fahrigkeit des Dortmunder Kapitäns Marco Reus, der zunächst zwei große Chancen ausließ, ehe er beim Stand von 1:1 auch noch einen Elfmeter ein paar Zentimeter neben das Tor des starken 05-Keepers Robin Zentner setzte (76.). Zu fein gezielt, ist bisweilen auch nicht gut.

Reus entschuldigte sich anschließend bei seinen Mitspielern für die Fehlschüsse. Aber letztlich darf man von Dortmund spielerisch mehr erwarten: mehr Torchancen, mehr unwiderstehlichen Druck aufs Tor der eingeigelten Mainzer, die sich mit Fehlpässen in Serie immer wieder selbst in die Bredouille brachten. Dortmund nutzte das jedoch nur ein einziges Mal, beim 1:1 durch Thomas Meunier (73.), energisch vorbereitet vom eingewechselten Youngster Moukoko. Ansonsten fehlten Durchschlagskraft und Präzision. "Wir hätten uns gerne weiter nach vorne gearbeitet", sagte der zerknirschte Reus - besonders, weil jetzt Duelle mit zwei Spitzenteams anstehen: Dienstag in Leverkusen, Freitag in Mönchengladbach.

Auch unter Leitung von Terzic kann der BVB noch nicht alle Irrwege der Favre-Ära verlassen

Das Schwächeln gegen schwächere Gegner hat Trainer Terzic geerbt. In der fast zweieinhalb jährigen Ära seines prominenten Vorgängers Lucien Favre wurden die leicht vergebenen Punkte, die Niederlagen gegen Außenseiter zum ständigen Störfeuer. Nach einem dieser Spiele, dem 1:5 zu Hause gegen Stuttgart, hatten die BVB-Chefs Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc kurz vor Weihnachten gehandelt. Favre musste gehen.

Seither ist die Grundausrichtung der Borussia offensiver, es wird gepresst und energischer in die beim Fußball unvermeidbaren Zweikämpfe gerauscht. Aber wie man hinter eine dicht gestaffelte Defensive wie die der Mainzer kommt, das hat Terzic seiner Mannschaft noch nicht vermitteln können. Dem neuen Mainzer Trainer Bo Svensson, der erstmals mit einen Punktgewinn belohnt wurde, muss man für seine Betontaktik keine besondere Finesse attestieren. Gegen Dortmund funktioniert das gute alte Mauern eigentlich immer.

So erinnert die BVB-Zwischenbilanz nach dem Trainerwechsel ein wenig an ein Paar in der Eheberatung: Der Wille ist zurück, an der Feinabstimmung hapert es weiterhin. Terzic wird auch wenig Einfluss darauf haben, dass Reus in seinen Leistungen nach wie vor flimmert, und dass Sturmtalent Erling Haaland immer noch erst 20 Jahre jung ist. Gegen Mainz gelang Haaland in der zweiten Minute ein aberkanntes Abseitstor - anschließend war vom Norweger aber nicht mehr viel zu sehen. Und Jadon Sancho, Dortmunds andere 20-jährige Wunderwaffe, zeigte zwar ein paar feine Dribbling-Ansätze, fiel aber dann wieder zurück in die Antriebslosigkeit des Herbstes. "Wir haben unsere Torchancen ein bisschen erzwungen, wir waren zu wenig spielerisch", fasste Reus zusammen.

Ein bisschen sind die Dortmunder aber auch Gefangene ihres Weges mit vielen jungen Talenten. Gegen Mainz bemühte sich Jude Bellingham, 17, um Spielstruktur, während Gio Reyna, 18, verletzungsbedingt aussetzen musste. Und als Haaland, Sancho und Reus einfach nicht mehr in die "gefährlichen Räume" kamen, wechselte Terzic Youssoufa Moukoko, 16, ein.

Über kurz oder lang wird man sich fragen müssen, ob die wilde Mischung von herausragenden Einzel-Talenten und formschwankenden älteren Spielern nicht der wahre Grund für den gehobenen Seitwärtsgang der Mannschaft ist. Man wird sehen, ob Terzic von der BVB-Chefetage mit ausreichend Autorität ausgestattet wird, auch mal einem formschwankenden Reus, nach zuletzt zwei Fehlschüssen, zumindest die Last des Elfmeterschützen abzunehmen. Das Spiel gegen die eifrigen Mainzer hat bewiesen, dass Dortmund auch unter neuer Leitung nicht sofort alle spielerischen Irrwege der Favre-Zeit aufarbeiten kann.

Für das erste Spitzenduell der neuen Woche in Leverkusen muss der BVB auf jeden Fall auf den Langzeitpatienten Axel Witsel (Achillessehnenriss) verzichten, außerdem muss Emre Can (Gelbsperre) aussetzen. Sehr wahrscheinlich wird Reyna (Rachenentzündung) weiter fehlen, Dan-Axel Zagadou musste gegen Mainz mit Problemen im Oberschenkelmuskel raus. Immerhin aber wissen sie in Dortmund, dass sie mit allen Konkurrenten um die Champions-League-Plätze auf Augenhöhe spielen können.

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