Borussia Mönchengladbach:Die jungen Milden

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Die neuen Gladbacher Spieler um Tomas Cvancara (oben) beweisen schon Durchschlagskraft - doch der letzte Punch fehlt noch. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Nach ihrem großen Kaderumbruch erweisen sich die Gladbacher beim 4:4 in Augsburg als wild im Angriff, aber anfällig in der Abwehr. "Die Reise hat erst begonnen", verspricht Trainer Seoane und benennt klar, was zum Saisonauftakt nicht gelang.

Von Maik Rosner, Augsburg

Hinterher saß Gerardo Seoane auf dem Podium in der Augsburger Arena und versuchte sich an einer Einordnung. Das war gar nicht so einfach, denn hinter dem neuen Trainer von Borussia Mönchengladbach lag ein Spiel, das mit dem Wort "wild" verniedlichend beschrieben war. Man musste sich eigentlich einiger Zusätze bedienen, um das Hin und Her und Auf und Ab in den weit mehr als 100 Minuten Spielzeit einigermaßen treffend zu umreißen. Als extrem wild hätte man den turbulenten Hergang beispielsweise beschreiben können. Man konnte es aber auch so machen wie Seoane und die große Amplitude der Ereignisse in einen unaufgeregten und verkürzten Satz gießen, der gerade wegen seiner Schlichtheit ganz gut transportierte, was passiert und ausgelöst worden war. Seoane sagte: "Insgesamt ein Spiel mit vielen Gefühlen."

Gemeinhin wird in derartigen Fällen schnell zum Sprachbild der Achterbahnfahrt gegriffen. Doch das ist erwartbar und im Falle dieses 4:4 (3:3) beim FC Augsburg auch nicht wirklich stimmig. An diesem brütend heißen Samstagnachmittag mussten sich die Gladbacher mit all ihren neuen Spielern und dem neuen Trainer eher wie Buntwäsche vorgekommen sein, die in eine Trommel geworfen und geschleudert wurde.

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Mönchengladbach verspielt beim wilden 4:4 in Augsburg zweimal einen Zwei-Tore-Vorsprung. Die Offensivreihen beider Teams stimmen zuversichtlich, viele Abwehrfehler geben den Trainern aber zu denken.

Von Maik Rosner

Heraus kam ein Spiel, in dem die Gäste durch Ko Itakuras Kopfball (13.) und einen satten Rechtsschuss des neuen Angreifers Tomas Cvancara (27.) effizient ihren ersten Zwei-Tore-Vorsprung herausschossen, ehe Elvis Rexhbecaj für Augsburg verkürzte (1:2/29.). Bald stellte der sehr flinke Nathan Ngoumou den zweiten Zwei-Tore-Vorsprung wieder her, als er Arne Engels nach Torwart Jonas Omlins Abschlag einfach entschlossen davonlief und freistehend zum 3:1 für Gladbach einschoss (38.).

Mittelstürmer Cvancara und Linksaußen Ngoumou, beide 23, stachen schon zu diesem Zeitpunkt heraus als junge und vielversprechende Elemente der neuen Borussia-Offensive. Hinzu kam der neue Rechtsaußen Franck Honorat, 27, der seine spielerische Klasse immer wieder aufblitzen ließ. Dem teils sehr hübsch anmutenden Spiel nach vorne standen allerdings die Nachlässigkeiten und oft auch Fehler in Gladbachs Defensive gegenüber. Augsburgs Maximilian Bauer durfte aus kurzer Distanz völlig ungestört das 2:3 erzielen (41.). Dann holte Linksverteidiger Luca Netz, 20, Engels im Strafraum von den Beinen, Sven Michel traf per Foulelfmeter zum 3:3 (45.+7).

"Die Reise hat erst begonnen mit großen Veränderungen", sagt Borussia-Coach Seoane

Man sei "zu fehlerhaft im eigenen Drittel" gewesen, befand Seoane und meinte dabei auch das Spiel mit dem Ball, nicht nur das Verteidigen. Er versprach Netz umgehend seine Unterstützung, übergeordnet stellte Seoane fest: "Wenn du vier Tore auswärts kassierst, kannst du als Trainer nicht zufrieden sein." Mit mehr Cleverness hätten seine Spieler ihre 2:0- und 3:1-Vorsprünge in den vollen Ertrag überführt. "Es ist uns gar nicht gelungen, das Spiel zu beruhigen. Das ist auch etwas, das unbedingt besser werden muss", sagte Seoane wohl auch schon mit Blick auf das Wiedersehen mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Bayer Leverkusen am kommenden Samstag.

Weil ihnen die Ruhe fehlte, erwiesen sich die Gladbacher nach ihrem großen Kaderumbruch zwar als wild, dem eigentlich schon geschlagenen Gegner gegenüber aber vor allem als die jungen Milden, wenn man so will. Statt kühl den Sieg nach Hause zu bringen und manche Konterchance zur Entscheidung zu nutzen, gaben sie den Sieg wieder aus der Hand. "Die Reise hat erst begonnen mit großen Veränderungen", betonte Seoane und versuchte es positiv zu sehen: "Wir wissen, dass wir viel Entwicklungspotenzial haben."

Selbst der Punktgewinn gelang gegen Augsburg erst in letzter Minute

Am Ende mussten der Trainer und seine Belegschaft sogar froh sein, noch einen Punkt erreicht zu haben. Denn der schon sicher geglaubte Sieg schien sich in eine Niederlage zu verwandeln, nachdem Rechtsverteidiger Joe Scally, 20, eine Kerze im eigenen Strafraum geschlagen und Augsburgs Ruben Vargas zum 3:4 aus Gladbacher Sicht getroffen hatte (76.). Doch weil Vargas nicht nur den Ball, sondern im eigenen Strafraum auch noch Yvandro Borges Sanches versehentlich Vollspann zu nehmen versuchte, konnte Cvancara in der siebten Minute der Nachspielzeit bei seinem zweiten Tor zum 4:4 seine Nervenstärke als Elfmeterschütze demonstrieren.

Ganz zufrieden war der Tscheche trotz seines sehr gelungenen Bundesliga-Einstands nicht: "Es ist ein bisschen enttäuschend, vier Tore zu erzielen und mit einem Punkt dazustehen", sagte er. Hinzufügen ließ sich nach diesem Spiel im Schleudergang und mit den vielen Gefühlen: immerhin.

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