7:0 des FC Bayern:"Wir wurden auseinandergeschraubt"

7:0 des FC Bayern: Läuft bei den Bayern: Leroy Sané (2.v.r.) und Sadio Mané (Rückennummer 17) treffen beide gegen Bochum.

Läuft bei den Bayern: Leroy Sané (2.v.r.) und Sadio Mané (Rückennummer 17) treffen beide gegen Bochum.

(Foto: Sascha Schuermann/AFP)

Die Bayern verpassen den höchsten Bundesliga-Auswärtssieg und gewinnen "nur" 7:0 in Bochum. Über ein Team, das seinen besten Torschützen verkauft hat - und jetzt noch mehr Tore schießt.

Von Philipp Selldorf, Bochum

Er werde in sich gehen und überlegen, was er zu dieser Niederlage beigetragen habe, erklärte Thomas Reis und fing gleich damit an, ein paar Gedanken dazu vorzutragen: Hätte es "vielleicht noch mehr Feuer von außen" gebraucht? "Eine andere Positionierung" innerhalb der Mannschaft? Elemente, die "die Abwehr stabiler machen"? Dies alles hätte vermutlich nicht geschadet, aber es hätte womöglich auch alles nichts genutzt, solange niemand verhindern konnte, dass auf der anderen Seite die Mannschaft des FC Bayern in Stellung geht. "Es ist wie es ist", stellte Reis nach dem 0:7 fest: "Bayern ist im Moment das Nonplusultra."

So gut seien die Münchner noch nie in die Saison gestartet, meldeten prompt die Statistiker, doch sollten die Statistiker aufpassen, dass sie sich nicht unbeliebt machen. Wer - außer der eigenen Gefolgschaft - will noch etwas hören von Münchner Erfolgsrekorden? Am Sonntagabend waren zumindest noch ein paar Duisburger froh über das, kein Scherz, relativ knappe Resultat. So bleibt dem Meidericher SV durch das 9:0 bei Tasmania Berlin im Jahr 1966 der Nimbus für den höchsten Auswärtssieg der Bundesliga.

Hörte man Joshua Kimmich zu, ist der Erhalt der Bestmarke der Gnade der Bayern zu danken: "Wir hätten noch das eine oder andere Tor schießen können", bemerkte er ohne arrogant zu klingen. Kimmich drückte bloß aus, was passiert war bei diesem ungleichen Kräftemessen. Die Bochumer Fans hatten das auch verstanden, sie sangen einfach weiter und verzichteten darauf, ihre Elf zu beschimpfen. Das VfL-Team hatte durch sein fehlerlastiges Spiel das Debakel heraufbeschworen, Christian Gamboas 0:6 war im Grunde nicht das einzige Eigentor, doch sie wurde auch von ihrem spielfreudigen Gegner überwältigt. "Wir wurden noch nie nach allen Regeln der Kunst so auseinandergeschraubt", klagte Angreifer Simon Zoller.

Kimmich erklärt, wie gut ihm das Bayern-Spiel ohne Lewandowski gefällt

Selbstredend wird dieser Sieg in die Debatte über die übermächtigen Bayern eingehen, die alten und üblichen Argumente werden genannt werden. Und die neuesten Hinweise von der Säbener Straße verringern nicht das Leiden an der Hegemonie. Der FC Bayern hat zwar seinen einzigartigen Torjäger verkauft, aber er schießt ohne ihn jetzt sogar noch mehr Tore. Während Robert Lewandowski in Barcelona angefangen hat, seiner gewohnten Fabrikarbeit nachzugehen - zwei Treffer stellte er am Sonntagabend beim 4:1 in San Sebastian her -, scheinen ihn seine ehemaligen Mitspieler ausdrücklich nicht zu vermissen.

7:0 des FC Bayern: Auch Kingsley Coman (Mitte) ist wieder da - und klar, auch er trifft gegen Bochum.

Auch Kingsley Coman (Mitte) ist wieder da - und klar, auch er trifft gegen Bochum.

(Foto: Thilo Schmuelgen/Reuters)

Nicht nur der Trainer Julian Nagelsmann hob das gehobene Gemeinschaftsgefühl in der Mannschaft hervor und gab zu verstehen, das sei im Vorjahr durchaus anders gewesen. Kimmich schloss sich dem Gedanken an: "Es macht schon sehr viel Spaß momentan, weil auch eine gute Energie in der Truppe ist", sagte er. Jahrelang war Lewandowski das logische Ziel der offensiven Operationen, nun strahlt das Münchner Sturm-Spiel den Geist von Losgelassenheit und Freiheit aus. Am Sonntag gab es für Leroy Sané, Sadio Mané und Kingsley Coman zwar eine Positionszuteilung von links nach rechts, doch innerhalb der Formation sind die Rollen und Wege jederzeit austauschbar. Auch die Mittelfeldspieler profitieren davon.

Das hohe Tempo und die Beweglichkeit der neuen Angriffsreihe komme ihm zugute, berichtete Kimmich: "Wenn du da drei, vier Spieler hast, die tief gehen können, dann bist du natürlich flexibler im Pass-Spiel. Du hast noch mehr Stationen, die du anspielen kannst. Insofern ist das für einen Mittelfeldspieler, würde ich mal sagen, noch angenehmer." Die fünf Wechsel, die Nagelsmann bis Mitte der zweiten Hälfte vorgenommen hatte, brachten den Rhythmus nicht durcheinander. Kimmich: "Wir sind nicht nur in der Breite besser geworden, sondern auch in der Spitze. Egal wer reinkommt: Wir verlieren wenig an Qualität und vor allem wenig an Energie."

Leroy Sané "will ein bisschen in Ruhe gelassen werden", sagt Trainer Nagelsmann

Im Mittelpunkt diesmal: Leroy Sané, der eine von ihm eingeleitete Kombination schon nach fünf Minuten zum 1:0 vollendete. Er könne sich kurz fassen, hat Nagelsmann gesagt, als er zum auffallenden Auftritt Sanés befragt wurde: "Wenn er hundert Prozent Bock hat, dann ist er einer der besten Spieler in Europa."

Zuletzt hatte ihn offenbar die Lust gepackt, Mitspieler berichteten von aufsehenerregenden Trainingsleistungen. Woher der Antrieb plötzlich kam, vermochte keiner zu sagen, Sanés Wege scheinen unergründlich zu sein. "Er ist ein Typ, der nicht ständig das Gespräch sucht und im Trainer-Büro sitzt. Er will ein bisschen in Ruhe gelassen werden", fasste Nagelsmann zusammen. Kommt ein Abend wie dieser dabei heraus, ist selbst der außerordentlich mitteilsame Trainer gern dazu bereit, Sané anzuschweigen.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusTrend in der Bundesliga
:Und nun zur Schlusskonferenz!

Zum zweiten Mal hintereinander entscheidet der Bremer Oliver Burke ein Spiel in der 95. Minute - eine Zuspitzung, die gewollt ist. Dass Fußballspiele so lange dauern, bringt zusätzliche Dramatik - und lässt sich vielleicht sogar extra vermarkten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: