Bundesliga:Bernardo rehabilitiert seinen Vater

Kann nach eigener Auskunft nur Blockflöte spielen, aber bestens grätschen: Bernardo, der mit RB Leipzig gegen den FC Bayern spielt.

Bernardo junior: spielt mit RB Leipzig gegen den FC Bayern.

(Foto: Bernd König/imago)

Bernardo senior kam einst als erster brasilianischer Fußballer zum FC Bayern - und scheiterte. Dass sein Sohn mit RB Leipzig den Ex-Klub herausfordert, macht ihn "superstolz".

Von Javier Cáceres, Leipzig

Zuletzt hätten sich die Anrufe wieder gehäuft, sagt Bernardo am anderen Ende der Welt ins Telefon und meint, dass auch in Brasilien die Medien Notiz davon genommen hätten, dass sein Sohn gleichen Namens in Leipzig gerade das erlebt, was ihm zu Beginn der Neunzigerjahre nicht vergönnt war: ein Triumphzug durch die Bundesliga. Es gebe Dinge, sagt Bernardo Fernandes da Silva, 51, über die er lieber spreche als über seine kurze Episode beim FC Bayern München, und dazu zählt vor allem sein Filius Bernardo Fernandes da Silva Júnior, der als Verteidiger bei RB Leipzig eine feste Größe geworden ist. "Ich bin sehr stolz", sagt Bernardo. "Superstolz."

An diesem Mittwoch tritt der Sohn mit RB Leipzig in München auf, um sich mit dem punktgleichen Spitzenreiter FC Bayern eine Art Finale zu liefern; der Sieger würde die Adventszeit an der ersten Stelle der Tabelle beschließen. "Es ist ein Traum", sagt Bernardo, der Sohn. "Wenn wir gewinnen sollten, werde ich mir einen Spaß mit ihm erlauben", sagt er. Dabei weiß auch er, dass München bei seinem Vater nicht nur schöne Erinnerungen weckt.

Dass er nicht gern über die Zeit an der Isar spricht (und eine Zeitlang jede Interviewanfrage abschlägig beschied), liegt daran, dass er als ein Gescheiterter gilt. "Für meine Familie ist es eine große Freude, dass im Curriculum meines Vaters steht: Bayern de Munique!", sagt Bernardo der Sohn. Sein Vater kam 1991 auf nur vier Bundesligaspiele und wurde danach nie das Gefühl los, zu wenig von dem gezeigt zu haben, was ihn zu einem immerhin fünfmaligen brasilianischen Nationalspieler gemacht hatte. "Die Vergangenheit macht mich traurig", sagt Bernardo Senior.

"Es war eine andere Zeit, in nichts mit heute zu vergleichen, oder mit dem, was mein Sohn heute vorgefunden hat", sagt er. Auch sein Sohn sieht Unterschiede: "Die Leute haben sich an ausländische Profis gewöhnt, stehen ihnen aufgeschlossener gegenüber." Sein Vater war gewissermaßen ein Pionier, mit Mazinho II der erste Brasilianer, der je bei Bayern spielte. Und um den sich Legenden ranken, die nicht zu einem Spieler passen, der mit Spitzenklubs wie SC Internacional, FC Santos, Club América, Vasco da Gama, Corinthians oder Atlético Paranaense Titel holte. Von wegen: Er konnte besser Gitarre als Fußball spielen.

Umgekehrt sei "die neue Generation brasilianischer Profis sehr viel besser vorbereitet" auf das Wagnis Ausland, auf die Karriere in einer anderen Welt, "sportlich und kulturell", erklärt Bernardo, der Vater, und rühmt den Anteil, den Bernardos Mutter daran habe, dass der Sohn nun auf ein "hohes Ausbildungsniveau" blicken könne.

Fürwahr: Man muss Bernardo, 22, nur auf Englisch in der Mixed Zone parlieren hören, um eine Ahnung davon zu bekommen, dass da einer steht, der sich überlegt zu artikulieren weiß. Dabei hat ihm der Vater keinen einzigen Ratschlag mit auf den Weg gegeben, weil der wusste: Der Sohn würde schon seinen Weg gehen, der an der Hand einer Legende begann.

"Ein typischer Brasilianer ist er nicht"

Mit sechs war Bernardo in seiner Geburtsstadt São Paulo der "Escola de Futebol Rivellino" beigetreten, der Fußballschule, die von Roberto Rivellino gegründet wurde, einem der großen "Zehner" Brasiliens. "Erinnern Sie sich an Djalminha von Deportivo La Coruña? Mit dem hat mich Rivellino immer verglichen", sagt Bernardo. Sein Idol sei freilich nicht der Spielmacher gewesen, sondern Rogério Ceni, der in seiner Karriere 131 Tore schoss - als Torwart des FC São Paulo.

Aus Bernardo wurde aber weder ein Keeper noch ein offensiver Mittelfeldspieler, sondern - nach Stationen beim FC São Paulo, EC Pão de Açúcar, Curitiba, Red Bull Brasil und Red Bull Salzburg - eine variabel einsetzbare Defensivkraft. Er selbst definierte sich mal als defensiver Mittelfeldmann oder Innenverteidiger, am Wochenende spielte er - nach einer sechswöchigen Zwangspause - gegen Hertha erst als Rechts-, dann als Linksverteidiger, zur Zufriedenheit von Trainer Ralph Hasenhüttl.

Mann mit Gitarre: Bernardo, der mal für den FC Bayern spielte.

Mann mit Gitarre: Bernardo, der mal für den FC Bayern spielte.

(Foto: Fred Joch/imago)

Für koordinative Traumata sorgt das Hin und Her nicht. Bernardo ist Linksfuß, aber Rechtshänder. "Pingpong spiele ich mit rechts." Sein Vater sagt, er sei ein talentierter Fußballer. "Aber ein typischer Brasilianer ist er nicht." Er sei diszipliniert, immer schon gewesen. Als seine Freunde drohten, an die Samba und die "chicas" verloren zu gehen, blieb sein Sohn daheim. "Er hat schon als Jugendlicher 24 Stunden des Tages daran gedacht, zu triumphieren", sagt der Vater.

Dass der Sohn den Umweg über RB Salzburg nahm, habe ihm geholfen, glaubt Bernardo senior. "Ich freue mich sehr, dass es ihm gut geht, er ist ein wirklich guter Junge und sehr strebsam", sagt Óscar García, der Trainer in Salzburg, der im Sommer bitter darüber klagte, dass ihm die Leipziger drei Tage vor Ende des Transferschlusses Bernardo abspenstig gemacht hatten. "Óscar hat mir mehr geholfen als jeder andere und mir von Beginn an sehr viel Vertrauen gegeben", sagt Bernardo.

Für die Leipziger zahlte es sich aus, sie erhielten einen selbstsicheren, jungen Mann, der den etablierten Bundesliga-Verteidiger Kyriakos Papadopoulos ausstach. Nach seinem Bundesligadebüt am dritten Spieltag fehlte Bernardo bis zu seiner Verletzung bei keinem einzigen Spiel. Und auch für das Gastspiel beim FC Bayern ist er gesetzt - das beileibe nicht nur, weil Leipzig Verletzungssorgen plagen. Naby Keita und Marcel Halstenberg werden wegen der Muskelverletzungern, die sie beim 2:0-Sieg vom Wochenende gegen Berlin davontrugen, wohl fehlen.

"Das Geheimnis von RB? Unsere Jugend", sagt der Sohn

Jene Partie untermauerte die Ambitionen von RB Leipzig, der nur wegen der schlechteren Tordifferenz hinter dem FC Bayern steht. "Was das Geheimnis von RB ist? Unsere Jugend, unser Engagement. Wir hören nicht auf zu rennen. Und wir haben einen großen Siegeswillen", sagt Bernardo. Zurückzuführen sei dies auf den großen Einfluss des Trainers. "Es ist nicht einfach, mit jungen Leuten zu arbeiten und aus ihnen eine Einheit zu formen. Er schafft das", erzählt Bernardo.

Die Stadt, die seinen Vater zu Beginn der Neunzigerjahre einst abstieß, kennt Bernardo bislang nur von Stippvisiten. Mit der Freundin, die mit ihm und seiner Mutter in Leipzig wohnt, hat er einst die Markenläden der Innenstadt besucht, die es im österreichischen Salzburg nicht gab. "Ich mag die Stadt", sagt er, so wie auch sein Vater sie mag. All der Traurigkeit zum Trotz. Das Stadion aber werde er nun zum ersten Mal betreten, und er glaubt, dass Leipzig große Chancen hat, dort zu gewinnen. "Die Verantwortung lastet nicht auf uns", sagt Bernardo.

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