Acht Jahre lang hat der Torwart Manuel Riemann beim VfL Bochum die Rückennummer eins getragen. Bis zum 18. Mai. Dann verlor der VfL am finalen Spieltag der vergangenen Saison 1:4 in Bremen und musste in die Relegation. Nach jenem Spiel soll Riemann in der Kabine mal wieder getobt haben. Der Klub nahm ihn kurzerhand aus dem Kader. Bochum schaffte die Relegation mit mehr Glück als Verstand. Mit Riemann, der auch in seinem nunmehr letzten Vertragsjahr bis zuletzt nicht hat mitmachen dürfen, stritt man sich vor dem Arbeitsgericht.
Am Montag kehrte der 36 Jahre alte Oberbayer ins Training zurück. Vor dem Arbeitsgericht schien sich ein Urteil pro Riemann abzuzeichnen, darum einigte sich der VfL mit ihm lieber außergerichtlich und lässt ihn nun wieder mittrainieren. Doch jetzt trägt Riemann die Nummer 31. Der neue Trainer Dieter Hecking sagt: „Unsere Nummer eins ist Patrick Drewes und die zwei ist Timo Horn – daran gibt es erst mal nichts zu ändern.“
Die Karriere des Torwarts Riemann begann im August 2007 mit einem Kompliment von Uli Hoeneß. „Der hat ja Magneten in den Handschuhen“, sagte der damalige FC-Bayern-Manager aus Anlass eines Erstrundenpokalspiels, das die Münchner beim Drittligisten Wacker Burghausen nur mit viel Glück im Elfmeterschießen gewannen. Riemann, damals 18 Jahre jung, hielt sogar zwei Elfmeter. Über seinen tollen Torwart sagte seinerzeit Burghausens Trainer Ingo Anderbrügge: „Vom Talent her einer wie Kahn oder Lehmann, aber es fehlt ihm ein bisschen die Besessenheit.“
Diese Worte müssen Riemann zu Kopf gestiegen sein, denn er entwickelte in den folgenden Jahren eine geradezu berüchtigte Besessenheit. Wenn’s in den vergangenen Jahren beim VfL mal nicht lief, tobte Riemann durch den Strafraum und stellte seine Vorderleute in den Senkel. Kurz vor Bochums Bundesliga-Aufstieg 2021 spielte er in Düsseldorf eine Zweitliga-Partie zu Ende, obwohl er in der vierten Minute schlimm mit dem Fuß umgeknickt war. Bei jedem Tritt und jedem Schuss verzog er schmerzverzerrt das Gesicht, wollte aber auf gar keinen Fall ausgewechselt werden, weil am Vortag sein geliebter Großvater gestorben war, Hans Humpa, ein ehemaliger Verteidiger beim TSV 1860 München und Riemanns wichtigster Fußballverbündeter. Nach dem Spiel und einem 3:0-Sieg sagte der damalige VfL-Trainer Thomas Reis: „Der Manu ist absolut verrückt.“
Riemann beschimpfte Mitspieler und legte sich mit Trainern an
Und Riemann wurde immer spleeniger. Interviews gibt er schon seit zwei Jahren nicht mehr, weil er sich medial schlecht behandelt fühlt. Im September 2022 beschimpfte er Mitspieler im Training laut Medienberichten als „Missgeburten“ – und entschuldigte sich dafür öffentlich. Dem vormaligen VfL-Trainer Thomas Letsch zeigte er während des Spiels gerne an, welche Akteure auszuwechseln wären. Mit dem einen oder anderen Kollegen ging Riemann nicht zimperlich um, nach dem besagten 1:4 in Bremen soll er es aber zu weit getrieben haben. Auf die Frage damals, ob das Gerücht stimme, dass Riemann den Mitspieler Matus Bero geohrfeigt habe, antwortete im Mai der Sportvorstand Patrick Fabian: „Gerüchte möchte ich nicht kommentieren.“ Am Montag nun schrieb der Klub in der Pressemitteilung über die außergerichtliche Einigung mit Riemann: „Der VfL Bochum 1848 hält rückblickend nochmals fest, dass es entgegen teilweise kursierenden Gerüchten zu keinem Zeitpunkt zu Handgreiflichkeiten gekommen ist.“ Riemann äußerte sich auch am Montag nicht.
Beim VfL sind sie gespannt, was Riemanns Rückkehr im Kader auslöst. Der eine oder andere soll auf den Torwart noch immer nicht gut zu sprechen sein, das könnte jener Kollektivstimmung schaden, die sich seit dem jüngsten Amtsantritt des Trainers Hecking verbessert hat. Hecking klang reserviert, als er sagte: „Die außergerichtliche Einigung mit Manu ist eine Entscheidung vom Verein, und wir tragen sie mit – einige gucken aber schon noch mal in den Rückspiegel. Wenn in der Kabine etwas vorgefallen ist, bleibt bei dem einen mehr hängen und bei dem anderen weniger.“
An diesem Samstag gastiert der VfL beim VfB Stuttgart. Nicht zu erwarten, dass Riemann dann zum Kader gehört. In Bochum wären sie schon heilfroh, wenn der Torwart in der Kabine nicht für allzu viel Unruhe sorgt.